Werder-Chef Klaus Filbry: „Investition in unsere Zukunftsfähigkeit“

Werder Bremen zieht es an den Kapitalmarkt: Was Anfang des Jahres noch Hören-Sagen schien, hat sich mittlerweile manifestiert. BondGuide sprach mit Klaus Filbry, Vorsitzender der Geschäftsführung und kaufmännischer Geschäftsführer von Werder Bremen.

BondGuide: Herr Filbry, vielleicht zum Einstieg einmal kurz die Anleihe-Motive von Werder Bremen von Ihnen in eigenen Worten?
Filbry: Wir haben uns für eine kleinvolumige Anleihe aus zwei konkreten Gründen entschieden. Erstens wollen wir für die Folgen der Pandemie gewappnet sein. Wir haben noch keine Antworten auf sehr wichtige Fragen: Wann wir etwa wieder vor Zuschauern spielen können und wie sich der Transfermarkt entwickelt. Als hanseatische Kaufleute wollen wir auf diese Unwägbarkeiten vorbereitet sein.

BondGuide: Also die Mittelverwendung ist nicht einfach ‚Schließen einer Finanzlücke‘ in der laufenden Saison?
Filbry: Das soll sie ausdrücklich nicht sein. Wir schauen immer voraus, und daraus ergibt sich der zweite Grund: Uns geht es um die Zukunftsfähigkeit unseres Vereins und notwendige Investitionen. Besonders wichtig ist die Weiter- und Ausbildung unserer jungen Perspektiv- und Zielspieler. Wir wollen zudem stärker in digitale Technologien investieren, denken Sie an Virtual Reality-Trainings, Blockchain-Funktionalitäten für Vertragsgestaltung oder Token für Merchandising. Schließlich wollen wir noch stärker in Nachhaltigkeit investieren und unserer sozialen Verantwortung gerecht werden.

BondGuide: Hätten Sie diese Investitionen in einer normalen Saison nicht ohnehin getätigt?
Filbry: Corona-bedingt haben wir in den vergangenen beiden Spielzeiten Mindereinnahmen von 35 Mio. EUR erwirtschaftet. Gleichzeitig haben wir drei Bankkredite, die durch eine Landesbürgschaft abgesichert sind. Da wir alle derzeit aber noch nicht absehen können, wann wieder vor Zuschauern gespielt werden kann, müssen wir unsere Liquidität sichern. Ich persönlich gehe aktuell davon aus, dass wir dank erfolgreicher Hygienekonzepte und der Impfung in Deutschland in der neuen Saison wieder vor Zuschauern spielen. Wenn dies zutrifft, werden wir wie geplant in die genannten Zukunfts- und Wachstumsthemen investieren.

BondGuide: In einer ersten Phase wurde die Werder-Anleihe schon mal institutionell vorplatziert – richtig?
Filbry: Das stimmt. In der ersten Phase der Platzierung haben wir gemeinsam mit dem Bankhaus Lampe ausgewählte institutionelle Investoren und größere Anleger aus dem Vereinsumfeld angesprochen. Die Mindestanlage lag bei 100 TEUR. Diese Phase haben wir in den vergangenen Tagen abgeschlossen und schon jetzt Zusagen für eine niedrige zweistellige Millionensumme erhalten. Angesichts der Kürze der Zeit halte ich das für bemerkenswert viel. Im nächsten Schritt bereiten wir nun die Anleihe für das öffentliche Angebot vor. Das maximale Zielvolumen liegt bei 30 Mio. EUR.

Trainer Florian Kohfeldt

BondGuide: Ist das Zielvolumen denn variabel, da sie ‚maximal‘ betont haben?
Filbry: Ja. Wir sind uns noch nicht sicher, ob wir die 30 Mio. EUR überhaupt benötigen. Nach derzeitiger Prognose gehe ich davon aus, dass wir das maximale Zielvolumen zwar erreichen können, es aber nicht ausschöpfen wollen.

„Die überwiegende Mehrheit der institutionellen Investoren akzeptierte das untere Ende der Spanne von 6,0 bis 7,5%.“

BondGuide: Hängt das vom finalen Kupon ab?
Filbry: Nein, nicht vollständig. Die Bookbuilding-Spanne aus der ersten Phase lag bei 6,0 bis 7,5%. Die für mich beste Nachricht aus dieser Phase neben der Höhe der eingegangenen Zeichnungen war, dass die überwiegende Mehrheit das untere Ende der Spanne akzeptierte.

BondGuide: Bleiben alle Hauptsponsoren auch in schwierigen Zeiten bei der Stange oder muss man womöglich jährlich mit allen verhandeln?
Filbry: Lassen Sie mich dazu etwas ausholen: Mediale Verwertungen machen mit fast 50% das Gros unserer Einnahmen aus. Das Ticketing als zweitgrößte Säule fällt derzeit, wie skizziert, bei allen Clubs leider komplett aus. Danach kommen die Sponsoren. Die Verträge mit unseren Topsponsoren sind längerfristig oder wurden meist erst kürzlich verlängert. Wir haben also in allen Belangen maximale Planungssicherheit. Wenn wir von der laufenden, speziellen Saison absehen und einmal in die Zukunft blicken, bietet die Erlösstruktur für die gesamte Bundesliga im Allgemeinen und für Werder Bremen im Besonderen doch eine recht gute Perspektive.

Der aktuelle Kader zu Saisonbeginn


„Alle variablen Kosten standen sofort auf dem Prüfstand.“

BondGuide: Was mir auffällt: Werder hat keinen Automobil-Sponsor – wie kommt das?
Filbry: Werder Bremen hatte mit Volkswagen ja bis zur vergangenen Saison einen langfristigen Sponsor aus dem hiesigen Automobilsektor. Die Verlängerung des Vertrags sollte eigentlich vor genau einem Jahr geschehen. Dann kam Corona – und sie blieb aus.

BondGuide: Werder hat sicherlich vor einem Jahr seinerseits alle erdenklichen, realisierbaren Schritte zu Kosteneinsparungen geprüft und umgesetzt – wie erfolgreich war das darstellbar?
Filbry: In der Tat mussten wir vor einem Jahr schnell handeln. Die variablen Kosten standen sofort auf dem Prüfstand. Hierbei sprechen wir vor allem über Gehälter. Die Spieler stimmten einem Gehaltsverzicht geschlossen zu, wenig später noch einem zweiten. Auch die Geschäftsführung und die erste Führungsriege erklärte sich zum Gehaltsverzicht bereit.

Ein Bild aus den erfolgreichsten Zeiten unter ‚König Otto‘

„Wir haben es geschafft, die Verträge so zu strukturieren, dass sie mit möglichen Mindereinnahmen korrespondieren.“

BondGuide: Benötigt man dabei nicht eine dauerhafte Lösung, statt auf Sicht zu fahren?
Filbry: Sie haben Recht: Der größte Posten einer Saison enthält natürlich die Spielergehälter. Wir haben es geschafft, die Verträge so zu strukturieren, dass sie mit möglichen Mindereinnahmen korrespondieren. Darüber hinaus haben wir auch für einen sehr unwahrscheinlichen Fall vorgesorgt: einen Abstieg in die zweite Liga. Die Verträge sind so ausgehandelt, dass sich die Spielergehälter im Fall eines Abstiegs um bis zu 60% reduzieren würden. So etwas ist überlebensnotwendig für einen Club.

Klaus Filbry, Werder Bremen

„Die Option ‚Kapitalmarkt‘ sollten wir uns offenhalten.“

BondGuide: Wichtige Frage für alle potenziellen Investoren und/oder Freunde des Vereins Werder Bremen: Ist der aktuelle Ausflug an den öffentlichen Kapitalmarkt als Episode gedacht oder könnten Sie sich vorstellen – sofern auf den Geschmack gekommen –, dass es nicht bei einem einmaligen Ausflug bleiben müsste? Ich denke hier natürlich an die Rückzahlung der Anleihe in fünf Jahren – wie steht es da mit der hanseatischen Kontinuität, einer der Werder-Tugenden?
Filbry: Interessant, wie Sie hier unser Werder-Profil für ihre Frage interpretieren (lacht)…  Im Ernst: Prinzipiell ist die Anleihe, und zwar beim Volumen und Zinssatz so angelegt, dass wir sie sicher regulär bedienen und zurückzahlen können. Zugleich sehe ich die Möglichkeit, mit dem Wertpapier Kapitalmarkterfahrung zu sammeln und unsere Marke auch für Anleger vertrauensbildend aufzubauen. Daher schließe ich nicht aus, dass wir diesen Weg irgendwann weitergehen. Die Option ‚Kapitalmarkt‘ sollten wir uns offenhalten. Zum jetzigen Zeitpunkt sage ich aber auch: Wir halten sie uns offen – nicht mehr und nicht weniger.

BondGuide: Herr Filbry, ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit und die mehr als spannenden Einblicke!

Fotos: @Werder Bremen

Interview: Falko Bozicevic