Schwäche des US-Dollar ist ein Warnsignal

Beat Thoma, CIO von Fisch Asset Management, äußert sich zur momentanen Marktsituation. Wie steht es um den US-Dollar?

Das Gleichgewicht zwischen positiven und negativen Kräften an den Finanzmärkten und bei der globalen Wirtschaftsentwicklung bleibt vorerst bestehen. Wir sind unverändert im Goldilocks-Umfeld (liquide Geldpolitik, tiefe Inflation und eine – wenn auch relativ schwache – wirtschaftliche Erholung nach dem Schock).

Hinzu kommt eine ‚Wall of Worry‘ in Form einer realistischen Einschätzung der Lage durch viele Marktteilnehmer und Konsumenten. Historisch sorgte diese Kombination stets für eine solide Unterstützung der Aktien- und Kreditmärkte, wie wir sie auch aktuell beobachten.

Es beginnen sich jedoch erste größere Veränderungen im System abzuzeichnen. Der US-Dollar fällt erstmals seit Ausbruch der Covid-19-Krise deutlich und reagiert damit auf die extrem expansive Geldpolitik der US-Notenbank. Der Goldpreis und verschiedene Industriemetalle spiegeln dies bereits mit deutlich steigenden Kursen wider.

Damit besteht die Möglichkeit einer durch die Dollarschwäche ausgelösten Kettenreaktion: steigende Rohstoffpreise führen zu höheren Inflationserwartungen und reduzieren dadurch den Handlungsspielraum der Notenbanken – mit entsprechenden Folgen für die Finanzmärkte.

Daher verfolgen wir die weitere Entwicklung genauestens. Denn die Schwäche des US-Dollars stellt einen grundlegenden Wechsel im aktuellen Reaktionsverhalten des Finanzsystems auf die Geldpolitik dar. Zudem bestehen weiterhin verschiedene andere Risiken: Die Konjunktur beginnt sich nach einem Zwischenspurt (aufgrund des Nachholbedarfs) wieder abzuschwächen. Gleichzeitig sind die Bewertungen der Finanzmärkte auf sehr hohem Niveau, haben sich von der fundamentalen Realität abgekoppelt und sind stark von einer lockeren Geldpolitik abhängig. Und dies alles vor dem Hintergrund weiterer Rückschläge bei der Bekämpfung der globalen Pandemie.

Beat Thoma, Fisch AM

Kurzfristig dürften sich der fallende Dollar und die liquide Geldpolitik aber noch positiv auf die Märkte auswirken, da die Folgen der erwähnten Kettenreaktion erst mittelfristig wirksam werden. Ein mögliches Überschießen der Inflation wird von den Notenbanken toleriert und der tiefere Wechselkurs reduziert den Stress in vielen Emerging Markets. Letzteren wird es ermöglicht, ihre eigene Geldpolitik umzusetzen und beispielsweise die Zinsen zu senken ohne die eigene Währung damit abzuwerten.