Staatsanleihen in Zeiten der Coronakrise

Die aktuelle Schwemme an Staatsanleihen könnte problematisch werden: Spätestens bei der Refinanzierung könnten die Renditen steigen und die Kurse sinken. Von Robert Steininger*

Auf den Aktienmärkten herrschte für einige Zeit nach dem Ausbruch des Coronavirus Endzeitstimmung. Wie panisch zogen Anleger und institutionelle Investoren ihr Geld aus den Märkten ab. Staatsanleihen dagegen haben sich zuletzt als sicherer Hafen bewährt.

Als eine der ganz wenigen Asset-Klassen konnten die meisten Staatsanleihen weiterhin positive Erträge liefern. Problematisch ist jedoch die Flut neuer Staatsanleihen, die Staaten zur Finanzierung der Folgen der Coronakrise neu auf den Markt bringen.

Allein Deutschland bringt aktuell Anleihen im Volumen von 280 Milliarden Euro auf den Markt. Die USA leihen sich wie selbstverständlich Billionen Dollar, Japan hat mittlerweile China als größten Gläubiger der USA abgelöst.

Immer mehr Staaten leihen sich frisches Geld, um die wirtschaftlichen Auswirkungen des Shutdown und die Spätfolgen der Coronakrise abzufedern. Die Schwemme der neuen Staatsanleihen bringt jedoch ungeahnte Probleme mit sich, von einem Kollabieren der Zinsen ganz abgesehen.

Der Markt könnte überfordert werden

Die Europäischen Länder bringen insgesamt soviel Staatsanleihen auf den Markt, dass die Europäische Zentralbank mit ihren Ankaufprogrammen kaum noch hinterherkommt. Aktuell wurde gerade das Pandemic Emergency Purchasing Program (PEPP) durch die EZB aufgelegt. Das aktuell 750 Mrd. EUR umfassende Programm könnte auch noch einmal auf bis zu 1.500 Mrd. aufgestockt werden.

Der Schutzschirm der europäischen Gemeinschaft bietet zwar eine gewisse Sicherheit, jedoch könnte es auf lange Zeit gesehen auch löchrig werden, weil die das Anklaufsprogramm zeitlich auf die Coronakrise befristet ist. Das könnte zu einem Vabanquespiel à la Convertus Aurum von Merkur entwickeln.

Deutschland und einige andere Länder haben ebenfalls stark mit den Auswirkungen der Coronakrise zu kämpfen und es ist keineswegs sichergestellt, dass die wirtschaftliche Kraft und der gesellschaftliche und politische Konsens für alle Zeiten genügend Stabilität bieten, um einen Anstieg der Renditen aufzufangen.

Auch die USA werfen Anleihen auf den Markt, als wenn es das selbstverständlichste überhaupt wäre, dass es immer genügend Abnehmer gäbe. Die Federal Reserve kauft in dieser Phase den größten Teil der Anleihen auf. Institutionelle Anleger, aber auch vermögende Privatanleger kaufen derzeit ebenfalls erhebliche Mengen.

Dabei bieten die US-Anleihen derzeit nur eine sehr mickrige Rendite von etwa 0,6% auf eine Laufzeit von zehn Jahren. Angesichts von neuerdings etwa 30 Mio. Arbeitslosen könnte es nach dem Auslaufen des Programmes sehr viel schwieriger werden, neue Konjunkturprogramme zu finanzieren.

Der Grund ist auch hier, dass zum einen das aktuelle Ankaufsprogramm der FED ebenfalls auf die Phase der Coronakrise limitiert ist und dass auch die bereits emittierten Anleihen irgendwann refinanziert werden müssen.

Das wird sich dann in stark steigenden Renditeforderungen des Marktes widerspiegeln, damit die Nachfrage weiterhin hochgehalten wird. Die steigenden Renditen wiederum lassen die Kurse für die bereits emittierten Anleihen fallen und üben zusätzlichen Druck auf den Staathaushalt aus.

Insgesamt gesehen kann dies dazu führen, dass US-Staatsanleihen nicht mehr als der sichere Hafen angesehen werden. Ein solches Szenario hätte ebenfalls große Auswirkungen auf die Aktienmärkte. Es würde schlichtweg teurer, Anleihen zur Beimischung in risikobehaftete Aktienportfolios zu halten.

Mit Staatsanleihen ist auf absehbare Zeit kaum Geld zu verdienen

Eine Erhöhung der Leitzinsen ist mit der Coronakrise auf nicht absehbare Zeit nun einmal mehr in weite Ferne gerückt. Geld wird daher lange sehr günstig bleiben. Ein Anstieg der Inflation wird so schnell ebenfalls nicht kommen. Bis zu einem Anheben darf eher von zehn als von fünf Jahren ausgegangen werden.

Experten gehen davon aus, dass die Wirtschaft erst 2022 oder 2023 wieder auf dem Niveau vor der Coronakrise ankommen wird. Solange wird sich auch die Inflation kaum erhöhen. Das gilt für die Europäische Union genauso wie für die Vereinigten Staaten.

Das bedeutet für die Anleger, dass Anleihen derzeit per se kaum geeignet sind, um damit Geld zu verdienen. Am Beispiel der deutschen Anleihen mit ihren negativen Zinsen wird das besonders deutlich.

Eurobonds verpasste Chance?

Die Diskussion um die Eurobonds hat dem Ansehen des Euro eher geschadet. Die Eurobonds werden aufgrund des Widerstandes v.a. Deutschlands und der Niederlande vorerst nicht kommen. Viele Anleger, die gehofft hatten, dass zumindest „Corona Bonds“ kommen, wurden enttäuscht.

Aus Sicht nicht weniger Experten hätte die Vergemeinschaftung der Schulden wesentliche Vorteile. Zum einen sind italienische Staatsanleihen, die ja hauptsächlich auch von der EZB gekauft werden, nun wieder teurer und zum anderen hätte man wesentlich mehr Vertrauen in das Gemeinschaftsprojekte EU schaffen können.

Mit einem Eurobond, fundamentiert durch eine stabile Währungsunion hätten europäische Anleihen das Potential gehabt, sogar dem Dollar den Rang als Hauptanleihehafen abzulaufen. Das wiederum hätte wesentlich mehr Konjunkturprogramme in den einzelnen europäischen Ländern möglich gemacht und die Wirtschaftskraft innerhalb der Europäischen Union langfristig erheblich steigern können.

Die anhaltenden Streitigkeiten zwischen Italien, Frankreich Spanien auf der einen Seite und den hart bleibenden Ländern wie Deutschland und den Niederlanden lassen die Anleger eher kritisch auf den Euro schauen und die Renditeforderungen für Staatsanleihen der europäischen Länder im Durchschnitt eher stärker steigen. Auch der Euro und die Währungsunion bleiben dadurch insgesamt gesehen weiterhin anfällig.

*) Robert Steininger ist Spezialist für u.a. Anlagestrategien und publiziert regelmäßig zu Fachthemen wie Online-Strategien, Investment-Strategien und Verhaltensanalyse.