AG Düsseldorf: gemV hat in insolvenzrechtlicher GV nur eine Kopfstimme pro Anleihe

Lutz Pospiech, GÖRG

Der Law Corner Beitrag von Dr. Lutz Pospiech, Assoziierter Partner, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München.

In seinem Beschluss vom 20.3.2020 hat sich das Amtsgericht Düsseldorf (Insolvenzgericht) – soweit ersichtlich – als erstes Gericht mit der praxisrelevanten und sehr umstrittenen Rechtsfrage auseinanderzusetzen, ob einem gemeinsamen Vertreter (gemV) in einer insolvenzrechtlichen Gläubigerversammlung so viele Kopfstimmen zuzubilligen sind, wie einzelne Anleihegläubiger existieren, oder lediglich eine Kopfstimme pro vertretener Anleihe. Das AG Düsseldorf hat sich für Letzteres ausgesprochen.

Beschluss des AG Düsseldorf (Az. 502 IN 155/19)
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt war ein Rechtsanwalt in fünf ausgegebenen Anleihen eines insolventen Emittenten jeweils zum gemeinsamen Vertreter aller Anleihegläubiger gewählt worden. In einer insolvenzrechtlichen Gläubigerversammlung wurde dann ein Antrag auf Wahl eines anderen Insolvenzverwalters gestellt. Im Hinblick auf die für den gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger bei der Abstimmung zu berücksichtigenden Kopfzahl konnte in der betreffenden Versammlung keine Einigung erzielt werden. Der die Versammlung leitende Rechtspfleger setzte schließlich das Stimmrecht für den gemeinsamen Vertreter auf einen Kopf pro Anleihe fest.

Das AG Düsseldorf hat nunmehr die durch den Rechtspfleger vorgenommene Festsetzung für rechtlich zutreffend erachtet.

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Gegenansicht im Schrifttum
Das Stimmrecht des gemeinsamen Vertreters in der Insolvenz wird seit einiger Zeit kontrovers diskutiert. In der Literatur gibt es zahlreiche Stimmen, die einem gemeinsamen Vertreter aller Anleihegläubiger in einer insolvenzrechtlichen Gläubigerversammlung jeweils so viele Kopfstimmen zubilligen wollen, wie Anleihegläubiger vorhanden sind. Begründet wird dies insbesondere mit der verbleibenden Selbstständigkeit der Forderungen der Anleihegläubiger. Zudem habe der BGH (Az. IX ZA 9/16 und IX ZR 99/17) im Zusammenhang mit der Prozessführung eines gemeinsamen Vertreters bereits klargestellt, dass dieser die Anleihegläubiger weder gesetzlich noch organschaftlich, sondern rechtsgeschäftlich vertritt.

Entscheidungsgründe des AG Düsseldorf
Das AG Düsseldorf verkennt nicht, dass die individuellen Forderungen der Anleihegläubiger erhalten bleiben und nicht auf den gemeinsamen Vertreter übertragen werden. Allerdings zieht das Gericht aus der rechtsgeschäftlichen Vertretung nicht den Schluss, dem gemeinsamen Vertreter für jeden einzelnen Anleihegläubiger eine Kopfstimme zuzugestehen. Die Stellung des gemeinsamen Vertreters unterscheide sich erheblich von der Stellung eines individuell durch einzelne Vollmacht bestellten Vertreters. Im Gegensatz zur Vertretung aufgrund individuell erteilter Vollmacht vertrete der gemeinsame Vertreter alle Anleihegläubiger – d.h. auch solche, die sich an seiner Wahl nicht beteiligt oder gegen ihn gestimmt haben. Zudem sei es den einzelnen Anleihegläubigern nicht möglich, sich der Vertretung durch den gemeinsamen Vertreter zu entziehen, da es keine individuelle Möglichkeit gebe, ihn abzuberufen. Darüber hinaus könne ein gemeinsamer Vertreter – anders als bei der individuell erteilten rechtsgeschäftlichen Vollmacht – bei einer Beschlussfassung nur einheitlich abstimmen.

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Das AG Düsseldorf hält es für verfehlt, dass zusätzlich zu der ohnehin zu berücksichtigenden Forderungssumme aller Anleihegläubiger bei der Feststellung der Summenmehrheit in einer insolvenzrechtlichen Gläubigerversammlung auch noch eine Vielzahl von Köpfen geschaffen wird. Die Anleihegläubiger seien bereits dadurch privilegiert, dass durch die Wahl des gemeinsamen Vertreters summenmäßig auch Anleihegläubiger bei Abstimmung gezählt werden, die sich ansonsten gar nicht am Verfahren beteiligt hätten.

Fazit
In seiner Entscheidung verdeutlicht das AG Düsseldorf, dass nach der Wahl eines gemeinsamen Vertreters die Besonderheiten seiner Rechtsstellung bei der Abstimmung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens Berücksichtigung finden müssen. Spannend wird sein, ob sich weitere Gerichte der Auffassung des AG Düsseldorf anschließen, oder ob bei abweichenden Entscheidungen letztlich der BGH aufgerufen sein wird, die Rechtsfrage zum Stimmrecht des gemeinsamen Vertreters in der Insolvenz des Emittenten abschließend zu klären.

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