Ist der Markt für Unternehmensanleihen eine tickende Zeitbombe für das Finanzsystem?

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In den letzten Tagen und Wochen haben Staatsanleihen, eine eigentlich sehr unspannende Anlageklasse, mit negativen Renditen und inversen Zinskurven von sich reden gemacht und die Angst der Märkte vor einem wirtschaftlichen Abschwung erhöht. Diese Alarmsignale waren in der Vergangenheit oft die Vorboten für eine Rezession. Von Alexander Mayer

Der Dominostein, der das Finanzsystem aber letzten Endes in die Knie zwingen könnte, steht vielleicht in einer anderen Reihe, nämlich bei den Unternehmensanleihen. Laut einer Statistik der OECD sind die weltweiten ausstehenden Schulden in Form von Unternehmensanleihen, die von nichtfinanziellen Unternehmen gemacht wurden, Ende 2018 auf ein Rekordniveau von knapp 13 Bio. USD angestiegen.

Unternehmen aus Industrienationen sind für 79% davon verantwortlich und das Volumen ist von 5,97 Bio. im Jahr 2008 auf 10,17 Bio. im Jahr 2018 geklettert. Die Kreditaufnahme über Anleihen ist seit der Finanzkrise also extrem gestiegen.

Der Markt für Unternehmensanleihen in Schwellenländern, der hauptsächlich vom Wachstum in China getrieben wurde, erreichte 2018 einen ausstehenden Gesamtbetrag von 2,78 Bio. USD, ein Plus von 395% im Vergleich zu vor einem Jahrzehnt.

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Was wurde mit den Schulden gemacht?
Dass Unternehmen Schulden machen ist an sich nicht unbedingt eine negative Sache, da Schulden auch sinnvoll sein können, wenn das Geld nachhaltig in Wachstum, Mitarbeiter und technische Innovation investiert wird. Das große Problem: Ein erheblicher Teil der Schulden wurde in den letzten Jahren von den Unternehmen vor allem dafür verwendet, Aktienrückkäufe in großem Stil zu betreiben.

Die Zahl ist immer weiter gestiegen, 2018 wurde laut einer Studie der Union Investment ein neuer Rekordstand erreicht. Diese Rückkäufe dienen vor allem dazu, die Aktionäre neben den Dividendenauszahlungen zusätzlich zu vergüten. Dadurch, dass weniger Aktien auf dem Markt sind, steigt der ausgeschüttete Gewinn je Aktie. Zudem bietet es den Unternehmen noch andere Vorteile, beispielsweise bei Steuern und Kapitalkosten.

Innerhalb dieses stark gewachsenen Schuldenvolumens liegt das Haar in der Suppe: Der Anteil der Investment-Grade-Anleihen mit der niedrigsten Qualität liegt bei 54%, ein historischer Höchststand. Seit 2009 ist das Volumen an BBB-Bonds allein in den vereinigten Staaten um etwa 230% auf 2,5 Bio. USD angewachsen. Die Hälfte aller Investment-Grade Anleihen haben nur noch ein BBB-Rating oder schlechter. Von diesem Volumen von 2,5 Bio. USD sind eine Billion auf dem Level eines Verschuldungsgrades, der auf Junkbond-Niveau ist.

Sollte der wirtschaftliche Abschwung also weitergehen oder sich schnell verstärken, könnte es zu einem unschönen Effekt kommen. Eine hohe Zahl dieser Unternehmen würde ihr derzeitiges Rating verlieren und dadurch ganz schnell in finanzielle Schwierigkeiten geraten, da sie ihre Schulden aufgrund höherer Risikoprämien bei neu ausgegeben Anleihen nicht mehr bedienen können.

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Was würde das bedeuten?
Für die Unternehmen würde das bedeuten, dass die Risiko-Prämie für zukünftige Anleihen stark steigt, da sie als weniger vertrauenswürdig eingestuft werden. Für den Markt an sich hätte das noch viel weitreichendere Auswirkungen. Die meisten Fonds, wie beispielsweise Pensions- oder Hedge-Fonds haben strenge Richtlinien, in was sie investieren dürfen und in was nicht. Sollten die oben erwähnten Anleihen unter das niedrigste Investment-Grade-Rating fallen, das für institutionelle Käufer noch akzeptabel ist, dann müssten diese Fonds die Anleihen so schnell wie möglich abstoßen.

Das würde zu einem starken Kursverfall am Anleihemarkt führen und würde wahrscheinlich zu einer Kettenreaktion anwachsen, die eine Liquiditäts-Krise wie 2008 hervorrufen könnte.

Der sich abzeichnende Abschwung der globalen Wirtschaft macht die Unternehmen, vor allem die mit BBB-Rating oder schlechter, also nervös, weil sie Angst haben, aufgrund ihrer zurückgehenden Gewinnerwartungen abgestuft zu werden. Sie werden sich also wahrscheinlich mehr darauf konzentrieren, ihren Status zu erhalten und ihre Schulden weiter bedienen zu können. Das heißt: Einsparungen, Umstrukturierungen, und vor allem keine teuren, schuldenfinanzierten Aktienrückkäufe mehr. In den letzten Jahren waren diese Aktienrückkäufe aber einer der Hauptkurstreiber für die Aktienmärkte. Somit könnte hier also auch eine Gefahr für die Aktienmärkte in Form von fallenden Kursen bestehen.

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Als Konsequenz daraus müssten dann die Notenbanken als letzte Instanz die Hähne aufdrehen, durch weitere Zinssenkungen und/oder Anleihen-Kaufprogramme. Auf dem Anleihen-Markt könnten sie aber selbst wahrscheinlich nur im oberen Investment-Grade-Bereich aktiv werden, ein Großteil der Unternehmen würde also nicht von einem QE-Programm profitieren. Eine drastischere Option wäre es, dass die Notenbanken die Aktien direkt kaufen und in ihre Bilanz aufnehmen. Die Bank of Japan macht dies teilweise schon in Form von ETF-Käufen.

Das alles kommt zudem zu einer Zeit, in der nichtfinanzielle Unternehmen laut OECD in den nächsten drei Jahren Unternehmensanleihen im Wert von rund 4 Bio. USD zurückzahlen oder refinanzieren müssen, was in etwa der Gesamtbilanz der US-Notenbank entspricht (Stand Anfang 2019).

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