Law Corner: Der neue EU-Wachstumsprospekt

Ingo Wegerich (li) und René Krümpelmann, Rechtsanwälte,Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Ingo Wegerich (li) & René Krümpelmann, RAs, Luther

Der Law Corner Beitrag von Ingo Wegerich, Rechtsanwalt und Partner, René Krümpelmann, LL.M. (Sydney), Rechtsanwalt, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.

Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission haben sich im Dezember 2016 auf neue Vorschriften zur Überarbeitung des Prospektrechts verständigt: Ausgangspunkt war die Konsultation der EU-Kommission 2015 zur Schaffung einer Kapitalmarktunion, das sogenannte Grünbuch. Ziel ist u.a. eine effizientere Gestaltung der Unternehmensfinanzierung durch Erschließung kapitalmarktbasierter Finanzierungsquellen. Speziell für KMUs sollen Erleichterungen beim Kapitalmarktzugang geschaffen werden. USA und Asien dienen hier als Vorbild, da sich dort die Unternehmen deutlich stärker über die Kapitalmärkte finanzieren. Während sich in den USA lediglich 27% der Unternehmen über Banken finanzieren und 73% über die Kapitalmärkte, ist das Verhältnis in Europa noch genau umgekehrt. Dies soll sich durch die Kapitalmarktunion zukünftig ändern.

Der neue EU-Wachstumsprospekt, von Ingo Wegerich, Rechtsanwalt und Partner, René Krümpelmann, LL.M. (Sydney), Rechtsanwalt, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbHDie neue Prospektverordnung sieht Erleichterungen und Kosteneinsparungen bei der Kapitalaufnahme insbesondere von KMUs vor – nach Einschätzung der Kommission würden jährlich 320 KMU-Prospekte hiervon profitieren, was im Jahr unionsweit zu Einsparungen von 45 Mio. EUR führen würde.

EU-Wachstumsprospekt
Eine Erleichterung für KMUs wird über den EU-Wachstumsprospekt geschaffen, der als neues Prospektformat für KMUs EU-weit eingeführt wird. Er soll darüber hinaus auch von Unternehmen genutzt werden können, bei denen es sich nicht um KMUs handelt, sofern deren Wertpapiere an einem KMU-Wachstumsmarkt gehandelt werden oder gehandelt werden sollen und ihre durchschnittliche Marktkapitalisierung auf der Grundlage der Notierungen zum Jahresende in den letzten drei Kalenderjahren weniger als 500 Mio. EUR betrug.

Gleiches gilt für Unternehmen, deren öffentliches Angebot von Wertpapieren einem Gesamtgegenwert in der Union von höchsten 20 Mio. EUR (über einen Zeitraum von zwölf Monaten) entspricht, sofern keine Wertpapiere dieser Emittenten an einem multilateralen Handelssystem gehandelt werden und die durchschnittliche Beschäftigtenzahl im Geschäftsjahr bis zu 499 betrug. Mit diesen beiden weiteren Ausnahmen erstreckt sich der Anwendungsbereich des EU-Wachstumsprospekts deutlich über den KMU-Begriff hinaus. Die neue Prospektverordnung sieht für den EU-Wachstumsprospekt ein Dokument in standardisierter Aufmachung vor, das in leicht verständlicher Sprache abgefasst und für die Emittenten leicht auszufüllen ist.

Der neue EU-Wachstumsprospekt, von Ingo Wegerich, Rechtsanwalt und Partner, René Krümpelmann, LL.M. (Sydney), Rechtsanwalt, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbHDer EU-Wachstumsprospekt soll einen nur verkürzten Inhalt haben und aus spezieller (verkürzter) Zusammenfassung von Emittenten- und Wertpapierbeschreibung bestehen. Die genauen Details sollen noch in delegierten Rechtsakten der Kommission festgelegt werden.

Bei der Präzisierung soll die Kommission u.a. sicherstellen, dass die Kosten für die Erstellung eines Prospekts in einem angemessenen Verhältnis zur Größe des Unternehmens stehen. Hierbei soll berücksichtigt werden, dass der EU-Wachstumsprospekt unter dem Aspekt der Verwaltungslasten und der Emissionskosten signifikant einfacher sein muss als der Standardprospekt.

Geltung
Die Prospektverordnung wird wahrscheinlich noch im ersten Halbjahr dieses Jahres in Kraft treten. Das Gros der Regelungen u.a. auch die Regelungen zum EU-Wachstumsprospekt findet 24 Monate nach Inkrafttreten Anwendung.

Fazit
Die neue Prospektverordnung sieht mit der Einführung des EU-Wachstumsprospekts eine erhebliche Erleichterung für KMUs vor. Die praktische Ausgestaltung dieser beabsichtigten Erleichterung wird jedoch erst noch von der Kommission festgelegt. Erst wenn diese im Detail feststeht, wird man sehen können, ob die Änderungen tatsächlich erhebliche Erleichterungen für die betroffenen Marktteilnehmer darstellen.

Auf einem Workshop der Europäischen Kommission am 29. März 2017 in Brüssel zur Umsetzung des neuen Prospektformats – auf dem kein KMU vertreten war – schlug beispielsweise eine Teilnehmerin des Expertenpanels vor, dass zukünftig für KMU-Prospekte aufgrund der besseren Vergleichbarkeit ausschließlich International Financial Reporting Standards (IFRS) vorgesehen werden sollten und nationale Rechnungslegungsstandards wie Jahresabschlüsse nach HGB nicht mehr zugelassen werden sollen. Sollten KMUs zukünftig nach IFRS in ihren Wertpapierprospekten bilanzieren müssen, wäre dies für viele Mittelständler mit erheblichen Mehr- und Umstellungskosten verbunden. Damit würde genau das Gegenteil erreicht werden, was die Initiative zur Kapitalmarktunion eigentlich bezweckt hat: die Kosten für die KMUs zu minimieren und den Zugang zu den Kapitalmärkten zu erleichtern.

Das jährliche BondGuide Nachschlagewerk ‘Anleihen 2017′ erscheint im Mai. Bis dahin können Sie weiterhin die Vorjahres-Ausgabe ‘Anleihen 2016′ herunterladen oder bestellen – hier der Link zum e-Magazin / Download!

! Bitte nutzen Sie für Fragen und Meinungen Twitter – damit die gesamte Community davon profitiert. Verfolgen Sie alle Diskussionen & News zeitnaher auf Twitter @bondguide !