Was mich ärgert, entscheide ich – Eine Anleitung für ein ärgerreiches Leben

Anregung 5: Betrachte die Welt als Feind
Wer auch immer vor dir sitzt, ob Chef oder Kollegin, Mitarbeiterin oder Kundin: Sieh in ihnen eine Gefahr. Sie werden dich unterbrechen oder dir nicht zuhören. Dich nicht ernstnehmen oder dir etwas wegnehmen. Dich aufhalten oder dich warten lassen. Es gibt unendliche viele Kränkungsoptionen, traue ihnen alles zu. Das Beste, was du tun kannst, ist deine Mitmenschen als Feinde zu betrachten. Wenn dir das gelingt, dann bist du in Gefahr, denn Feinde bedrohen Existenzielles von dir. Sie nehmen dir etwas weg, was dir wichtig oder sogar heilig ist, oder sie verabreichen dir etwas, was du nicht haben willst. So oder so, dein Ärger ist dir sicher.

Wenn Feind zu weit weg ist von der Realität, betrachte dein Gegenüber zumindest als Konkurrent. Jemand, der wie du etwas haben willst, was begrenzt ist. Ob das letzte Druckerpapier im Kopierer oder das letzte Snickers im Kühlschrank, sie nehmen dir etwas weg. Wer die Welt durch die Brille der Konkurrenz sieht, sieht in jeder Situation eine Verlustgefahr. Du musst ständig auf der Hut sein, dass dir niemand das knappe Gut streitig macht. Und wer in der Kategorie „streitig“ bzw. „Streit“ denkt, der hat den Ärger schon mitgebucht.

Falls auch Konkurrenz nicht mehr anwendbar erscheint, empfehle ich dir zumindest das Konzept Instrument. Sieh in deinem Gegenüber einen bloßen Erfüllungsgehilfen für deine Bedürfnisse. Wie ein lästiges Übel umgarnst du ihn nur solange, wie du ihn brauchst, um ihn im Anschluss sofort fallenzulassen. Wie eine heiße Kartoffel. In jeder Sekunde, in der dein Instrument nicht optimal liefert, entsteht Ärger über die Zeitverschwendung. Du musst es noch einmal erklären? Wunderbar, Ärger kommt auf. Er macht irgendwelche vermeidbaren Umwege? Wunderbar, schon wieder Ärger. Er will nach Abschluss des Projekts noch einmal deine Aufmerksamkeit für eigene Belange? Wunderbar, Ärger de luxe.

Was ich dir hingegen überhaupt nicht empfehlen kann, ist die Betrachtung deines Gegenübers als Kooperationspartner. Wenn du das tust, wenn du ihm auf Augenhöhe und mit einem gemeinsamen Ziel vor Augen begegnest, wie willst du dich dann ärgern können? Wenn ihr am gleichen Strang zieht und euch mit der gleichen Geschwindigkeit in die gleiche Richtung bewegt, wie soll da Wut aufkommen? Nein, ich kann nur dringend von partnerschaftlichen Ansätzen abraten. Es sei denn, du willst effektiv und effizient und vor allem partnerschaftlich und wertschätzend, aber völlig ärgerfrei, ans Ziel gelangen.

Und noch schlimmer als ein partnerschaftlicher Ansatz ist die Herangehensweise als Freund. Wenn dir das passiert, ist Ärger quasi ausgeschlossen. Denn wer seinen Kollegen auf diese Weise begegnet, lässt Ego und Angst aus dem Spiel. Getreu dem Motto „Dein Glück ist mein Glück, und dein Leid ist mein Leid“.Krach

Schlusswort
Du hast dich für ein ärgerreiches Leben entschieden? Eine gute Entscheidung. Denn Ärger heißt Lebendigkeit. Und wer könnte ein anderslautendes Ziel ernsthaft verfolgen? Ärger geht ganz einfach: du kannst dich für ungünstigen Ärger entscheiden, stets Übles unterstellen, prinzipiell immer nach Unterschieden suchen, bewerten, was das Zeug hält und die Welt als Feind betrachten. Wenn du das machst, lebst du ein lebendiges Leben voller Ärger.

Wenn du jedoch ein lebendiges Leben ohne Ärger führen willst, dann schau mal ins Buch und finde dort ein fünfstufiges Modell zur Ärgerminimierung. Ärgern geht dann nicht mehr so gut.

*) Philipp Karch ist Coach, Trainer und Speaker für Ärger-Minimierung. Er studierte Landschaftsökologie in Münster und Environmental Studies in Los Angeles. Als Verlagsredakteur, Politikberater eines Wirtschaftsverbandes und Projektleiter in Agenturen war er immer wieder konfrontiert mit der Komplexität von Ärger- und Konfliktdynamiken. Seit 2010 leitet Philipp Karch Führungskräftetrainings und Seminare, hält Infotainment-Vorträge und bietet Konfliktklärungsgespräche sowie Einzelcoachings an. Für sein Kernthema »Schwierige Gesprächssituationen meistern« vermittelt er Schlüsselkompetenzen in den Bereichen Emotionale Kompetenz, Motivation und Feedback.

Mehr Informationen zum Thema:

Philipp Karch
Was mich ärgert, entscheide ich
Konflikte klug bewältigen
BusinessVillage 2018
ISBN: 978-3-86980-44–2
24,80 Eur[D] /  25,50 Eur[A]