Anleihen gehören seit jeher in jedes Portfolio, das auf Risikostreuung setzt. Dabei geht es jedoch nicht ausschließlich um Unternehmensanleihen, sondern auch Staatsanleihen – von Robert Steininger*
Sondern auch um staatliche Bonds. Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten einen ausgezeichneten Ruf als Schuldner erarbeitet. Dafür sorgen nicht nur die Kraft der zahlreichen Industrieunternehmen, die das Land zum Exportweltmeister gemacht haben, sondern auch die Ausgabendisziplin des Staates.
In Zeiten einer weltweiten Niedrigzinspolitik ist dies besonders wichtig. Immerhin sind die Staatsschulden vor allem in den letzten 30 Jahren massiv angestiegen. Sie haben sich seit Beginn der 1990er Jahre auf mittlerweile 2.173 Mrd. EUR vervierfacht. Doch diese Summen stellen weiterhin kein allzu großes Problem dar, denn Deutschland bezahlt längst keine Zinsen mehr für seine Schulden und die Wirtschaftsleistung hat sich seither auch vermehrfacht.
Geld verdienen mit Schuldenmachen
Denn ganz im Gegenteil, angesichts von Wirtschaftskrisen und zahlreichen Unsicherheiten auf den Märkten schätzen die Anleger die Sicherheit, die deutsche Sparsamkeit und Gründlichkeit nach wie vor und seit jeher bieten. Das hat zu der ungewöhnlichen Situation geführt, dass die Käufer deutscher Bonds mittlerweile Geld dafür bezahlen, dass sie diese kaufen können. Deutschland nimmt so laut Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters mittlerweile bis zu 7 Mrd. EUR pro Jahr ein.
So werden neue Finanzierungen möglich
Deutschland spart sich so jedes Jahr ungeheure Summen an Zinsen, die das Land nicht mehr für seine Bonds bezahlen muss. Die Zinsen sanken im Zeitraum von 4,82% auf -0,31% im Jahr 2021. Dieses Geld steckt der Staat zunehmen in Projekte, die er fördern möchte. Das Thema Umweltschutz steht hier ganz oben auf der Agenda. Das war jedoch nicht immer so, schließlich musste sich der Umweltschutz seinen Platz an der Sonne erst mühsam erkämpfen.
Alles begann im Jahr 1970 mit einer Demonstration in den USA: Vor 52 Jahren strömten Millionen Menschen auf die Straßen und setzten damit den Ausgangspunkt für den Tag der Erde, ein Feiertag, der heute als der größte der Welt angesehen wird und seither Jahr für Jahr entscheidende Umweltthemen in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückt.
Heute hat der Schutz der Umwelt auch die Finanzwelt erreicht. Daher unterstützt auch die deutsche Regierung nachhaltige Investitionen durch die Emission von Green Bonds. Dadurch werden Kapitalanlagen gefördert, die sich dem Klima- und Umweltschutz verschrieben haben. Die Mittel dafür wurden unter anderem dadurch frei, dass der Staat von seinem ausgezeichneten Rating in der Finanzwelt profitiert.
Höchste Kreditwürdigkeit bei Staatsanleihen
Möglich wird dies, da Deutschland als wichtigster Schuldner der Eurozone gleichzeitig über die höchste Kreditwürdigkeit verfügt. Das führt zu der bis vor einigen Jahren noch unvorstellbaren Situation, dass die Investoren gerne Geld dafür bezahlen, ihre Ersparnisse an Deutschland weiterzugeben. Die deutschen Bonds gehen daher weiterhin weg wie die warmen Semmeln. Dies betrifft nicht nur kurzfristige Anleihen mit einer Laufzeit von drei Jahren, sondern auch mittelfristige mit einer Laufzeit von bis zu zehn Jahren und langfristige mit einer Laufzeit von bis zu 30 Jahren.
Ein weiterer Grund für den Run auf deutsche Bonds ist deren Hinterlegungsfähigkeit bei der Europäischen Zentralbank, der EZB. Wenn Banken und Versicherungen deutsche Staatsanleihen kaufen, können sie diese als Teil ihrer Eigenkapitalausstattung angeben und so die vorgegebenen Richtlinien leichter erfüllen. Denn neben den privaten Investoren kauft auch die Europäische Zentralbank selbst gerne die Bonds, und zwar im Rahmen ihres Anleihekaufprogramms.
Dazu kommt noch, dass die Bonds auf dem freien Markt oft und gerne gehandelt werden. Schließlich spekulieren viele Investoren damit, dass die negativen Zinsen weiter absinken könnten. Das würde zu weiteren Kurssteigerungen führen und damit den Kauf wieder mit einer Rendite versehen.
Doch diese Entwicklungen bergen auch ein Risiko in sich. Experten erwarten, dass die Europäische Zentralbank mit Ende dieses Jahres damit beginnt, aus ihrer Niedrigzinspolitik auszusteigen. Die anhaltend hohe Inflation macht eine Kursumkehr notwendig. Das könnte dazu führen, dass die Zinsen bei klassischen Assets wie Staatsanleihen wieder zu steigen beginnen und damit die Kosten für den deutschen Staat nach oben treiben. Das würde zwar neue Anleger freuen, könnte jedoch dem Staat weitere Sparprogramme aufzwingen. Denn dann müsste Deutschland nicht nur auf seine Negativzinsen verzichten, sondern erstmals seit einigen Jahren wieder Zinsen für seine Schulden bezahlen.
*) Robert Steininger ist Fachautor für u.a. Anlagestrategien und publiziert regelmäßig zu Fachthemen wie Online- und Investment-Strategien, Glücksspielthemen, Fußball, Krypto und Verhaltensanalyse