Online-Broker: besser mit Erfahrung oder revolutionär neu?

Erst Online-Broker, dann Smartbroker und nun auch noch Neo-Broker. Wo liegen die Unterschiede und kann man den Marketingversprechen trauen? Von Robert Steininger*

Ein Online-Broker ist der Vermittler zwischen einem Käufer und einem Verkäufer eines Finanzinstruments. Er erleichtert den Kauf oder Verkauf gegen eine Gebühr oder Provision. Mit dem technologischen Fortschritt der vergangenen Jahre können Händler und Anleger dank Online-Brokern gleichermaßen unkompliziert handeln, der „Handelssaal“ in der Börse ist längst Geschichte.

Online-Broker machen den Kauf und Verkauf von Wertpapieren über ein elektronisches Netzwerk möglich, wobei sich die Qualität der Technik zwischen den einzelnen Anbietern kaum noch unterscheidet. Die eigentliche Transaktion wird entweder über die eigenen Handelsplattformen des Brokers oder dessen Handelspartner abgewickelt. Durchsetzen konnten sich Online-Broker erst ab Ende der späten 90er Jahre:  Davor war das Internet schlicht zu langsam, um Käufe und Verkäufe in Bruchteilen von Sekunden durchzuführen.

Das Versprechen der Online-Broker: Neutraler Handel ohne Eigeninteresse

Die ersten Online-Broker zu Beginn der 2000er Jahre machten mit gravierenden Nachteilen Schluss, die bis dahin den Aktienhandel über die Hausbank bestimmt hatten: Wer bei seiner Bank anrief, um zu handeln, bezahlt(e) hohe Gebühren. Der zweite Nachteil war (und ist es zum Teil immer noch), dass sich Kunden nicht sicher sein konnten, wirklich neutral beraten bzw. behandelt zu werden. Denn Banken sind an den gehandelten Fonds oft selbst beteiligt und die Höhe von Provisionen für Aktienkäufe sind kaum nachvollziehbar. Zwar müssen diese gesetzlich offengelegt werden, aber die Geschäftsbedingungen sind seitenlang und nicht einfach nachvollziehbar.

Eine erste Alternative zur teuren Hausbank entwickelte sich für private Aktienkäufer mit der ersten Generation an Online-Brokern wie dem Berliner Unternehmen Agora direct. Dieses Unternehmen, dessen Wurzeln sogar bis zu einer Bankiers-Familie von 1886 zurückgehen, bietet seit 2001 Online-Trading an: Mit feststehenden Transaktionsgebühren, die laut Fachpresse und Verbraucherzentralen simpel und auf einem Blick verständlich sind.

Zehn Jahre später wurde diese simple und offen gelegte Gebührenstruktur von der zweiten Generation der Online-Broker scheinbar übertrumpft: Mit dem Versprechen, dass der Handel von Anlageprodukten und Aktien kostenlos sei, traten die sogenannten „Neobroker“ an.

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Doch zahlreiche Marketingversprechen haben sich inzwischen als zumeist nicht haltbar herausgestellt: Weder ist der Handel kostenlos noch sind die Gebühren transparent, bemängeln Verbraucherschützer. Die Europäische Union will die Newcomer sogar gesetzlich zu einem transparenteren und verständlicheren Gebührensystem verpflichten.

Europäische Union will bei Neobrokern durchgreifen

Wenn ein Anleger einen Auftrag bei seinem Online-Broker eingibt, prüft dieser die verschiedenen Märkte und Börsenplätze auf den günstigsten Preis für seinen Kunden. Soweit die Theorie. Aber genau in diesem Punkt hat die Europäische Union Bedenken, denn die neuen Anbieter von Trading Apps werben zwar mit kostenlosem Handel, verdienen aber an den Provisionen, die ihnen von den Verkäufern bestimmter Finanzprodukte gezahlt werden. Deswegen gibt es begründete Zweifel, ob ein Neobroker immer nach dem günstigsten Preis und Kurs sucht oder nach dem Verkäufer, von dem er die höchste Provision erwarten kann. Diese Fragen müssen sich Kunden beispielsweise bei Agora direct nicht stellen, die Preise für den Kauf unterschiedlicher Finanzprodukte stehen unübersehbar auf der Hauptseite des Webauftritts. Hinzu kommt: Oft haben die neu auf den Markt befindlichen Broker nur einen einzigen Handelsplatz im Angebot.

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Die „Wirtschaftswoche“ hat sich in den vergangenen Wochen intensiv mit den Gebührenpraktiken bei den „Neos“ beschäftigt und kommt zu dieser Einschätzung: „Die Angebote klingen unschlagbar. Statt für Ordergebühren von bis zu 10 EUR und mehr gibt es den Aktienkauf bei Neobrokern wie Scalable Capital oder Trade Republic fast umsonst. Geht es nach den nackten Zahlen, müssten also alle Anleger schleunigst ein Depot beim Smartphonebroker aufmachen. Doch ganz so einfach ist die Rechnung nicht, Kunden dürfen die indirekten Kosten, die der niedrige Preis mit sich bringt, nicht übersehen“.

Denn ein Broker kann am Verkauf eines einzelnen Finanzproduktes nach Recherchen bis zu 18 EUR verdienen – also weit mehr als eine Bank oder ein Online-Broker wie Agora direct an einer Order verdienen. Da ist zumindest diese Befürchtung, so die „Wirtschaftswoche“, nicht ganz von der Hand zu weisen: „Zwar sind Broker grundsätzlich dazu verpflichtet, die Aufträge ihrer Kunden zu bestmöglichen Konditionen auszuführen. Allerdings ist für den Kunden eben oft nicht transparent, welches die bestmöglichen Konditionen sind“.

*) Robert Steininger ist Fachautor für u.a. Anlagestrategien und publiziert regelmäßig zu Fachthemen wie Online- und Investment-Strategien, Glücksspielthemen, Fußball, Krypto und Verhaltensanalyse