Neubewertung der BRICs unter Trump 2.0?

Der aktuelle Marktkommentar von Marcus Weyerer, CFA, Director of ETF Investment Strategy EMEA bei Franklin Templeton, zur Bedeutung der BRICs.

Die BRICS-Staaten [1] streben seit langem danach, ihren globalen Einfluss unilateral und außerhalb von Institutionen wie dem IWF oder der Weltbank auszubauen. Chinas Außenpolitik kann auch unter dem Gesichtspunkt des Aufbaus von Koalitionen – insbesondere mit Ländern des Globalen Südens – betrachtet werden, um die Vereinten Nationen besser auf die eigenen Interessen auszurichten.

All dies ist nicht wirklich neu (so wurde beispielsweise 2015 die Gründung der New Development Bank (NDB) initiiert, um unabhängiger von westlich dominierten Institutionen und Kontrollmechanismen zu werden). Aber Trumps nonchalante und gleichgültige Haltung gegenüber langjährigen Partnerschaften und Verbündeten der USA könnte neue Möglichkeiten eröffnen.

Katalysator für die weltweite Rüstungsindustrie: Russland

Es gibt jedoch einen großen Vorbehalt. Die BRICS-Staaten sind kein Monolith und haben in vielen Fällen sogar konkurrierende Interessen. Die offensichtlichste Feindseligkeit besteht zwischen China und Indien, aber auch unter der Oberfläche brodeln andere Spannungen. Während Indiens Handel mit Russland in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen ist (um das Fünffache) und Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen laufen, ist Indien auch daran interessiert, enge Beziehungen zum Westen aufrechtzuerhalten. Es hat Handelsabkommen mit der EFTA und zuletzt mit Großbritannien geschlossen. Das Land ist auch unzufrieden mit der engen ‚Freundschaft‘ zwischen Russland und China.

Südafrika ist ebenfalls vorsichtig angesichts der bedeutenden Präsenz Chinas im Land durch Investitionen und Geschäftsinteressen. Unter Trump 2.0 sind die Beziehungen zwischen den USA und Südafrika jedoch in eine Eiszeit eingetreten, die Südafrika näher an China heranrücken lassen könnte – nicht unbedingt freiwillig.

Rollt die Welt mit e-Autos auf: China

Die Haltung Brasiliens ist oft ambivalent, obwohl sich die Beziehungen des Landes zu Russland und China unter Lula generell verbessert haben. Schließlich bringt die Erweiterung der BRICS-Staaten im Jahr 2024 um Länder wie Saudi-Arabien und Iran – unter anderem – neue wirtschaftliche und geopolitische Rivalitäten in ein bereits komplexes Geflecht.

Trotz alledem bietet das derzeitige volatile Umfeld auch Chancen. So könnte Brasilien beispielsweise als Nutznießer der Handelskonflikte hervorgehen, wenn China – und andere – mit Vergeltungsmaßnahmen gegen die US-Zölle reagieren und dabei einige der wichtigsten Wählergruppen Trumps ins Visier nehmen, beispielsweise Sojabohnen- und Rindfleischproduzenten. Durch die Einführung von Zöllen auf US-Exporte dieser Produkte könnte Brasilien in die Bresche springen, um die Lücke zu schließen und das Vertrauen der Investoren zu stärken.

Anders gelagerte Interessen: Indien

Die Kürzung der US-Hilfen weltweit könnte China die Möglichkeit bieten, Länder stärker in seinen Einflussbereich zu ziehen – wie zuletzt in Kambodscha zu beobachten war. In der Gesamtbetrachtung wird es jedoch schwierig sein, die USA kurz- und mittelfristig zu ersetzen. Die Zolloffensive dürfte nicht von Dauer sein, auch wenn es mehr als wahrscheinlich ist, dass wir in eine Phase der beschleunigten Deglobalisierung eintreten.

Der Handel in anderen Währungen als dem US-Dollar hat zwar zugenommen, macht aber nach wie vor nur einen Bruchteil des gesamten Handels aus. Die Skepsis des Westens gegenüber China – und innerhalb der BRICS-Staaten, wie oben erwähnt – bedeutet, dass eine Alternative zum US-Dollar in naher Zukunft unwahrscheinlich ist. […]

Marcus Weyerer, Spezialist für EM und BRICS

Marcus Weyerer

Wir sehen daher Chancen in ausgewählten BRICS-Ländern, jedoch nicht in der Gruppe als Ganzes. Der Rückzug der USA schafft taktische, interessensgetriebene Möglichkeiten für mehr Zusammenarbeit, aber es gibt kaum Übereinstimmungen bei den Grundwerten oder strategischen Interessen. Der vielleicht stärkste Zusammenhalt innerhalb der BRICS-Gruppe ist das Misstrauen gegenüber den USA und der westlichen Vorherrschaft – eine Situation etwa nach dem Motto ‚Der Feind meines Feindes ist mein Freund‘.[…]

[1] BRICS = Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika. Inzwischen erweitert um zusätzliche Länder, die aber nicht mehr in das ursprüngliche Kürzel passen.

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