mwb Kapitalmarkt-Standpunkt: Winter der Enttäuschung

Behelfsmaßnahme der Koalition

Der mwb Kapitalmarkt-Standpunkt von Kai Jordan, Vorstand der mwb Wertpapierhandelsbank – dieses Mal: Stillstand gehört fest zum Stadtbild…

‚Die Stimmung im Land scheint auf dem Tiefpunkt, doch Lars Klingbeil (SPD) lässt sich nicht beirren. „In Deutschland tut sich was“, wirbt der Finanzminister während der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington für sein Heimatland. Das Sondervermögen für die Infrastruktur, der Investitionsbooster mit großzügigen Abschreibungsregeln, die geplante Steuersenkung für Unternehmen“‘, schrieb das Handelsblatt vor einigen Tagen.

Dieser Booster war im Juni mit viel Getöse verabschiedet worden und die Koalition der Einigkeit bastelt nun an der Ausgestaltung. Ein ‚Deutschlandfonds‘ soll ein Kernstück des Projektes werden, in dem 10 Mrd. Staatsmittel mit dem Faktor 10 privaten Kapitals gehebelt werden sollen. Wir sind immer noch Fans, doch tauchen am Horizont erste Zweifel auf, die nicht nur von den üblichen Reichsbedenkenträgern kommen. So titelte die Immobilienzeitung zuletzt ‚Der große Schwindel mit dem Infrastrukturpaket‘.

Aber solche Konjunkturbooster sind das eine. Andere wichtige Vorhaben der Koalition wie die Entbürokratisierung scheinen in der Unreformierbarkeit des Landes und dem Bürokratiedickicht stecken zu bleiben. Und nochmal zitieren wir das Handelsblatt, weil es so schön furchtbar ist:

Mal schauen, ob der Investitionsbooster auf die Schiene kommt

Mal schauen, ob der Investitionsbooster auf die Schiene kommt bzw. dort ankommt

‚Es gibt viele Wege, die deutsche Wirtschaft gegen die Wand zu fahren – Arbeitsministerin Bärbel Bas scheint sie alle zu kennen. Mit dem geplanten Tariftreuegesetz will die SPD-Vorsitzende nicht nur neue Auflagen für Unternehmen schaffen, sondern gleich eine ganze Kontrollbürokratie. Was schon jetzt als Symbol für Überregulierung gilt, droht nun auch für den Steuerzahler teuer zu werden.‘

Wer mehr wissen will, findet die Details unter dem 28.10.2025. Und auch dieses Blatt mit den ver Buchstaben weiß wie immer die Regierung zu ‚bashen‘:

– Minister ohne Lust: Deutschland versinkt im Bürokratie-Dschungel!

– Der eigene Zuständigkeitsbereich? Heilig! Der eigene Apparat? Unantastbar!

– …Statt Milliarden-Einsparungen schafft die Regierung gerade einmal 300 Mio. EUR Entlastung – Peanuts angesichts eines 16-Mrd-Ziels. Dabei erstickt Deutschland längst in Formularen, Pflichten und Regeln. Unternehmen ächzen, Bürger verzweifeln, Rathäuser kollabieren.

‚Stadtbild‘

– Während die Wirtschaft wankt und Städten die Gewerbesteuern wegbrechen, schaut Berlin lieber zu, als zu handeln. 170 Mrd. EUR kommunale Schulden, explodierende Ausgaben – dennoch wird weiterhin übereinander und nebeneinander im Wettbewerb gewurschtelt.

Zitate über Zitate spiegeln die Stimmung – aber auch mit eigenen Worten wird das Bild nicht besser.

Über 1.100 mittelständische Betriebe hat der Bundesverband mittelständische Wirtschaft befragt – vom Handwerksmeister bis zum IT-Unternehmer. Das Ergebnis ist ein Schlag ins Gesicht der Regierung: Frust, Ernüchterung, Vertrauensverlust. Der groß angekündigte ‚Herbst der Reformen‘ von Kanzler Friedrich Merz ist im Mittelstand längst zum ‚Winter der Enttäuschung‘ geworden.

‚Der Mittelstand hat das Vertrauen in die Reformpolitik nahezu komplett verloren‘, meint BVMW-Chef Christoph Ahlhaus. Die Regierung rede viel, liefere aber nichts. Entlastung? Fehlanzeige. Statt Mut zur Veränderung: neue Auflagen, höhere Kosten, mehr Bürokratie. Während Merz vom Aufbruch spricht, steckt die Wirtschaft im Stau der Verwaltung.

<em>Derzeit offenbar am dringlichsten: die Stadtbild-Frage</em>, meint die mwb

Derzeit offenbar am dringlichsten: die Stadtbild-Frage muss unbedingt zuallererst geklärt werden

Merz war angetreten, Deutschland wirtschaftlich neu zu erfinden – mutig, modern, mittelstandsnah. Doch er steckt fest im Koalitionskorsett mit der SPD. Wo der Kanzler Impulse setzen will, bremst die SPD mit Sozialromantik und Regulierung. Am Ende bleibt, was diese Regierung am besten kann: Stillstand.

Sollte man sich Sorgen um Deutschland machen? Ja. Um den Fortbestand dieser Regierung? Eher nicht. Merz taumelt, das Interesse an diesen Schwadroneuren schwindet. Die Menschen wollen Lösungen, keine Eitelkeiten. Wirtschaft, Klima, Wohnen – das sind die Themen. Nicht, wer auf welcher Demo mitläuft oder sich in Talkshows in Szene setzt. Macher sind gefragt. Mancher sehnt sich da fast nach dem Brioni-Kanzler zurück.

Auch in den Ländern regiert die Angst vor Veränderung. Ministerpräsidenten knicken vor der Autolobby ein, fördern alte Technologien, bremsen Innovation. Zukunft wird vertagt, Chancen verspielt. Der Standort Deutschland verliert an Kraft, während andere längst investieren. Der Mittelstand – das Rückgrat der Wirtschaft – bleibt zurück, eingeklemmt zwischen Mutlosigkeit und globalem Druck.

Selbst unter Druck kommen bisher keine wirklich besseren Ideen heraus

Dabei wäre gerade jetzt Tempo überlebenswichtig. Der Mittelstand, einst Exportmotor, kämpft ums Überleben. In den USA hat Donald Trump Unternehmenssteuern gesenkt, die Industrie bevorzugt – und droht erneut mit Zöllen. Deutsche Firmen verlieren Aufträge, weil amerikanische Konkurrenten günstiger produzieren. Schon ein Rückgang der US-Exporte um 10% würde Milliarden kosten – und viele Betriebe ins Wanken bringen.

Während Washington die eigene Industrie schützt, verheddert sich Berlin in Symbolpolitik. Der Mittelstand fragt: Wo bleibt die Entlastung? Wo bleibt der Mut zur Reform? Die Antwort verliert sich in Arbeitsgruppen und Pressekonferenzen.

Die deutsche Version des Innovationsboosters

Die deutsche Version des Investitionsboosters

Laut BVMW sehen 56% der Betriebe keine mittelstandsfreundlichere Politik. 85% nennen Bürokratie als größtes Wachstumshemmnis. Diese Zahlen sind ein Misstrauensvotum – gegen den Kanzler, gegen die SPD, gegen eine Regierung, die mehr verwaltet als gestaltet.

Der Mittelstand steht am Wendepunkt. Wenn Produktion und Innovation nicht mehr hier stattfinden, wandern sie dorthin, wo Bedingungen besser sind. Deutschland braucht endlich eine echte Standortstrategie: bezahlbare Energie, wettbewerbsfähige Steuern, digitale Infrastruktur. Keine Paragrafenflut, sondern Planungssicherheit.

Auch beim Thema Rohstoffe hinkt Europa hinterher. Die USA sichern sich Vorkommen in Australien, China seit Jahren weltweit. Europa vertraut derweil weiter auf die internationale Arbeitsteilung – und schaut in die berühmte Röhre. Ausgerechnet Robert Habeck, 2023 noch verspottet, hatte mit seinen Investitionen in Chipfabriken und dem Widerstand gegen chinesische Übernahmen den richtigen Riecher. Heute steht die Autoindustrie (schon wieder) still – wegen fehlender Halbleiter aus China.

Immerhin scheint in Brüssel ein Umdenken einzusetzen. Die EU-Kommission arbeitet an einem ‚Sofortprogramm‘ für Rohstoffe – mit Abnahmegarantien nach US-Vorbild. Nur: Was immer Brüssel unter ‚sofort‘ versteht…

Klare Signalgebung der Koalition

Und während in Deutschland wieder Panik über Stromimporte herrscht, wird vergessen, dass fossile Brennstoffe jährlich für 100 Mrd. EUR importiert werden. Das ‚explodierende‘ Stromdefizit? 2 Mrd. EUR. Der größere Fehler: Jahrzehnte verschleppter Netzausbau – vor allem im Süden.

Also Grund zur Verzweiflung? Keineswegs. Laut ifo-Institut hellt sich die Stimmung in den Chefetagen leicht auf. Vielleicht bringt die Koalition ihren versprochenen Booster doch noch auf die Straße. Und die EU-Kommission findet irgendwo auf der Welt neue Rohstoffquellen.

Unseren Segen hätten sie – damit der Winter diesmal nicht ganz so enttäuschend wird. Denn die Hoffnung stirbt zuletzt.

Kai Jordan, mwb

Kai Jordan, mwb

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Kontakt und weitere Informationen:

mwb Wertpapierhandelsbank AG
Kai Jordan
Kleine Johannisstrasse 4
D-20457 Hamburg
Tel: +49 40-360995-20
E-Mail: kjordan@mwbfairtrade.com

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