Maritim Vertrieb lädt zur Gläubigerversammlung – Bond geht auf Tauchstation

Maritim: nächste Schieflage eines Mittelstands-
emittenten angeschleppt?
Foto: © Thinkstock/Paul Grecaud

Was ist los bei der Maritim Vertriebs GmbH? Der Spezialist für Schleppschiffe, der auch eine Mittelstandsanleihe über zuletzt 20 Mio. EUR im Umlauf hat, lädt seine Bondholder am 28. August überraschend zu einer Gläubigerversammlung nach Kempten. Auf der Veranstaltung sollen sie über die Verlängerung der Anleihe sowie über eine Absenkung des aktuellen 8,25%-Kupons abstimmen – nähere Einzelheiten zu den Umständen blieben bis dato aus. Insgesamt ist die Unternehmenskommunikation mehr als dürftig – leider wie so oft in der Vergangenheit bei Mittelstandsanleihenemittenten.

Am 24. Juli veröffentlichte die Gesellschaft, deren einziger Geschäftszweck der Erwerb, die Veräußerung, das Halten und Verwalten von Beteiligungen an Einschiffsgesellschaften ist, im Bundesanzeiger eine Meldung, wonach sie die Inhaber der im Mai 2012 ausgereichten 8,25%-Unternehmensanleihe (2012/14) über zuletzt 20 Mio. EUR für den 28. August zu einer Gläubigerversammlung an den Firmensitz nach Kempten einlädt. Beim dem Treffen sollen die Anleihegläubiger u.a. über die von Maritim vorgeschlagenen Beschlussgegenstände einer Verlängerung des Maritim-Bonds um fünf Jahre mit neuer Endfälligkeit am 1. Dezember 2019 – ein Ausstieg zum regulären Fälligkeitstermin am 1. Dezember 2014 soll bestehen – und einer Herabsetzung der laufenden Anleiheverzinsung ab dem 1. Dezember 2014 um 500 Basispunkte auf nur noch 3,25% ab- bzw. zustimmen. Um der Gesellschaft „eine größere Flexibilität hinsichtlich der Investitionsmodalitäten zu verschaffen, soll mit Zustimmung der Gläubiger außerdem der bislang in den Anleihebedingungen vorgesehene enge Mittelverwendungs-/Investitionsrahmen deutlich ausgeweitet werden“, heißt es im dritten Beschlussvorschlag. Die Einladung einschließlich der Beschlussgegenstände ist inzwischen auch auf der Unternehmenswebseite neben einer heute Vormittag veröffentlichten Erklärung hinterlegt.

Quelle: Maritim Vertriebs GmbHÜber die genauen Beweggründe will Maritim auf der Veranstaltung informieren. In der Einladung heißt es dazu lediglich: „Vor dem Hintergrund, dass die von der Emittentin gehaltenen Beteiligungen an Einschiffsgesellschaften nach der Sanierungsphase derzeit jeweils einen höchst erfolgreichen Geschäftsverlauf vorweisen können, wäre der Verkauf dieser Beteiligungen zum Zwecke der Liquiditätsgenerierung und anschließenden Rückzahlung der Inhaber-Teilschuldverschreibungen wirtschaftlich nicht sinnvoll. Vielmehr strebt die Emittentin an, für die Gläubiger der Inhaber-Teilschuldverschreibungen diese Investition in die Branche der Spezialschiffsbetreiber langfristig zu erhalten und daneben vergleichbare Investitionen in anderen Branchen zu tätigen.“

Die aktuellen Ereignisse rund um die Einladung zur beabsichtigten Anleihegläubigerversammlung und die vorgeschlagenen Beschlussgegenstände erscheinen dennoch kurios und vor dem Hintergrund „ähnlicher“ Entwicklungen bei anderen, inzwischen insolventen Mittelstandsanleihenemittenten höchst alarmierend. Fragwürdig erscheint insbesondere die geplante Laufzeitenverlängerung der Anleihe bei zugleich deutlicher Absenkung des Zinskupons. Bei einem laut Maritim „höchst erfolgreichen Geschäftsverlauf“ hätten mit Sicherheit auch andere, günstigere Finanzierungsalternativen zur Verfügung gestanden, mit denen Maritim den teureren Bond hätte ablösen können. Auch hätte Maritim mit einer offenen und vorausblickenden Unternehmenskommunikation Schlimmeres wie den jetzigen Reputations- und Vertrauensverlust vermieden. So aber schrillen bei Maritim-Bondholdern, die verständlicherweise mehr hinter der simplen Anleihenprolongation(?!) vermuten, die Alarmglocken, woraufhin der Bond erwartungsgemäß zuletzt gut ein Fünftel an Kurswert einbüßte.

Maritim VertriebUnterdessen bleibt die aktuelle Geschäftsentwicklung bis auf wohlwollende Worte des Maritim-Managements mehr oder minder im Dunkeln – vollständige Jahresabschlüsse für die Geschäftsjahre 2012 und 2013 waren bis zuletzt auf der Unternehmenswebseite nicht hinterlegt. Lediglich ein dreiseitiges PDF-Dokument zum Jahresabschluss 2012 ist inzwischen auf der Webseite abrufbar. Dieses weist einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von über 1 Mio. EUR auf. Auch wurde das bei Emission noch vorliegende Bondrating von BB+ bislang nicht aktualisiert. Zwar ist ein solches Rating für das Freiverkehrslisting an der Börse Hamburg nicht zwingend erforderlich, allerdings würde ein unabhängiges Rating deutlich mehr Licht in die Geschäftsgebaren und -entwicklungen bringen.

Die Frage lautet abschließend: Handelt es sich bei der geplanten Anleihenverlängerung um eine legitime Maßnahme, die ausschließlich unvorteilhaft kommuniziert wurde, oder sind die Befürchtungen der Marktteilnehmer angesichts der gegebenen Intransparenz mehr als berechtigt? Die Frage dürfte sich in Kürze, spätestens aber nach der oder den abgehaltenen Gläubigertreffen von selbst beantworten – für den Fall, dass die erste Versammlung mangels Gläubigeranwesenheit nicht beschlussfähig sein sollte, beabsichtigt Maritim ein zweites Treffen zum Zwecke der erneuten Beschlussfassung einzuberufen.

MaritimDa BondGuide die aktuelle Informationspolitik für vollständig unzureichend erachtet, haben wir uns per sofort von der Anleihenposition, die seit 75 Wochen im BondGuide-Musterdepot enthalten war, getrennt (zur News).

Der im Freiverkehr Hamburg börsengehandelte Maritim-Bond büßt am Vormittag weitere 18% auf jetzt 70% ein – Kurs- und Chartverlauf finden Sie hier. Zumindest bei dem gegenwärtigen Kursniveau erscheint der von Maritiim angebotene Rückkauf zu den regulären Bedingungen – Endfälligkeit am 1. Dezember 2014 zu 100% – weitaus attraktiver als eine um fünf Jahre verlängerte Anleihe mit deutlich reduziertem Zinskupon bei gleichzeitig kaum vollständig abschätzbaren Risiken.

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