Law Corner aus BG 18-2023: Nachhaltigkeitsaspekte in Wertpapierprospekten

Anleihen werden zunehmend als grüne oder nachhaltige Anleihen ausgegeben bzw. der Emittent bewirbt die Finanzierung mit seinem Nachhaltigkeitsprofil. Solche Emissionen erfolgen häufig nach den Marktstandards der ICMA. Der finale EU Green Bond Standard wird erst in nächster Zeit erwartet. Bei grünen und nachhaltigen Produkten und Emittenten wird zur Nachhaltigkeit bislang wenig in den entsprechenden Wertpapierprospekten ausgeführt. Von Anne de Boer, Heuking Kühn Lüer Wojtek

—> aus BondGuide 18-2023 vom 08. Sep 2023, Seite 32

Für alle Wertpapierprospekte gilt nach Art. 6 (1) der Prospektverordnung (EU) 2017/1129 (in der aktuellen Fassung), dass in den Prospekt die erforderlichen Informationen aufzunehmen sind, die für den Anleger wesentlich sind, um sich ein fundiertes Urteil über den Emittenten und das Investment zu bilden. Entsprechend Ziffer 54 der Vorbemerkungen der Prospektverordnung sind bei den Risiken auch umwelt- und sozialpolitische Umstände sowie Faktoren in Bezug auf die Unternehmensführung von Bedeutung. In den Anhängen nach der Delegierten Verordnung 2019/980 (DVO), die die Inhalte für die Prospekte vorgeben, sind Nachhaltigkeitsaspekte jedoch nicht spezifisch erwähnt.

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Die ESMA hat nun am 11. Juli 2023 Leitlinien zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsaspekten in Wertpapierprospekten veröffentlicht. Die Leitlinien begründen ausdrücklich keine weiteren Veröffentlichungspflichten, sondern sollen die (einheitliche) Darstellung von Nachhaltigkeitsthemen in Wertpapierprospekten nach der geltenden Prospektverordnung sicherstellen. Sofern mit der Nachhaltigkeit geworben wird, ist nach der ESMA genau zu prüfen, ob damit ein wesentlicher Aspekt vorliegt, der im Prospekt aufzunehmen ist.

Die ESMA empfiehlt, dass Emittenten insbesondere folgende Punkte zur Nachhaltigkeit in einem Wertpapierprospekt berücksichtigen:

  1. Emittenten sollen die Grundlagen ihrer Aussagen zu ihrem Nachhaltigkeitsprofil und der von ihnen zu begebenen Wertpapiere im Prospekt darstellen. Dies umfasst Informationen und die dazugehörigen Grundlagen, wenn Marktstandard erfüllt werden, und Verweise auf gegebenenfalls zugrundeliegenden Daten und Annahmen sowie Untersuchungen oder Analysen Dritter. Die Ausführungen müssen dabei möglichst objektiv sein.
  2. In Risikohinweisen kann aufgenommen werden, dass Erwartungen an Nachhaltigkeit der Investoren von den Erwartungen der Emittenten abweichen können oder das Verständnis einer Nachhaltigkeit sich verändern kann. Dies darf jedoch nicht zu einem allgemeinen Disclaimer führen, dass Umstände betreffend Nachhaltigkeit, die der Emittentin in seiner Hand hat, nicht erfüllt werden. Als Beispiel wird die Mittelverwendung genannt.
  3. Die Ausführungen zur Nachhaltigkeit müssen ebenfalls entsprechend Art. 31 (1) DVO verständlich sein. Mathematische Modelle und Strukturen sind klar zu beschreiben.

Sofern nach der geltenden Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung und künftig der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) wesentliche Ausführungen im Sinne von Art. 6 (1) der Prospektverordnung enthalten, sind diese auch in den Wertpapierprospekt aufzunehmen.

Im Weiteren unterscheidet die ESMA zwischen Prospekten für Dividenden- und Nicht-Dividendenwerte.

Bei Nichtdividendenwerten unterscheiden die Leitlinien zwischen Use-of-Proceed Anleihen, also solchen, deren Erlöse für grüne oder nachhaltige Zwecke verwendet werden, und Sustainability-linked Anleihen, bei denen die Nachhaltigkeit in Bezug auf Kennzahlen gefördert wird.

Bei Use-of-Proceed Anleihen sind die Mittelverwendung und das Management der Erlöse sowie Informationen darzulegen, die es den Anlegern ermöglichen, die Nachhaltigkeitsziele, die dem Prozess der Projektbewertung und -auswahl zugrunde liegen, zu beurteilen. Prospekte könnten beispielsweise eine Zusammenfassung der wesentlichen Informationen aus ihrem ‚Green-Bond-Rahmenwerk‘ enthalten oder auf die Gesetzgebung verweisen, die zur Bestimmung des Nachhaltigkeitsprofils der Projekte (falls vorhanden) verwendet wird.

Bei Sustainability-linked Anleihen erwartet die ESMA Informationen über die ausgewählten Key Performance Indicator(s) (KPIs), die Sustainability Performance Target(s) (SPTs) und Informationen, die es Anlegern ermöglichen, die Konsistenz der KPIs, ihrer Ziele sowie zugehörige SPTs anhand der relevanten branchenspezifischen wissenschaftsbasierten Zielen (falls vorhanden) und der Nachhaltigkeitsstrategie des Emittenten zu bewerten.

Ebenso ist im Prospekt aufzunehmen, welche Informationen nach der Emission veröffentlicht werden.

Die ESMA sieht insbesondere, dass in folgende Abschnitte eines Prospekts Nachhaltigkeitsthemen relevant sein könnten:

Dr. Anne de Boer, Partnerin und Rechtsanwältin, Heuking Kühn Lüer Wojtek

Dr. Anne de Boer, Partnerin und Rechtsanwältin, Heuking Kühn Lüer Wojtek

– Risikofaktoren
– Verwendung von Emissionserlösen einschl. der damit verfolgten Nachhaltigkeitsziele
– Auswirkungen einer vorzeitigen Rückführung von Mitteln auf die Nachhaltigkeit
– Nennung von Beratern im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit
– Auswirkungen auf das Wertpapier zum Beispiel Zinserhöhungen.

Aus unserer Sicht kommt im Geschäftsbereich das Nachhaltigkeitsprofil des Emittenten hinzu, wenn dies von Bedeutung ist.

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