Formycon: „Mithilfe der Anleihe mehr ökonomisches Potential ausschöpfen“

Biosimilar-Spezialist Formycon ist gerade mit einer Debütanleihe am Start. Zum Auftakt der Zeichnungsfrist sprach BondGuide mit CFO Enno Spillner.

BondGuide: Herr Spillner, vielleicht zum Auftakt einige Worte zu Ihnen selbst und natürlich auch zur Formycon. Kennen wir uns nicht von der Evotec?
Spillner: Da haben Sie Recht. Seit gut zwei Jahren bin ich CFO der Formycon, zuvor war ich bei der Evotec. Insgesamt verfüge ich über mehr als 25 Jahre Erfahrung im Bereich Lifesciences. Biosimilars finde ich aber besonders spannend, da sie einer der schnellsten und dynamisch wachsenden Bereiche innerhalb der Healthcare-Branche sind. Sie sind auch keine Modeerscheinung, sondern entwickeln sich nachhaltig.

BondGuide: Und die Formycon macht auch oder ausschließlich Biosimilars?
Spillner: Formycon konzentriert sich ausschließlich auf die Entwicklung von Biosimilars. Im Gegensatz zu Generika, die auf kleinen Molekülen basieren und nach Patentablauf sehr viel günstiger chemisch hergestellt und angeboten werden, handelt es sich bei Biosimilars um Nachfolgeprodukte komplexer, biotechnologisch hergestellter Arzneimittel. Diese können nicht exakt 1:1 kopiert, sondern ihrer Komplexität nur möglichst ähnlich nachgebildet werden – genau darauf ist Formycon spezialisiert. Biosimilars spielen eine immer größere Rolle im Gesundheitswesen, da sie den Zugang zu modernen, oft sehr teuren Therapien erleichtern und gleichzeitig die Behandlungskosten massiv senken können.

Pipeline von Formycon

Pipeline von Formycon

„Biosimilars spielen eine immer größere Rolle im Gesundheitswesen, da sie den Zugang zu modernen, oft sehr teuren Therapien erleichtern und gleichzeitig die Behandlungskosten massiv senken können.“

BondGuide: Dann benötigen Biosimilars vom Reißbrett bis zur Markteinführung sicher nicht 15 Jahre, wie bei einem originären neuen Medikament, aber im Handumdrehen hat man die dann sicherlich auch nicht, oder?
Spillner: In der Tat. Wir kalkulieren mit acht bis zehn Jahren und die Entwicklung kostet pro Produkt zwischen 100 und 300 Mio. EUR. Wirtschaftlich sind Biosimilars trotzdem attraktiv, da der therapeutische Bedarf in diversen Anwendungsfeldern immens ist – und im Vergleich dazu die Referenztherapien extrem teuer für Patienten sind. Bei einigen besonders aufwändigen Therapien oder seltenen Krankheiten reden wir abhängig von Therapieplanung und Dosierungsintervallen auch mal von sechsstelligen Summen pro Patient pro Jahr. Ein wesentlicher Vorteil von Biosimilars ist auch das geringere Entwicklungsrisiko, vor allem im Vergleich zu Biopharma. Bis dato haben wir jedes unsere gestarteten Biosimilarprojekte auch bis zur Zulassung durch Regulatoren in Europa und den USA gebracht.

BondGuide: Hier wird ja moniert, dass sich einige Länder diese exklusiven Referenztherapien gar nicht leisten können.
Spillner: Und genau da kommen die Biosimilars ins Spiel. In vielen Ländern sind sie die einzige Chance, überhaupt an eine Therapie zu kommen.

„Bis dato haben wir jedes unsere gestarteten Biosimilarprojekte auch bis zur Zulassung durch Regulatoren in Europa und den USA gebracht.“

BondGuide: Nun starten Sie die Emission einer Unternehmensanleihe. Wie sieht das aus?
Spillner: Es handelt sich um ein öffentliches Angebot für einen Bond, der unser weiteres Unternehmenswachstum unterstützen und unsere Kapitalstruktur optimieren soll. Die Formycon ist seit 2010 auch aktiennotiert, derzeit im Prime Standard, und erfüllt damit höchste Transparenz- und Governance-Standards. In der Vergangenheit haben wir uns größtenteils über Eigenkapital finanziert. Mit nun zwei unserer Biosimilars in der kommerziellen Vermarktung durch unsere Partner, und den erwarteten hochmargigen Lizenzeinnahmen daraus, zielen wir auf ein positives EBITDA im nächsten Jahr, spätestens 2027. Vor diesem Hintergrund ist der Zeitpunkt in unserer Entwicklung passend, unserer Kapitalmarktpräsenz auch für die Anleihe zu nutzen. Damit können wir unsere Biosimilarentwicklung länger mit eigenen Mitteln vorantreiben, um mehr ökonomisches Potential auszuschöpfen. Mit der Anleihe erschließen wir uns also in einer transformativen Unternehmensphase hin zu nachhaltiger Profitabilität eine passende zusätzliche Finanzierungsquelle, die uns mehr Flexibilität gibt und unsere Unternehmensfinanzierung diversifiziert.

„Wir sehen die Unternehmensanleihe als attraktive Ergänzung bisheriger Finanzierungsbausteine.“

BondGuide: Zugelassene Produkte hat die Formycon also durchaus.
Spillner: Richtig, drei Produkte sind in den USA und Europa zugelassen und zwei davon auch bereits in zahlreichen Ländern am Markt. So generieren wir schon entsprechende Umsätze. Wir haben dafür eine ordentliche Ausgangsbasis: verschiedene Produkte in unterschiedlichen Anwendungsfeldern, die von unseren Kommerzialisierungspartnern wie Sandoz, Teva, Fresenius Kabi oder MS Pharma, letzterer im mittleren Osten, vertrieben werden. Daher sehen wir die Unternehmensanleihe als attraktive Ergänzung bisheriger Finanzierungsbausteine – mit der Gewissheit, dass unsere Cashflows der kommenden Jahre eine solche Form der Kreditaufnahme zur Förderung unserer nächsten Wachstumsschritte sowohl möglich machen als auch nahelegen.

Auslaufender Patentschutz Blockbuster-Medikamente nächste Jahre

BondGuide: Was genau kann die Formycon mit dem Zielvolumen von 50 Mio. EUR denn stemmen?
Spillner: An erster Stelle steht natürlich die Skalierung unseres Geschäftsmodells, die Weiterentwicklung unserer laufenden Biosimilar-Projekte und der Ausbau unserer Pipeline. Wir möchten zukünftig die Projekte nicht so früh auslizensieren, so dass wir stärker an den Umsätzen unserer Partner partizipieren. Das geht nur, wenn wir nicht im frühen Stadium schon auf generierte Cashflows angewiesen sind.

BondGuide: Wovon hängt ab, an welches Biosimilar Sie als nächstes herangehen – ist das die wirtschaftliche Attraktivität, ein hoher medizinischer Bedarf oder was genau?
Spillner: Tatsächlich ist das eine unserer schwierigsten Fragestellungen überhaupt. Für weichenstellende Entscheidungen wie diese lassen wir uns bis zu neun Monate Zeit. Die Analyse ist aufwändig und komplex. Unser Auswahlprozess ist sehr systematisch und basiert auf einer Kombination aus Marktanalysen, medizinischem Bedarf, Demografie der Patientenpopulation, Verständnis alternativer Technologien/Produkte, technologischer Machbarkeit und Kosten für Entwicklung und spätere Produktion. Bei acht bis zehn Jahren bis zur Zulassung müssen wir alle Bereiche genau analysieren und darauf aufbauend eine Entscheidung treffen. Wir haben dabei immer eine effiziente Nutzung unserer Ressourcen, unseren Portfoliomix und eine profitable Gesamtstrategie im Blick.

BondGuide: Und wem gehört die Formycon heute?
Spillner: Rund die Hälfte des Aktienkapitals liegt in Händen von Ankerinvestoren, die meisten unterstützen uns schon lange strategisch und finanziell. Dazu gehört unter anderem Athos, Active Ownership und Gedeon Richter. Mit allen stehen wir in sehr gutem Kontakt und Austausch. Der verbleibende Teil zählt zum Freefloat.

CFO Enno Spillner, Formycon; (c) martinjoppen.de

CFO Enno Spillner; (c) martinjoppen.de

BondGuide: Gibt es ein Einzelrisiko oder zumindest einen Aspekt, der Ihnen trotz aller berechtigten Zuversicht Kopfzerbrechen bereitet?
Spillner: Teil unseres Geschäftsmodells ist, dass wir unsere marktreifen Produkte nicht selbst vermarkten – das übernehmen unsere erwähnten Kommerzialisierungspartner, die über ein entsprechendes internationales Netzwerk verfügen. Trotz eines großen Anteils an der Wertschöpfungskette sind wir also abhängig vom Vermarktungserfolg dieser Partner. Daher legen wir hier großen Wert auf die Auswahl renommierter und erfahrener Partner.

BondGuide: Herr Spillner, ganz herzlichen Dank an Sie für Ihre Zeit und die ausführlichen Einblicke!

Interview: Falko Bozicevic

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