Einigung um US-Schuldenlimit wird seinen Preis haben

Prof. Dr. Jan Viebig, Chief Investment Officer der ODDO BHF SE, kommentiert wöchentlich, was die Märkte bewegt. Dieses Mal: das US-Schuldenlimit

Ein Scheitern im Streit um eine Anhebung der Schuldengrenze in den USA hätte weitreichende Folgen für die Weltwirtschaft. In dieser Einschätzung herrscht Einigkeit unter den Beobachtern. Selbst eine Einigung wird einen Preis haben.

Die US-Investmentbank Goldman Sachs schätzt, dass die Barmittel der US-Regierung am 8. oder 9. Juni unter den Mindestbetrag von 30 Mrd. USD fallen. Danach könnte es jederzeit zu einem Zahlungsausfall kommen.

Trotz der Härte, in der nun wieder über die Schuldengrenze gestritten wird, halten wir eine Einigung für wahrscheinlich. Ungewisser ist jedoch, ob die USA auch zu einer guten Einigung finden. Ein schlechter Kompromiss könnte wieder, ähnlich wie 2011, zu wirtschaftlichen Verwerfungen führen. So ist nicht auszuschließen, dass die Federal Reserve, je nachdem wie der Streit um die Obergrenze ausgeht, ihre Geldpolitik weiter strafft. Dazu kann sie ihre Zinsen erhöhen oder ihre Bilanz verkürzen, indem sie mehr Staatsanleihen verkauft, als sie im Rahmen des Anleihekaufprogramms kauft.

Auch könnte die US-Regierung bei einem schlechten Kompromiss gezwungen sein, von ihrer Defizitpolitik, dem Deficit Spending, abzurücken. Dabei hatte die Erhöhung der Staatsausgaben vor dem Hintergrund einer dichten Abfolge von Ausnahmesituationen ihre Berechtigung. Sollten die Ausgaben zu brutal gesenkt werden, so wirkte sich dies negativ auf die Konjunktur und den Arbeitsmarkt aus – und damit auch negativ auf die Steuereinnahmen. Unabhängig davon, wie eine Einigung in der Schuldenobergrenze im Detail aussehen wird, gehen wir von einer Abschwächung des Wirtschaftswachstums in den USA aus. Eine tiefe Rezession allerdings halten wir für nicht sehr wahrscheinlich.

In den USA hat die Schuldenobergrenze, das Debt Ceiling, mehr als hundert Jahre Tradition. Im Ersten Weltkrieg wurde sie 1917 eingeführt. Die Debatte um die Schuldenobergrenze wurde ein zentraler Bestandteil des amerikanischen Parlamentarismus, stellte sie doch einen Ersatz für die wenigen Gelegenheiten dar, in denen die amerikanischen Abgeordneten und Senatoren über den Haushalt debattieren konnten.

Häufig schwang in den Debatten ein Streit über die Rolle des Staates und die Aufgabenverteilung zwischen Washington und den Bundesstaaten mit. Bis zum Beginn der 1980er Jahre spielte sie keine Rolle, da die USA unter den Präsidenten Truman, Eisenhower, Kennedy, Johnson, Nixon, Ford und Carter die Staatsschulden im Verhältnis zum BIP senkten oder stabil hielten. Erst unter Reagan, Bush Sr., Bush Jr., Obama und Trump ging der Anteil der Staatsschulden am BIP kontinuierlich nach oben. Nur während Clintons Präsidentschaft in den 1990er Jahren ging er zurück. Die Schuldenquote in den USA ist trotz Schuldenobergrenze seit Anfang der 2000er Jahre auf rund 120% des BIP gestiegen.

2011 kam es zu einer politischen Krise, die bis heute nachklingt. Die Republikaner hatten im Januar 2011 die Mehrheit im Abgeordnetenhaus errungen und machten eine Zustimmung zu einer Erhöhung der Schuldenobergrenze von einer Zusage Präsident Barack Obamas abhängig, die Staatsschulden zu senken. Am 31. Juli 2011 schließlich, zwei Tage vor der Zahlungsunfähigkeit der Regierung, stimmten die Republikaner einer Erhöhung der Schuldengrenze zu, nachdem sich Obama auf eine Senkung der Staatsausgaben einließ. Der Preis, den die USA damals zu zahlen hatten, war hoch. Die US-Ratingagentur Standard & Poor‘s stufte die Kreditwürdigkeit erstmals in der Geschichte der USA von der Höchstnote AAA um eine Stufe auf AA+ herunter.

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