Die goldenen Gänse zähmen (ohne sie zu töten)

Die Technologie-Branche und ihre Giganten Apple, Google, Amazon und Facebook stecken in einer Zwickmühle zwischen wachsenden Bedürfnissen und zunehmender Regulation stecken – und was daraus für Anleger folgt. Von Christopher Smart, Barings*

Die Macht der weltgrößten Technologieunternehmen wird seit Jahren immer mehr in Zweifel gezogen und Politiker weben ein Netz neuer Gesetze, um Sorgen rund um Datensicherheit bis zur Befürchtung von Wahlmanipulationen gerecht zu werden. Anlegern, deren Tech-Aktien mitten in der Coronakrise für das zweite Quartal ansehnliche Renditen erzielten, stellt sich die Frage, ob die neuen Regeln die Goldenen Gänse zähmen – oder sie töten werden.

Daten und Technologiefirmen sind heute weitaus wichtiger als Öl. Die meisten erfolgreichen Geschäftsmodelle oder betrieblichen Aktivitäten beinhalten das Sammeln, Analysieren und Verarbeiten von Informationen. Anleger sollten daher mit Blick auf den Technologiesektor die folgenden fünf Bereiche im Auge behalten, in denen die Regierungen die Geschäftsmodelle völlig umkrempeln könnten:

Wettbewerb: Größe und Erfolg ziehen die Aufmerksamkeit auf sich, so dass es kaum überrascht, dass Unternehmen, die die Internetsuche, Mobiltelefone und soziale Medien dominieren, hinsichtlich ihrer Preismodelle und dem Umgang mit der Konkurrenz unter die Lupe genommen werden. Die aktuellen Monopol-Regeln haben nicht mit Googles Dominanz in der Online-Werbung oder Amazons Anteil am Online-Verkauf gerechnet.

Datenschutz: Beim Schutz der Privatsphäre hat Europa mit der Datenschutzgrundverordnung eine Vorreiterrolle eingenommen. Diese schreibt vor, dass Unternehmen für jeden spezifischen Zweck die Erlaubnis zur Nutzung personenbezogener Daten einholen müssen und verhängt bei Verstößen Geldstrafen von bis zu 2 % der weltweiten Einnahmen. Diese Regeln sind zwar lobenswert in ihrer Zielsetzung, aber sie erschweren es all jenen Unternehmen mit europäischen Mitarbeitern oder Kunden, da für sie die besonderen Datenschutzregeln gelten und bevorzugen damit indirekt große, etablierte Unternehmen. Neue Ideen haben es dadurch noch schwerer, sich durchzusetzen.

Achtung: aggressive Junggänse kreuzen

Sicherheit: Für Sicherheits- und Polizeibehörden ist es kompliziert, wenn sich Informationen oder Beweise in verschlossenen Aktenschränken befinden, für deren Beschaffung Gerichtsbeschlüsse erforderlich sind. Jetzt befinden sich die wertvollsten Informationen in der Cloud und ziehen Technologiefirmen mitten in diese schwierigen Fragen hinein. Die Pattsituation zwischen dem Federal Bureau of Investigation (FBI) und Apple bezüglich des Zugriffs auf das iPhone eines Terrorverdächtigen heizte die Debatte darüber an, wie Technologiefirmen den Datenschutz mit strafrechtlichen Ermittlungen in Einklang bringen.

Freiheit: Es wird noch komplizierter, wenn diese Fragen in Ländern ohne verankerte persönliche Freiheiten aufkommen. In China schreibt das Gesetz vor, dass die Bürger die Arbeit des nationalen Geheimdienstes unterstützen müssen. Technologieunternehmen befinden sich in einer immer größer werdenden Kluft zwischen den chinesischen und westlichen Regierungsvorschriften, insbesondere in Bezug auf das rasch expandierende Geschäft der Cloud-Dienste.

Demokratie: Die Demokratien erhöhen den Druck auf Social-Media-Plattformen und Suchmaschinen, ungenaue oder beleidigende Inhalte zu überwachen. Je näher der Wahltermin in den Vereinigten Staaten rückt, desto mehr wächst die Sorge vor ausländischer Einmischung, die Zweifel an der Legitimität des Ergebnisses aufkommen lassen.

Christopher Smart Barings

Christopher Smart, Barings

All dies hinterlässt einen der dynamischsten Sektoren der Weltwirtschaft, der zunehmend von Politik und Regulierung geprägt wird. Investoren müssen ein Auge auf die disruptiven Kräfte haben, die Innovation, Effizienz, Wandel und Profit weiterhin vorantreiben werden, und ein anderes auf die sich erweiternde Liste von Regeln.

*) Christopher Smart war Senior Fellow am Carnegie Endowment for International Peace und am Mossavar-Rahmani Center for Business and Government der Harvard Kennedy School; von 2013 bis 2015 war er als Sonderassistent des Präsidenten beim Nationalen Wirtschaftsrat und beim Nationalen Sicherheitsrat tätig, wo er als Hauptberater für Handel, Investitionen und eine breite Palette von globalen Wirtschaftsfragen fungierte. Christopher Smart war zudem vier Jahre als stellvertretender Assistent des Finanzministeriums tätig. In dieser Funktion leitete er die Reaktion auf die europäische Finanzkrise und konzipierte das Engagement der USA in der Finanzpolitik in Europa, Russland und Zentralasien.