Das bringt die US-Wahl

In weniger als 100 Tagen entscheidet sich, ob Donald Trump eine zweite Amtszeit ausführen wird, oder ob der Demokrat Joe Biden das Rennen um die Präsidentschaft machen wird – von Matt Miller, Clarke Camper und Reagan Anderson, Capital Group*

Steigende COVID-19-Infektionen, eine angeschlagene Wirtschaft und innere Unruhen in mehreren US-Städten sorgen aktuell dafür, dass Donald Trump in wichtigen Umfragen mit großem Abstand hinter Joe Biden liegt. Viele Anleger blicken mit großem Interesse auf die anstehende Wahl.

1. Erdrutschsieg der Demokraten

Das erste Szenario wäre, dass die Demokraten das Weiße Haus und den Senat gewinnen und die Kontrolle über das Repräsentantenhaus behalten. Aus politischer Sicht würde dieses Szenario den umfangreichsten Wandel bedeuten. Die politische Agenda von Trump würde in vielen Bereichen maßgeblich umgekehrt – von Steuern, über Einwanderung bis hin zur Regulierung.

Dies beträfe zum Beispiel auch den Tax Cuts and Jobs Act 2017, der teilweise oder sogar vollständig zurückgenommen werden könnte. Dieser beinhaltet erhebliche Steuersenkungen – so reduzierten sich die allgemeinen Unternehmenssteuersätze von 35 Prozent auf 21%, was sich wiederum positiv auf die Unternehmensgewinne auswirkte.

Eine teilweise oder vollständige Aufhebung der Steuersenkungen würde Anleger dazu veranlassen, dies bei ihrer Schätzung der allgemeinen Gewinnaussichten der Unternehmen zu berücksichtigen. Generell läge bei einem Erdrutschsieg der Demokraten erheblich mehr Gewicht auf den Themen Besteuerung und Regulierung. Dies würde sich erheblich auf den Energiesektor, die Telekommunikationsbranche und Technologieunternehmen auswirken.

Dieses Szenario könne zudem auch das Ende der Verschleppungstaktik im Senat bedeuten. Im Gegensatz zu heute würde dies die Verabschiedung von Gesetzen mit einer einfachen Mehrheit ermöglichen.

2. Es kommt zum Stillstand

Ein weiteres Szenario wäre, dass Biden die Wahl gewinnt, die Republikaner aber die Kontrolle über den Senat behalten. In diesem Fall käme es mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu einem Stillstand.

Es würde schwierig werden, wichtige Gesetze zu verabschieden, da die Republikaner im Senat wichtige demokratische Initiativen blockieren könnten. Biden müsste in diesem Fall voraussichtlich mithilfe von Durchführungsverordnungen regieren. Bundesstaatliche Regulierungsbehörden würden darüber hinaus wahrscheinlich mehr Macht ausüben. Eine Folge könne sein, dass die Securities and Exchange Commission Vorschriften aggressiver durchsetzt und das Arbeitsministerium einen erneuten politischen Vorstoß im Zusammenhang mit der Aufsicht über die Altersvorsorge der Arbeitnehmer wagen könnte.

3. Es bleibt beim Status quo

In diesem Szenario bliebe alles wie gehabt – Trump würde wiedergewählt und die Republikaner behielten die Kontrolle über den Senat. Die Demokraten würden in diesem Fall wahrscheinlich die Autorität über das Repräsentantenhaus behalten und das aktuelle Umfeld der politischen Konfrontation bliebe bestehen. Klar sei jedoch: Es wird nach COVID-19 eine Menge Aufräumarbeiten zu erledigen geben – unabhängig davon, wer im Januar im Weißen Haus sitzt.

4. Unwahrscheinliche Spaltung

In diesem Fall würde Trump zwar wiedergewählt, die Demokraten würden aber die Kontrolle über den Senat gewinnen. Ein solches Szenario böte noch mehr Potenzial für Unruhen.

Jedoch ist ein solches Ergebnis auch eher unwahrscheinlich. Generell gilt: Jedes Szenario, das von der Wiederwahl Trumps ausgeht, birgt ein zusätzliches Risiko. Denn wenn er ohne die Mehrheit der abgegebenen Stimmen gewinnt, wie es 2016 der Fall war, könnte dies zu weiteren inneren Unruhen und Forderungen nach einer Abschaffung des Wahlmännerkollegiums führen.

Auswirkungen auf Kapitalanlagen

Für Anleger sind Wahlkampfperioden meist herausfordernde Zeiten, insbesondere im Hinblick darauf, eine langfristige Perspektive aufrechtzuerhalten. Generell werden in Wahlkämpfen negative und spaltende Themen oftmals verstärkt – und in diesem Jahr gilt das in besonderem Maße.

Die Unsicherheit vor der US-Wahl wird dieses Mal noch weiter durch die COVID-19-Pandemie befeuert, sowie durch die damit einhergehende globale Wirtschaftsrezession, die weit verbreiteten inneren Unruhen und eine hohe Marktvolatilität. Aber auch, wenn viele Anleger aktuell besorgt sind und lieber abwarten würden, was passiert, ist es wichtig investiert zu bleiben.

Ein gutes Beispiel dafür ist die historische Performance des Standard & Poor’s 500 Composite Index mit Blick auf die letzten acht Jahrzehnte. Bei 18 von 19 Präsidentschaftswahlen hätte eine hypothetische Investition von 10.000 USD, die zu Beginn des entsprechenden Wahljahres getätigt worden wäre, zehn Jahre später an Wert gewonnen. In 15 dieser Zehnjahreszeiträume hätte sich eine Investition von 10.000 USD sogar verdoppelt.

Das zeigt: Es kann sich durchaus lohnen, eine langfristige Anlageperspektive beizubehalten und der Versuchung einer Timing-Strategie zu widerstehen.

*) Matt Miller ist Volkswirt bei Capital Group, Clarke Camper Leiter Government Relations und Reagan Anderson Senior Vice President des Teams Government Relations.