Bond-Kommunikation 2.0

Das neue deutsche Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) hat mit seinen umfassenden Regelungen zu Umschuldungsklauseln (CACs) sowie zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters der Bondinvestoren international Maßstäbe gesetzt. Fast alle deutschen Unternehmen emittieren heute ihre Anleihen unter dem SchVG und treffen – ungeachtet ihrer Bonität – mithilfe des SchVG Vorsorge für den Fall einer Restrukturierung. Warum aber sind deutsche Unternehmen zurückhaltend, wenn es um die emittentenseitige Bestellung eines gemeinsamen Vertreters der Bondinvestoren geht? Vermutlich weil sie das IR-Potenzial dieses Vertreters noch nicht erkannt haben.

Im Jahr 2009 hat Deutschland sein Schuldverschreibungsgesetz modernisiert. Das Gesetz enthält nun umfangreiche Regelungen zu Umschuldungsklauseln sowie zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters der Bondinvestoren durch den Emittenten. In einem boomenden deutschen Markt für Unternehmensanleihen sind weitreichende Umschuldungsklauseln in Anleihebedingungen nunmehr Marktstandard. Im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen standardmäßig ab der Platzierung ein gemeinsamer Vertreter der Bondinvestoren bestellt wird, haben deutsche Unternehmen aber nur selten von sich aus einen gemeinsamen Vertreter der Bondinvestoren bestellt.

Mehrere Emittenten habe dieses Versäumnis bitter bereut. In vielen Fällen hätte die Bestellung eines mit Informationsrechten ausgestatteten gemeinsamen Vertreters das Vertrauen der Investoren in den Emittenten gestärkt, den Zugang zum Kapitalmarkt vereinfacht und die Kosten der Kapitalaufnahme reduziert. In anderen Fällen hätte der Emittent von der frühen Bestellung eines gemeinsamen Vertreters profitiert, weil er die Investoren diskret und (kosten-)effizient auf einen geplanten Anleiherückkauf oder eine erforderliche Umstrukturierung hätte ansprechen können.

Neue Standards
Der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) und die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) haben sich des Themas nun angenommen und Standards für Unternehmensanleihen unter dem SchVG veröffentlicht. Die neuen Standards enthalten zwei Hauptforderungen:

Erstens sollen die Bondinvestoren in den Anleihebedingungen ermächtigt werden, Mehrheitsbeschlüsse zu fassen. Hintergrund dieser Forderung ist, dass die Bondinvestoren laut SchVG nur vom Emittenten ermächtigt werden können, durch Mehrheitsbeschluss einer Änderung der Anleihebedingungen zuzustimmen und einen gemeinsamen Vertreter zur Wahrnehmung ihrer Rechte zu bestellen. Ohne eine solche Ermächtigung limitieren Emittenten ihre Handlungsoptionen, z.B. wenn vorrangiges Fremdkapital aufgenommen, das Sicherheitenpaket neu geschnürt, das Rückzahlungsprofil geändert oder die Passivseite umstrukturiert werden soll.

Zweitens sollen die Emittenten bereits in den Anleihebedingungen einen gemeinsamen Vertreter der Bondinvestoren bestellen und diesen zur Verbesserung der Bondkommunikation im Sinne der DVFA-Standards für Bondkommunikation nutzen. Hintergrund ist das bestehende Störgefühl über das starke Informationsgefälle innerhalb der Gruppe der Bondinvestoren und deren mangelnde kollektive Handlungsfähigkeit.

Win-Win statt Footloose
Für Emittenten und Bondinvestoren ergibt sich bei Umsetzung der Standards eine Win-Win-Situation. Auf der einen Seite verbessert der Emittent durch seinen Beitrag zur Transparenz am Kapitalmarkt seine Reputation und seinen Zugang zum Kapitalmarkt. Im Regelfall werden sich auch die emittentenseitig zu tragenden Kosten des gemeinsamen Vertreters durch reduzierte Kapitalkosten und weitere Vorteile amortisieren. Die teilweise von Emittenten geäußerte Sorge, die frühe Bestellung eines gemeinsamen Vertreters werde von den Investoren als Indiz für eine drohende Restrukturierung gewertet, erscheint angesichts der Forderung der Investorenverbände nach einer standardmäßigen Bestellung eines gemeinsamen Vertreters abwegig.

Im Übrigen werden auch die Umschuldungsklauseln in den Anleihebedingungen vom Kapitalmarkt als vernünftige Vorsorgemaßnahme und nicht als erste Anzeichen für eine drohende Krise des Emittenten gewertet. Darüber hinaus kann die IR-Abteilung des Emittenten den gemeinsamen Vertreter nutzen, um zu solchen Bondinvestoren Kontakt zu halten, die sie im Rahmen der Roadshows und Präsentationen regelmäßig nicht erreicht (dazu zählen keineswegs nur Retail-Investoren, sondern auch semi-institutionelle Investoren wie z.B. Pensionskassen, kleinere Versicherungen und Family Offices). Außerdem bedingt nur die frühe Bestellung des gemeinsamen Vertreters, dass der Emittent bei akutem Gesprächsbedarf diskret und effizient an die Bondinvestoren herantreten kann.

Die weit verbreitete Annahme, bei Bedarf könne ein gemeinsamer Vertreter auch noch zu einem späteren Zeitpunkt problemlos etabliert werden, ist realitätsfremd: Das fehlende Quorum bei der ersten Beschlussfassung sowie die Anfechtung des Bestellungsbeschlusses kann die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters schnell bis zu neun Monate hinauszögern.

Auf der anderen Seite versetzt der verbesserte Zugang zu bondorientierten Finanzinformationen die Bondinvestoren in die Lage, ihr Investment über die Laufzeit der Anleihe kontinuierlich zu analysieren und einzuschätzen. Der gemeinsame Vertreter erleichtert zudem auch auf Seiten der Bondinvestoren die Kommunikation und eine eventuell erforderliche Entscheidungsfindung.

Es ist deshalb nur eine Frage der Zeit, bis sich die Bondkommunikation 2.0 als Marktstandard durchgesetzt haben wird.

Von Dr. Peter Verannemann, Geschäftsführer, DGVA GmbH

Ursprünglich erschienen im Special "Anleihen 2013" des GoingPublic Magazins.