Law Corner: Steigerung der Präsenz auf Anleihegläubigerversammlungen – hier: Möglichkeiten und Grenzen bei der Wahl des Versammlungsortes

Dr. Christian Becker (li), Lutz Pospiech, GÖRG

Der Law Corner Beitrag von Dr. Christian Becker, Partner, und Lutz Pospiech, Assoziierter Partner, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München

Bei der Restrukturierung von Anleihen stellen die Beschlussfähigkeitsquoren eine sehr hohe Hürde dar, an der die Gesamtrestrukturierung eines Anleiheemittenten scheitern kann. Schlägt ein Emittent in der Krise ein faires und marktgängiges Restrukturierungskonzept vor und gestaltet den Prozess transparent für die Anleihegläubiger, wird er regelmäßig die erforderlichen Beschlussmehrheiten erreichen. Knackpunkt für die erfolgreiche Restrukturierung ist aber häufig, ob der Emittent ausreichend Anleihegläubiger zur Teilnahme an einer Anleihegläubigerversammlung (AGV) motivieren kann, um deren Beschlussfähigkeit zu erreichen. Einen Ansatzpunkt, um die Präsenzquote zu erhöhen, kann allein schon die Wahl des Versammlungsortes bieten.

Beschlussfähigkeitsquoren
Voraussetzung für die Beschlussfähigkeit einer ersten AGV nach Maßgabe des Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) ist, dass bei der AGV mindestens 50% der ausstehenden Schuldverschreibungen vertreten sind. Wird dieses Beschlussfähigkeitsquorum verfehlt, kann eine zweite AGV zum Zwecke der erneuten Beschlussfassung mit herabgesetzten Anforderungen einberufen werden. Für Beschlüsse, durch die wesentliche Inhalte der Anleihebedingungen geändert werden sollen, müssen in der zweiten AGV mindestens 25% der ausstehenden Schuldverschreibungen vertreten sein.

Ein Schlüssel für die Optimierung der Teilnahmemöglichkeiten der Anleihegläubiger kann in der Wahl des Versammlungsortes liegen: Hierbei zu beachten sind aber die Grenzen, die das SchVG den Emittenten setzt.

Versammlungsort
Für Emittenten mit Sitz im Inland gibt § 11 Satz 1 SchVG vor, dass eine AGV am Sitz des Emittenten stattfinden soll. Sofern die Schuldverschreibungen an einer Börse eines EU-Mitgliedstaates (oder eines der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den EWR) zum Handel zugelassen sind, kann eine AGV auch am Sitz dieser Börse stattfinden (§ 11 Satz 2 SchVG).

Viele der in Deutschland begebenen Anleihen sind nicht zum Handel im regulierten Markt zugelassen, sondern ausschließlich zum Handel im Freiverkehr einer deutschen Börse einbezogen. Auch bei der Einbeziehung zum Handel in den Qualitätssegmenten des Freiverkehrs (z.B. Entry Standard, Bondm, m:access) sind Anleihen rechtlich nicht zum Börsenhandel zugelassen. Bei diesen Anleihen greift daher die „Soll“-Bestimmung des § 11 Satz 1 SchVG.

Allerdings kann der Sitz des Schuldners zuweilen ein eher ungeeigneter Versammlungsort sein. Dies gilt etwa für eine verkehrstechnisch nur schwierig zu erreichende AGV wie jüngst bei der eno energy in Rerik oder der von friedola in Meinhard-Frieda.

Sofern eine sachliche Rechtfertigung vorliegt, kann eine AGV eines Emittenten, für die § 11 Satz 1 SchVG gilt, daher auch an anderen Orten als dem Emittenten-Sitz stattfinden. Die erforderliche sachliche Rechtfertigung ist hierbei ernst zu nehmen, da die Wahl eines unzulässigen Versammlungsortes zur Anfechtbarkeit der Beschlüsse der AGV führt. Eine mögliche sachliche Rechtfertigung ist eine gute verkehrstechnische Erreichbarkeit – z.B. durch einen Flughafen, einen ICE-Halt oder einen Autobahnanschluss. Nach unserer Einschätzung dürfte es daher stets alternativ möglich sein, eine AGV in Großstädten wie Frankfurt, Hamburg, Köln, Düsseldorf, München oder Berlin abzuhalten. Von der Rechtsprechung bestätigt ist dies allerdings (noch) nicht.

Fazit
Um optimale Teilnahmemöglichkeiten für die Anleihegläubiger vorzusehen, sollten AGVs stets an verkehrstechnisch leicht erreichbaren Orten stattfinden. Zur Vermeidung jeglicher Rechtsunsicherheit, ob die Wahl eines bestimmten Versammlungsortes sachlich gerechtfertigt ist oder die Interessen der Anleihegläubiger negativ beeinträchtigt, empfiehlt es sich, bereits in den Anleihebedingungen bestimmte Städte als zulässige Versammlungsorte vorzusehen.

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