
Struktureller Neustart bei der ESPG-Anleihe: BondCo stellt Investoren wirtschaftliche Teilhabe in Aussicht – BondGuide im Interview mit Klaus Nieding
Mit Abschluss des StaRUG-Verfahrens und Gründung der ESPG BondCo S.à r.l. hat die ESPG AG eine tragfähige Sanierungslösung implementiert. Die Gläubiger sind strukturell eingebunden – über ein Modell, das rechtliche Stabilität wiewohl wirtschaftliche Perspektive verspricht. Klaus Nieding, Geschäftsführer der BondCo, im Interview über die Neuausrichtung der ESPG, die Chancen für Investoren und warum dieses Modell Schule machen könnte.
BondGuide: Herr Nieding, mit der Übertragung der Anleihe auf die BondCo ist die neue Struktur vollzogen. Was bedeutet das für Gläubiger – und für ESPG?
Nieding: Diese Struktur ist weit mehr als ein juristischer Zwischenschritt – sie ist eine durchdachte Lösung mit klarer Gläubigerorientierung. Sie verspricht für Gläubiger: rechtliche Absicherung und wirtschaftliche Partizipation. Mit der BondCo wurde ein Vehikel geschaffen, das zwischen dem Kapitalmarkt und dem operativen Geschäft vermittelt.
Und für die ESPG bedeutet es: Die Finanzierungslast ist neu geordnet, der Eigenkapitalpuffer gestärkt, und die operative Verantwortung liegt wieder beim Vorstand. Diese Lösung zeigt: Wer rechtzeitig handelt, kann Alternativen zur Insolvenz und zur kalten Enteignung im StaRUG schaffen – und das mit Perspektive für beide Seiten.
„Die Ausgangslage ist zweifellos herausfordernd, hat aber durchaus eine Perspektive.“
BondGuide: Wie schätzen Sie die aktuelle Lage der ESPG denn ein?
Nieding: Die Ausgangslage ist zweifellos herausfordernd, hat aber durchaus eine Perspektive. Die Leerstandsquote ist ein Thema, das öffentlich diskutiert wurde. Aber sie ist erklärbar und vor allem: bearbeitbar. Wir sehen, dass sich das Management nicht auf Konsolidierung beschränkt, sondern in konkrete Maßnahmen investiert – in Modernisierung, in die Aktivierung von Flächen und in aktives Mietermanagement. Das ist der richtige Weg.
Und was besonders Mut macht: Es wurden in kurzer Zeit wieder relevante Neuvermietungen realisiert – mit Partnern aus hochattraktiven Bereichen wie LED-Technologie, Pflegeausbildung und dem klassischen Elektrohandwerk. Das zeigt, dass die Standorte Substanz haben. Diese zeichnen sich durch Nähe zu wissenschaftlichen Institutionen, gute infrastrukturelle Anbindung und flexible Nutzungsmöglichkeiten aus – das sind allesamt relevante Standortvorteile.
BondGuide: Was bietet die BondCo Gläubigern konkret?
Nieding: Die BondCo ist ein strategisches Beteiligungsinstrument. Gläubiger haben die Möglichkeit, über die BondCo an der wirtschaftlichen Entwicklung der ESPG zu partizipieren. Zudem gibt es in der Struktur einen klaren Rückflussmechanismus: Alle etwaigen Ausschüttungen aus der Beteiligung – nach Abzug von minimalen Verwaltungskosten – fließen direkt an die Anleihegläubiger. Damit verbunden ist die Aussicht auf eine entsprechende Governance. So soll Vertrauen, aber auch ein realistischer wirtschaftlicher Anreiz entstehen.
Und nicht zuletzt: Nach Einschätzung externer Berater kann der wirtschaftliche Gegenwert dieser Beteiligung bei positiver Entwicklung der ESPG mittelfristig mehr als ein Drittel der ursprünglichen Anleiheverbindlichkeit ausmachen. Das ist ein Szenario, das viele klassische Sanierungen so nicht bieten können.
BondGuide: Und welche Perspektive eröffnet diese neue Struktur langfristig?
Nieding: Die gewählte Struktur dient nicht nur der Überwindung der finanziellen Krise, sondern schafft die Grundlage für eine nachhaltige operative Entwicklung. Sie ist langfristig ausgerichtet und schafft Stabilität – nicht als Ziel, sondern als Voraussetzung für Entwicklung. Die Gläubiger sind über die BondCo nicht nur abgesichert, sondern im Idealfall wertschöpfend beteiligt.
„Die Gläubiger sind über die BondCo nicht nur abgesichert, sondern im Idealfall wertschöpfend beteiligt.“
Wir haben bewusst ein Modell gewählt, das sich nicht auf kurzfristige Sanierungsdividenden konzentriert, sondern nachhaltige Beteiligung ermöglicht. Das Modell wurde gerichtlich bestätigt, gemeinsam mit einem Lenkungsausschuss entwickelt und durch einen operativen Geschäftsplan flankiert.
BondGuide: Dann zum Hier und Jetzt: Was erwarten Sie für die weitere Geschäftsentwicklung?
Nieding: Ich rechne durchaus mit entsprechenden Fortschritten – auch wenn die vollständige Erholung Zeit benötigen wird. Aber Fortschritte, die sichtbar sind: in Form neuer Mietverträge, konkreter Maßnahmen auf den Parks und ersten Rückflüssen in Richtung Gläubiger.
Ich weiß, dass dieser Weg nicht einfach ist. Aber ich weiß auch, dass die Struktur ihn begünstigt: Die neue Struktur reduziert Unsicherheiten, schafft klare Verantwortlichkeiten und erlaubt wieder proaktives Handeln. Das ist in einem volatilen Marktumfeld ein echter Vorteil.
„Vermeidung der Auswüchse wie bei anderen StaRUG-Sanierungen der letzten Monate“
BondGuide: Inwiefern war dieses Verfahren für Sie auch persönlich besonders?
Nieding: Ich habe viele Verfahren begleitet – von tiefgreifenden Restrukturierungen bis hin zu harten Gläubigerauseinandersetzungen mit enteignungsgleichen Wirkungen. Der Fall ESPG war besonders, weil wir hier ein Verfahren mit Perspektive realisieren konnten – und das in einem vergleichsweise knappen Zeitrahmen, mit großem Vertrauen der Gläubiger und einem sehr professionellen Lenkungsausschuss.
BondGuide: Ein abschließender Appell?
Nieding: Bemerkenswert war, dass hier nicht auf kurzfristige Maximalforderungen gesetzt wurde, sondern auf eine tragfähige und ausgewogene Lösung. Es ging nicht um kurzfristige Befriedigung oder um Vorteile für eine bestimmte Gläubigergruppe zu Lasten der übrigen Investoren, sondern um neue Perspektiven unter Vermeidung der Auswüchse wie bei anderen StaRUG-Sanierungen der letzten Monate. Ich würde mir wünschen, dass dieses Modell in der Restrukturierungspraxis künftig öfter in Betracht gezogen wird.
BondGuide: Herr Nieding, ganz herzlichen Dank an Sie!
Interview: Falko Bozicevic
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