DVFA zur aktuellen EU-Konsultation zum Thema KMU

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Die Kapitalmärkte in der Europäischen Union sind heute im Vergleich zu anderen Wirtschaftsräumen immer noch deutlich weniger entwickelt. Die Konsequenzen hieraus sind weniger Wachstum und damit verbunden eine geringe makroökonomische Widerstandskraft.

Im Rahmen des Aktionsplans für die Kapitalmarktunion aus dem September 2020 ist es weiterhin das Ziel der EU, kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) sowie Wachstumsunternehmen einen verbesserten Kapitalmarktzugang zu verschaffen. Aufgrund dieser Vorgabe hat die EU jetzt eine Konsultation, die am 25. Februar 2022 geschlossen wurde, speziell mit dem Ziel der Vereinfachung des Kapitalmarktzugangs für KMU durchgeführt.

Im Kern der etwa 70 Seiten langen Konsultation geht es um mögliche Anpassungen der MiFID II Regulierung, der Marktmissbrauchsrichtlinie (MAR) sowie um eine Vereinfachung von Wertpapierprospekten. Zusätzlich wurden Fragen rund um die Themen SPACs und Mehrfachstimmrechte im Zusammenhang mit KMU und Wachstumsunternehmen gestellt.

Der DVFA hat sich als Berufsverband der Investment Professionals im Rahmen der Konsultation klar positioniert. Wir begrüßen weiterhin und uneingeschränkt die Förderung des Kapitalmarktumfeldes für KMU und Wachstumsunternehmen. Allerdings setzt der DVFA die Schwerpunkte deutlich anders als die EU-Kommission. Diese versucht auf Seiten der Emittenten teilweise in sehr detaillierten Fragestellungen Verbesserungspotenziale zu identifizieren, während die Seite der Investoren nur am Rande berücksichtigt wird, erklärt Thorsten Müller, Mitglied des Vorstands des DVFA und Geschäftsführer der Lighthouse Corporate Finance GmbH in Frankfurt.

Der DVFA ist überzeugt, dass der Fokus auf die Emittentenseite und die damit zusammenhängende Regulierung auf der Angebotsseite zu kurz gesprungen ist. Funktionierende Märkte benötigen Liquidität und kontinuierliche Kapitalzuflüsse. Dazu müssen die Rahmenbedingungen der Nachfrageseite, also der Investoren, deutlich stärker berücksichtigt werden.

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Wichtig ist es z.B. den Versicherungssektor wieder für die Anlage in Aktien zu gewinnen. Die Aktienquote der Lebensversicherungen ist in den letzten Jahren in Deutschland von ca. 25% auf unter 5% gesunken. Hier liegt offensichtlich eine Überregulierung vor, da insbesondere Lebensversicherer für langfristige Anlagen prädestiniert sind, da ihre bilanziellen Verpflichtungen auch langfristiger Natur sind. Durch zum Teil sehr hohe Anforderungen an die Börsenliquidität jedes einzelnen Aktieninvestments werden KMU häufig als Investment sogar systematisch ausgesteuert, fasst Christoph Schlienkamp, geschäftsführender Vorstand des DVFA und Portfoliomanager bei der GS&P Kapitalanlagegesellschaft die Situation zusammen.

Auch das Thema der steuerlichen Unterstützung wird in der EU-Konsultation nur am Rande gestreift. Dabei haben Länder wie Italien und Frankreich sehr gute Erfahrungen mit der steuerlichen Begünstigung von börsennotierten KMU und Wachstumsunternehmen mit einer angepassten Kapitalertragsbesteuerung gemacht. Hier könnte auch über eine europäische Lösung nachgedacht werden, erläutert Thorsten Müller weiter.

Eine weitere wichtige Unterstützung für Investments in KMU wäre eine deutliche Vereinfachung der Regelungen zur Marktsondierung (Market Sounding gemäß MAR). Häufig weigern sich Fondsmanager an einer Marktsondierung für KMU teilzunehmen, da sie dann als „conflicted“ gelten und aufgrund der Interessenskonflikte in diesem Wert nicht mehr handeln dürfen. Hier wäre es sinnvoll, nach einer ad hoc Meldung durch den Emittenten, dass eine Marktsondierung durchgeführt werden soll, nur noch bereits publizierte Informationen zu verwenden und damit eine Bevorteilung der an der Marktsondierung beteiligten Investoren von vorne herein auszuschließen. Dafür wird den Investoren im Gegenzug auch der weitere Handel in dem Wert erlaubt. Dieses Vorgehen würde das wichtige Instrument der Marktsondierung für KMU deutlich vereinfachen.

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Die vom DVFA gemeinsam mit anderen Verbänden geforderte Wiedereinführung des Bundling für KMU bis zu einer Marktkapitalisierung von 1 Mrd. EUR wurde inzwischen im Rahmen des Capital Markets Recovery Package der EU-Kommission wieder ermöglicht. Das unterstützt der DVFA ausdrücklich. Es zeigt sich jedoch, dass eine schlechte Regulierung, die einmal eingeführt und dann angepasst wurde, vom Markt nicht sofort wieder angenommen wird. Dies ist besonders ärgerlich, da durch MiFID II genau das eintrat, was diverse kapitalmarktorientierte Verbände vorher prognostizierten – weniger Research über KMU und Wachstumsunternehmen, konstatiert Christoph Schlienkamp.

In Zusammenhang mit dem von der EU-Kommission bereits verabschiedeten Capital Markets Recovery Package wäre es aus Sicht des DVFA daher konsequent, börsennotierte KMU und Wachstumsunternehmen einheitlich als Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von bis zu 1 Mrd. EUR zu definieren. Dies entspräche auch mehr der Einteilung der Märkte von Seiten der Investoren und wäre eine für alle Marktteilnehmer klare Einteilung, meint Thorsten Müller.

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Abschließend beschäftigt sich die Konsultation noch mit den Themen SPACs (Special Purpose Acquisition Companies) sowie Mehrfachstimmrechtsaktien. Der DVFA positioniert sich bei beiden Themen eher zurückhaltend. Bei SPACs sehen wir die Gefahr, dass diese klassische Börsengänge zurückdrängen. Bei den Mehrfachstimmrechten halten wir das grundsätzliche Prinzip von Kapitalmärkten (eine Aktie, eine Stimme) für verletzt. Ein ähnliches Konzept verfolgt auch die Vorzugsaktie, die jedoch seit Jahren im deutschen Kapitalmarkt und auch international auf dem Rückzug ist. Für junge Unternehmen kann die Einführung von Mehrfachstimmrechten, da so eine sehr starke Stimmenverwässerung der Gründer durch frühe Finanzierungsrunden abgewendet werden kann, ggf. sinnvoll sein. Dann allerdings mit einer klaren zeitlichen Limitierung (sogenannte Sunset Lösungen) im Falle eines Börsenlistings, meinen Schlienkamp und Müller abschließend.

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