Neuemission reconcept: „Gehe fest davon aus, dass wir ganz neue Förderprogramme sehen werden“

Foto @ reconcept GmbH

Nach der letzten Bestandsaufnahme vor rund einem Jahr steht Karsten Reetz, geschäftsführender Gesellschafter der reconcept GmbH, erneut Rede und Antwort zu zwischenzeitlich erreichten und kommenden Meilensteinen der Projektrealisation, neuen Expansionsvorhaben und einer womöglich absehbaren Nivellierung bis dato „überstrenger“ Regulierungsvorgaben – und nicht zu vergessen: In petto ist auch der neue reconcept Green Bond II.

BondGuide: Herr Reetz, an unser Gespräch vor rund einem Jahr erinnere ich mich noch recht gut – und natürlich freut uns, dass reconcept die damals skizzierte Entwicklung genommen hat, wie es ja auch sein sollte bei einem Emittenten. Was hat sich verändert seit Sommer 2020?
Reetz:
Wir haben wie geplant weitere wichtige Meilensteine erreicht. Zu nennen sind hier beispielsweise der Verkauf des französischen Küsten-Windparks „Saint-Jacques-de-Néhou“, weitere Projektfortschritte in Finnland, die zu entsprechenden Earn-out-Erträgen geführt haben, sowie die erfolgreiche Vollplatzierung des „RE15 EnergieZins 2025“ und der „RE14 Multi-Asset-Anleihe“ jeweils im Volumen von 10 Mio. EUR.

BondGuide: In Deutschland sind Sie expandiert – ich meine, mit Ankündigung bei unserem Gespräch 2020.
Reetz:
Ganz richtig: Wir haben jetzt ein Projektentwicklungsbüro in Berlin. Dort haben wir ein Team aufgebaut, das sich vor allem um Photovoltaik- und Windkraftprojekte in den neuen Bundesländern kümmert. Insgesamt sprechen wir von einer Photovoltaikpipeline von 560 MWp in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt – und genau dafür sind auch wesentliche Mittel aus unserer aktuellen zweiten Emission vorgesehen.

BondGuide: Hatten Sie mir davon bereits 2020 berichtet?
Reetz:
Nein, jedenfalls nicht in dieser Größenordnung. Die Stoßrichtung mag damals schon absehbar gewesen sein, aber nicht das Volumen. Zu den 560 MWp sollen in den nächsten eineinhalb Jahren weitere 500 MWp kommen.

BondGuide: Nicht, dass ich neidisch wäre: Aber was ist das Besondere an den neuen Bundesländern – sind sie besonders sonnengesegnet?
Reetz:
Tatsächlich sind der Süden und der Norden, direkt am Meer, in dieser Beziehung für Solarprojekte vorzuziehen. Der Unterschied ist, dass die neuen Bundesländer weniger dicht besiedelt sind als der Westen – daher gibt es dort noch gut verfügbare Flächen. Wir sind allerdings auch in den alten Bundesländern unterwegs, namentlich Schleswig-Holstein oder Niedersachsen. Auch dafür sind Teile der neuen Mittel aus dem Green Bond II vorgesehen.

BondGuide: Sind die Bebauungsmöglichkeiten speziell für Windkraftanlagen eigentlich von Bundesland zu Bundesland verschieden? Ich erinnere mich da eine 1.000-Meter-Regel oder dergleichen.
Reetz:
Zwischen Siedlungen und Windenergieanlagen sind Mindestabstände einzuhalten – von höchstens 1.000 Metern. Über die sogenannte Länderöffnungsklausel können die Landesparlamente jedoch eigene Abstandsregeln für Windenergieanlagen festlegen. Unverändert ist die 1000-Meter-Abstandsregel sehr umstritten, denn sie verzögert den politisch gewollten Ausbau der Windkraft an Land. Aber: Wir haben Ende September Bundestagswahl. Und es ist zumindest wahrscheinlich, dass das Bündnis90/Die Grünen – in welcher Koalition auch immer – vertreten sein und eine Rolle spielen könnte. Deshalb sind wir sehr zuversichtlich, dass sich die Rahmenbedingungen verbessern und wir davon auch profitieren werden, da wir uns schon jetzt rechtzeitig positioniert haben.

BondGuide: Die ausgelobte Energiewende ist irgendwie … eingeschläfert, verschlafen, verschoben?
Reetz:
… nicht ganz oben auf dem Radar der Bundesregierung. Ich bin absolut davon überzeugt, dass eine neue Bundesregierung sich wieder verstärkt dem Thema widmen wird, da dies sowohl unbedingt erforderlich ist als auch öffentlich von den Wählern eingefordert wird – und ganz speziell, falls die Grünen der künftigen Regierungskoalition angehören. Ich gehe fest davon aus, dass wir für 2022/23 ganz neue Förderprogramme sehen werden und auch die überstrengen Einschränkungen wie die 1.000-Meter-Regelung stufenweise oder gar überall zurückgefahren werden. Es ist wichtig, dass es wieder in die richtige Richtung geht. Finnland ist inzwischen ein Vorreiter innerhalb Europas.

Karsten Reetz, reconcept GmbH

BondGuide: Warum Finnland? Da kann es ja eigentlich nicht um Solar gehen …
Reetz:
Nein, in Finnland geht es tatsächlich um Windenergie. Dort wurde genehmigt, Windkraftanlagen direkt im Wald zu errichten. Was ja auch sinnvoll ist, denn mehr als wenige Quadratmeter Grundfläche und eine Zufahrtsstraße braucht man nicht für eine Anlage. Der Flächenverbrauch ist ganz niedrig im Vergleich zu Solar. Finnlands Norden ist dermaßen dünn besiedelt, dass man da absolut niemanden stört. Deshalb ist Finnland unser Fokus Nummer zwei. Der Standort Lappland ist geradezu ideal – gefühlt gibt es in Finnland mehr Rentiere als Einwohner. Eine solche Freigabe innerhalb von bewaldeten Flächen würde ich mir auch für die zahlreichen deutschen Waldgebiete wünschen.

BondGuide: Und die Gezeitengeschichten?
Reetz:
Ja, auch hier hat sich in der Zwischenzeit einiges getan bei der reconcept. Wir haben gezeigt, dass diese Technik funktioniert, und der Unterschied zu unserem Gespräch vor einem Jahr ist, dass das erste von mehreren Projekten an der Ostküste Kanadas inzwischen ‚im Wasser ist‘.

BondGuide: Ich erinnere mich an den größten Tidenhub weltweit.
Reetz:
Ganz genau. Um das kurz zu verbildlichen: An unserer hiesigen Nordseeküste haben wir einen Tidenhub von einem bis maximal vier Metern, also den Unterschied zwischen Flut und Ebbe. In der legendären Bucht im Osten Kanadas sind es 13, bei Springflut 16 Meter. Ich glaube, das kann sich niemand vorstellen, der nie dort war. Und ein Gezeitenkraftwerk liefert rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr Strom, da es nicht vom Wetter abhängt.

BondGuide: reconcept kann die Opportunitäten der Stunde nutzen, so viel scheint klar. Warum jetzt sechs Jahre Laufzeit beim zweiten Bond?
Reetz:
Ich freue mich, dass Sie diese Fragestellung aufgreifen. Tatsächlich ist es so, dass größere Projekte besser mit einem Jahr Puffer ausgestattet sein sollten. Ein großes Solarprojekt auf einer Freifläche veranschlagen wir mit einer Realisierungszeit von ungefähr drei Jahren. Windkraftprojekte rechnet man mit fünf Jahren. Daher sind sechs Jahre der Zeitrahmen, der uns einen Puffer verschafft, und die ideale Laufzeit für unsere zweite Anleihe. Beim Green Bond I war das anders: Hier waren bereits mehrere Projekte in die Wege geleitet, weshalb kein großartiger Puffer erforderlich war. Wir verschaffen uns sozusagen etwas mehr „Laufruhe“.

BondGuide: Warum wieder ein eher kleinteiliger Bond mit Zielvolumen 10 Mio. EUR?
Reetz:
Eingenommene Mittel wollen vor allem klug investiert werden. 20 Mio. EUR in einem Zug würden uns unnötig unter Anlagedruck setzen – und womöglich zu weniger rentablen Entscheidungen führen. Das wäre weder in unserem Interesse noch im Interesse unserer Investoren. Es muss vor allem um gesundes Wachstum gehen.

BondGuide: Guter Stichpunkt: Ab welcher Umsatzvervielfachung oder dergleichen müsste sich Ihre Corporate Governance ändern, z.B. in eine AG statt einer GmbH?
Reetz:
Davon sehe ich uns noch weit entfernt. Auch bei einer Umsatzverdopplung oder

-verdreifachung wäre dies kein Thema. Oder anders formuliert: Strukturell verfügen wir bereits über die erforderlichen Voraussetzungen für weiteres, substanzielles Wachstum. Wichtig ist sicherlich, dass die zweite Führungsebene entsprechend erweitert wird – und genau das geschieht ohnehin fortlaufend mit steigenden Projektvorhaben.

BondGuide: Herr Reetz, ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit und das Update!

Das Interview führte Falko Bozicevic.