Tokenomics: die ökonomische Struktur hinter der Blockchain

Tokenomics verdeutlicht, auf welche Weise Angebot, Nachfrage und die Verteilung eines Krypto-Projektes strukturiert ist – die sollte man stets kennen. Von Robert Steininger*

Sie möchten die Funktionsweise von Kryptowährungen von Grund auf verstehen? Dann ist es für Sie wichtig, die ökonomischen Grundregeln dezentraler Währungen kennenzulernen. Genau hier setzt die Tokenomics an. Sie verdeutlicht, auf welche Weise Angebot, Nachfrage und die Verteilung eines Krypto-Projektes strukturiert ist. Diese Faktoren entscheiden zudem über den Erfolg oder Misserfolg einer Kryptowährung und gestalten sich für Sie als Anleger besonders aussagekräftig.

Dezentrale Währungen haben sich auf dem weltweiten Finanzmarkt etabliert. Laut einer Analyse, die von CoinMarketCap durchgeführt wurde, belief sich die weltweite Marktkapitalisierung von Kryptowährungen bereits zu Beginn dieses Jahres auf circa 4,1 Bio USD.

Auf globaler Ebene existieren mehr als 18.000 verschiedene dezentrale Währungen, die offiziell gelistet sind. Darunter der Bitcoin, der als klarer Marktführer etwa 57% des Gesamtmarktes ausmacht. Wirft man einen Blick auf die enorme Vielzahl obskurer Coins, so zeigt sich, dass nur ein sehr geringer Bruchteil aller digitalen Vermögenswerte das Potenzial besitzt, langfristige Relevanz aufzubauen.

Die Tokenomics, also die ökonomische Architektur eines Projekts, entscheidet darüber, ob eine Kryptowährung dauerhaft Vertrauen am Markt erlangen kann oder schnell wieder in der Versenkung verschwindet.

Die wichtigsten Prinzipien der Tokenomics

Die Tokenomics einer Kryptowährung umfasst sämtliche Rahmenbedingungen und Regulierungen, die festlegen, wie genau eine Kryptowährung funktioniert. Dazu gehören Faktoren wie die Gesamtmenge der Coins, die Geschwindigkeit, in der diese ausgegeben werden, die Verteilung zwischen dem Team, den Investoren und den Nutzern sowie der praktische Einsatzbereich innerhalb des Netzwerks.

Krypto-Projekte, die klare, transparente Strukturen aufweisen, bieten ein sehr viel größeres Potenzial, auf lange Sicht eine nachhaltige Nachfrage zu erzeugen. Unausgereifte Krypto-Projekte hingegen erregen zumeist nur kurzfristig Aufmerksamkeit am Markt (der sogenannte ‚Hype‘). Anschließend bricht der Wert in der Regel sehr schnell wieder ein.

Die zwei führenden Kryptowährungen können in diesem Zusammenhang als aussagekräftiges Beispiel dienen. Während der Bitcoin auf eine ‚absolute Knappheit‘ setzt und Ethereum durch die einzigartige Smart-Contract-Funktionalität einen realen Einsatzbereich hat, verschwinden viele kleinere Krypto-Projekte schon nach wenigen Monaten oder Wochen wieder vom Markt. Mehr als 70% der unterschiedlichen Kryptowährungen, die seit dem Jahr 2020 eingeführt wurden, wurden im Verlauf von nur zwei Jahren weitestgehend wertlos.

Vor allem in der frühen Phase eines Krypto-Projekts, so etwa bei den Presales (Vorverkäufen), locken viele Anbieter mit dem Versprechen einer hohen Rendite. Seriöse Marktübersichten können Ihnen jedoch dabei helfen, den nächsten potenziellen Krypto Geheimtipp zu entdecken. Für Anleger kann eine solche Übersicht zur Orientierung dienen. Prüfen Sie jedoch jederzeit, ob klare Antworten auf die Kernfragen vorliegen: Ist die Gesamtmenge limitiert? Gibt es faire Sperrfristen für Team- und Investorenanteile? Und existiert eine echte Nutzung, die Nachfrage erzeugt?

Unterschiedliche Angebotsmodelle und ihre Wirkung auf den Markt

Eines der wichtigsten Elemente ist das Angebotsmodell, also wie sich die Menge an Token im Laufe der Zeit entwickelt. Grundsätzlich lassen sich drei Ansätze unterscheiden:

– Inflationäres Angebotsmodell: Neue Token werden kontinuierlich geschaffen. Dieses Modell sorgt für Belohnungen, etwa beim Staking, und hält das Netzwerk aktiv. Problematisch wird es, wenn das Angebot schneller wächst als die Nachfrage, denn dann gerät der Kurs unter Druck.

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Deflationäres Angebotsmodell: Hier ist die Menge begrenzt. Bitcoin ist das prominenteste Beispiel mit einem Maximum von 21 Mio. Coins. Durch regelmäßige Halvings nimmt die Neuemission stetig ab. Das kann den Wert unterstützen und halten, führt aber auch zu einer hohen Volatilität, falls die Nachfrage kurzfristig schwankt.

– Hybrides Angebotsmodell: Mischformen verbinden beide Ansätze. Ethereum nutzt seit EIP-1559 einen Mechanismus, bei dem ein Teil der Transaktionsgebühren ‚verbrannt‘ wird. Dadurch entstehen in Zeiten hoher Auslastung deflationäre Effekte, während gleichzeitig neue Token generiert werden, um das Netzwerk abzusichern.

Für Sie als Investor ist vor allem das Nettoangebot entscheidend. Führen Sie sich vor Augen, wie viele Token insgesamt geschaffen werden und wie viele davon wieder vom Markt verschwinden. Krypto-Projekte, die diese Entwicklung auf eine transparente Art und Weise offenlegen, gestalten sich in den meisten Fällen seriös und schaffen Vertrauen seitens des Marktes.

Verteilung, Utility und institutionelle Perspektive

Neben der Menge ist die Verteilung von entscheidender Bedeutung. Wenn ein zu großer Teil der Token an Gründer oder Frühinvestoren geht, droht eine Machtkonzentration. Sobald Sperrfristen enden, können massive Verkäufe den Kurs belasten. Professionelle Projekte arbeiten daher mit Vesting-Plänen über mehrere Jahre sowie sogenannten ‚Cliffs‘, die verhindern, dass direkt große Mengen freigesetzt werden.

Mindestens ebenso wichtig ist die Utility, also der konkrete Nutzen. Ein Token ohne Funktion bleibt reines Spekulationsobjekt. Dagegen haben Token mit klaren Einsatzbereichen, sei es als Zahlungsmittel, Zugangsrecht, Governance-Tool oder Anreizsystem, ein deutlich besseres Potenzial, langfristige Nachfrage zu erzeugen.

Für institutionelle Investoren ist Tokenomics mittlerweile ein unverzichtbares Analysewerkzeug. Auch Zentralbanken beschäftigen sich zunehmend mit digitalen Vermögenswerten. Eine Studie der BIZ (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) zeigt, dass bereits im Jahr 2024 mehr als 25 Zentralbanken zum ersten Mal ernsthafte Tests mit Blockchain-basierten Assets durchgeführt haben.

Kennzahlen, Marktdaten und praktische Orientierung

Für die Bewertung von Tokenomics eines Krypto-Projekts helfen Ihnen diese vier Kernfragen:

– Angebot & Unlocks: Ist die Menge begrenzt, und wie verlaufen Emissionen und Freischaltungen?

Verteilung: Wie hoch sind die Anteile von Team, Investoren und Community und wann werden sie freigegeben?

Utility: Gibt es nachvollziehbare Anwendungsfälle, die reale Nachfrage erzeugen?

Bewertung: Entspricht die aktuelle Marktkapitalisierung den langfristigen Annahmen?

Bei Marktführer Bitcoin scheinen die Tokenomics am klarsten

Bei Marktführer Bitcoin scheinen die Tokenomics am klarsten

Tokenomics ist das Fundament jedes Krypto-Projekts

Tokenomics entscheidet über Vertrauen, Stabilität und Nachfrage. Während Marktberichte Anlegern gelegentlich den nächsten Geheimtipp präsentieren, ist die eigene Analyse unverzichtbar. Wer Angebot, Verteilung und Nutzen sorgfältig prüft, kann Fehleinschätzungen vermeiden und Projekte mit echtem Potenzial erkennen. Damit wird Tokenomics zu einem wichtigen Werkzeug der Marktprognose.

*) Robert Steininger ist Fachautor für u.a. Anlagestrategien und publiziert regelmäßig zu Fachthemen wie Online- und Investment-Strategien, Glücksspielthemen, Krypto und Verhaltensanalyse.

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