Law Corner: Großer Bedarf an Interessenvertretung für kapitalmarktorientierte KMUs

Der Law Corner Beitrag von Ingo Wegerich, Rechtsanwalt und Partner, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.

Mit dem Inkrafttreten der neuen EU-Prospektverordnung, mit dem voraussichtlich im Juli diesen Jahres zu rechnen ist, wird der EU-Wachstumsprospekt als neues Prospektformat eingeführt. Ziel ist es, insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) den Zugang zu den Kapitalmärkten in der Union ganz erheblich zu erleichtern und die Kosten und den Verwaltungsaufwand für die Kapitalbeschaffung deutlich zu verringern.

Der EU-Wachstumsprospekt soll einen nur verkürzten Inhalt haben und aus spezieller (verkürzter) Zusammenfassung und Emittenten- und Wertpapierbeschreibung bestehen. Er hat eine standardisierte Aufmachung, ist in leicht verständlicher Sprache abgefasst und soll für den Emittenten leicht auszufüllen sein. Die Angaben sollen zudem in einer standardisierten Reihenfolge präsentiert werden. Die genaue Inhalt des Prospekts und die Reihenfolge der Angaben werden jedoch noch in zukünftigen Rechtsakten der Europäischen Kommission festgelegt.

Diese hat diesbezüglich bereits die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) beauftragt, die Angaben festzulegen, die in einen EU-Wachstumsprospekt für KMUs aufzunehmen sind und auch die Reihenfolge, wie diese präsentiert werden sollen. Bei der Festlegung der Angaben soll sich die ESMA nicht von bestehenden Prospektstandards leiten lassen, sondern zunächst in einem „Bottom-up-Ansatz“ jene Dokumente berücksichtigen, die beispielsweise für die Zulassung der Wertpapiere von KMUs im Freiverkehr erforderlich sind.

LUTHERDie ESMA soll weiter sicherstellen, dass keine Informationen aufzunehmen sind, die für KMUs kostenintensiv sind, aber lediglich einen geringen zusätzlichen Wert für Anleger bieten. Darüber hinaus soll durch die Schaffung von verschiedenen Informationskatalogen und Überschriften den Unternehmen möglich sein, ohne oder nur mit geringer fremder Hilfe einen Prospekt zu erstellen. Die ESMA wird diesbezüglich die Marktteilnehmer öffentlich konsultieren und ihre Meinung einholen. Die öffentliche Konsultation wird für den Sommer erwartet. Wie die Ausgestaltung des EU-Wachstumsprospekts im Einzelnen ausfallen wird, ist somit noch in großen Teilen offen.

Hier könnte es auch negative Überraschungen geben: So schlug beispielsweise auf einem Workshop der Europäischen Kommission zur Umsetzung des neuen Prospektformats in Brüssel am 29. März – auf dem kein KMU vertreten war – eine Teilnehmerin des Expertenpanels vor, dass zukünftig für KMU-Prospekte aufgrund der besseren Vergleichbarkeit ausschließlich International Financial Reporting Standards (IFRS) vorgesehen werden sollten und nationale Standards wie Jahresabschlüsse nach HGB nicht mehr. Sollten jedoch KMUs zukünftig nach IFRS bilanzieren müssen, wäre dies für viele Mittelständler mit erheblichen Mehr- und Umstellungskosten verbunden. Damit würde das genaue Gegenteil erreicht werden, was die Initiative zur Kapitalmarktunion eigentlich bezweckt hat: Kosten für KMUs zu minimieren und den Kapitalmarktzugang zu erleichtern.

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