Law Corner: Bundesfinanzhof kippt Sanierungserlass des BMF

Dr. Christian Becker, Partner und Lutz Pospiech, Assoziierter Partner, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München
Dr. Christian Becker (li), Lutz Pospiech, GÖRG, München

Der Law Corner Beitrag von Dr. Christian Becker, Partner, Lutz Pospiech, Assoziierter Partner, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München.

Bei der Sanierung insolvenzgefährdeter Unternehmen hat regelmäßig auch der Fiskus seinen Sanierungsbeitrag geleistet. Nach einem Erlass des Bundesfinanzministeriums (BMF) aus dem Jahre 2003 konnten Sanierungsgewinne von der Ertragsteuer befreit werden. Dies verstößt nach einer aktuellen Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) allerdings gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 III GG, § 85 AO). Die Entscheidung des BFH ist von grundlegender Bedeutung für die Sanierungspraxis in Deutschland: Die mögliche Steuerprivilegierung im Rahmen der Sanierung ermöglicht oftmals überhaupt erst das wirtschaftliche Überleben existenzgefährdeter Unternehmen.

Problemaufriss
Sofern Gläubiger einem Unternehmen zum Zwecke der Sanierung ganz oder teilweise Schulden erlassen, erhöht sich bilanziell das Betriebsvermögen des Unternehmens und der entstehende Sanierungsgewinn ist grundsätzlich zu versteuern. Bis zum Veranlagungszeitraum 1997 waren derartige unter geregelten Voraussetzungen in voller Höhe steuerfrei. Seit der Abschaffung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. ist ein Sanierungsgewinn hingegen grundsätzlich steuerpflichtig.

Die Besteuerung der Sanierungsgewinne würde die Zielsetzung eines Schuldenerlasses in Sanierungssituationen jedoch regelmäßig konterkarieren und die Sanierung eines Unternehmens in der Krise häufig vereiteln.

Der Sanierungserlass des BMF
Nach Abschaffung der gesetzlichen Steuerermäßigung hatte das BMF reagiert und mit Schreiben vom 27.03.2003 (ergänzt durch ein BMF-Schreiben vom 22.12.2009) in einer allgemeinen Verwaltungsanweisung geregelt, dass Ertragsteuern – für Unternehmen also die Körperschaftsteuer – unter ähnlichen Voraussetzungen wie unter der früheren Rechtslage erlassen werden können.

Foto @ alfexe/www.fotolia.com

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Gestützt hat das BMF seinen Sanierungserlass auf die Regelungen der §§ 163, 222 und 227 AO (abweichende Steuerfestsetzung, Stundung und Erlass aus Billigkeitsgründen). Die Kommunen folgten dann regelmäßig den Finanzämtern und erklärten auch den Erlass der entsprechenden Gewerbesteuer.

In der Sanierungspraxis war dies häufig ein Kernelement des Gesamtkonzepts. Große Unternehmenssanierungen – insbesondere auch von Anleiheemittenten – sind nicht zuletzt so erfolgreich umgesetzt worden.

Die Entscheidung des Großen Senats des BFH
Am 07.02.2017 wurde jüngst ein Beschluss des Großen Senats des BFH vom 28.11.2016 (Az. GrS 1/15) bekannt, wonach der Sanierungserlass des BMF gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt: Der Gesetzgeber habe durch die bewusste Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. ausdrücklich entschieden, dass Sanierungsgewinne der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer unterliegen sollen.

Der Finanzverwaltung sei es daher verwehrt, Sanierungsgewinne aufgrund einer eigenen Entscheidung dennoch von der Besteuerung zu befreien. Durch den Sanierungserlass habe das BMF eine ‚strukturelle Gesetzeskorrektur‘ vorgenommen und damit gegen das und auch einfachgesetzlich geregelte Legalitätsprinzip verstoßen.

Der BFH betont allerdings auch, dass es weiterhin möglich sei, Steuern auf einen Sanierungsgewinn aus persönlichen Billigkeitsgründen auf Basis einer Einzelfallprüfung zu erlassen.

Fazit
Die Entscheidung des BFH beendet eine jahrelang gelebte Praxis bei außerinsolvenzlichen Unternehmenssanierungen. Für akut existenzgefährdete Unternehmen besteht derzeit große Rechtsunsicherheit. In laufenden Verfahren oder in der Vergangenheit erteilte verbindliche Auskünfte sollten überprüft werden. Momentan gibt es viele Überlegungen, wie im Einzelfall mit der geänderten Rechtslage umgegangen werden kann. In jedem Fall ist der Gesetzgeber aufgerufen, schnellstmöglich durch eine Neuregelung die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen zu ermöglichen und damit den Rahmen für erfolgreiche Unternehmenssanierungen wieder herzustellen.

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