Zoll-Spuk & Börsen: damit aus bösem Traum kein Wachkoma wird

Ist der Zoll-Spuk an den Börsen schon vorbei oder ist nicht doch ein dauerhafter ökonomischer Schaden entstanden? Von Dr. Manfred Schlumberger*

Bereits nachdem Donald Trump unter dem Druck der Kapitalmärkte eine drastische Senkung der Importzölle für einen Zeitraum von 90 Tagen verkündete, setzte eine kräftige Erholung an den Aktienbörsen ein. Nach dem ersten Zollabkommen mit Großbritannien und der überraschenden Senkung der Zölle im China-Handel setzte sich die Aktienrallye unvermindert fort. Unter starker Mithilfe von Rheinmetall erklomm der DAX bereits neue Höchststände. Selbst die US-Technologiebörse Nasdaq, die sogar ins Bärenmarkt-Terrain gefallen war, setzte zum Spurt über die 200-Tagelinie hinaus an. Ist somit der Zoll-Spuk an den Börsen schon vorbei oder ist nicht vielmehr ein dauerhafter ökonomischer Schaden entstanden?

Was bedeuten die Zollabkommen?

Großbritannien weist ein Handelsdefizit mit den USA auf und gehört damit zu den wenigen Ländern, die in der Terminologie von Trump von den USA ‚über den Tisch gezogen‘ werden. Dennoch bleibt es bei einem Basiszoll von 10% für Exporte in die USA. Die Einfuhr von 100.000 Fahrzeugen in die USA bleibt zollfrei, ebenso wie die Importe von Rolls Royce Triebwerken. Dafür verpflichtet sich UK zum Kauf von Boeing-Maschinen, trotz deren technischer Mängel. Effektiv geht man von einem Zollsatz von 8% für US-Importe aus Großbritannien aus.

China muss nur noch 30% Zölle auf seine Exporte in die USA zahlen, selbstverständlich zusätzlich zu den bereits von Biden erhobenen Zöllen und den bestehenden spezifischen Branchenzöllen. Effektiv liegt der Zollsatz bei über 40%. Rechtfertigen diese Zollvereinbarungen die Hausse an den Aktienmärkten?

Ökonomischer Schaden

[…] In den USA sind die Konsumerwartungen bereits massiv eingebrochen. Walmart und McDonalds berichten von erheblichen Einbußen bei ihrer eher einkommensschwächeren Kundschaft. Auch die Investitionspläne der Unternehmen verschlechtern sich analog zu den Auftragseingängen. Auch in China setzte sich der starke Einbruch beim privaten Konsum fort. In Europa und insbesondere Deutschland verschwand die Euphorie um die Schuldenprogramme der deutschen Regierung und die Anzeichen einer Fortsetzung der Stagnation verdichten sich.

Zoll-Spuk ...

Zoll-Spuk …

Wie könnten weitere Zollabkommen aussehen?

Man muss wohl davon ausgehen, dass für Trump Zollsätze von 10% das Minimum darstellen. Europa und Japan müssen sich wohl eher auf Sätze zwischen 15 und 20% einstellen, kombiniert mit Zusagen für Unternehmensinvestitionen in den USA und dem Kauf von Rüstungsgütern und Flüssiggas. Gespannt darf man auf Abkommen mit Ländern wie Vietnam oder Indien sein. Sportartikel und Textilien können auch in Zukunft in den USA nicht zu vernünftigen Preisen hergestellt werden, zumal hierfür keine billigen Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, da es Trump gelungen ist, die illegale Migration in die USA zum Stillstand zu bringen. […]

Fazit

Dr. Manfred Schlumberger

Dr. Manfred Schlumberger

Nach der enormen Aufholjagd der Aktienmärkte während der letzten vier Wochen spricht trotz kurzfristig möglicher weiterer Anstiege angesichts der zu erwartenden wirtschaftlichen Schäden viel für eine Konsolidierung über die Sommermonate. Andererseits genügt es Anlegern, auf konkrete Aktienkaufempfehlungen von Trump zu achten. Seine beiden letzten Empfehlungen brachten schnelle Gewinne. Da er als US-Präsident über dem Gesetz steht, hat dies nichts mit verbotenen Insidertipps zu tun!

*) Dr. Manfred Schlumberger ist Leiter Kapitalmarktanalyse der Fürstlich Castell’schen Bank, einer unabhängigen Privatbank in Familienbesitz, gegründet 1774.

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