
Klarna hat mit seinem Sprung an die Wall Street für Aufsehen gesorgt – ein Börsengang, der den Fintech-Sektor elektrisiert hat. Von Robert Steininger*
Der schwedische Bezahldienst, der einst mit der simplen Idee groß wurde, Rechnungen erst später zu begleichen, wagte einen Börsengang, der den Fintech-Sektor elektrisiert.
Das frische Kapital ist dabei nur ein Teil der Geschichte, mindestens ebenso wichtig ist das Signal: Dieses Unternehmen will nach Jahren voller Turbulenzen beweisen, dass es den nächsten Entwicklungsschritt geschafft hat. Hinter den Kurscharts steckt damit die Frage, ob Klarna tatsächlich auf dem Weg vom risikoreichen Start-up zum ernsthaften Schwergewicht im Zahlungsverkehr ist.
Von der Gründungsidee zum globalen Player im Zahlungsverkehr
Begonnen hat alles 2005 in Stockholm, wo drei Studenten mit einer einfachen Idee starteten: Online-Shopping sollte sicherer und unkomplizierter werden. Statt Kreditkarte oder Vorkasse bot Klarna die Möglichkeit, sofort einzukaufen und erst später zu zahlen. Händler erhielten ihr Geld umgehend, Kunden gewannen Zeit, um ihre Rechnung zu begleichen. Ein Modell, das zur richtigen Zeit kam und rasant Fahrt aufnahm.
Heute ist Klarna weit mehr als ein Start-up aus Skandinavien. Der Anbieter hat eine Banklizenz, betreibt eine App mit Shopping-Funktionen und bietet Sparprodukte an. Vor allem aber hat sich Klarna in mehr als 45 Ländern etabliert und zählt über 150 Mio. aktive Nutzer.
Wer bei H&M, Ikea oder Nike online bestellt, ist mit großer Wahrscheinlichkeit schon einmal über Klarna gestolpert. Das Unternehmen hat sich damit eine Reichweite geschaffen, die in der Fintech-Welt nur wenige Rivalen vorweisen können.
Ein Bereich, der zeigt, wie breit das Geschäftsmodell inzwischen aufgestellt ist, sind Zahlungen in der Glücksspielbranche, denn dort belegen Online Casinos mit Klarna im Vergleich, dass der Anbieter längst nicht mehr allein auf klassisches Shopping setzt, sondern Einnahmen aus ganz unterschiedlichen Bereichen erzielt. Die Kooperation mit Glücksspielplattformen verdeutlicht, dass Klarna seine Zahlungsdienste immer stärker diversifiziert und so zusätzliche Erlösquellen erschließt.
Wie sich Klarnas Bewertung über die Jahre entwickelt hat
Die Entwicklung der Unternehmensbewertung liest sich wie eine Achterbahnfahrt. Auf dem Höhepunkt der Fintech-Euphorie im Jahr 2021 lag Klarnas Bewertung bei über 45 Mrd. USD. Investoren schienen davon überzeugt, dass der BNPL-Trend den gesamten Zahlungsverkehr umkrempeln würde.
Doch dann kam die Ernüchterung: steigende Zinsen, schwächelnde Konsumlaune und wachsende Regulierung führten zu einem drastischen Einbruch. Innerhalb weniger Monate fiel die Bewertung auf unter 7 Mrd. USD. Für Klarna war das ein schmerzhafter Rückschlag, der zugleich zeigte, wie schnell Euphorie im Fintech-Sektor umschlagen kann. Vor dem Börsengang jedoch gelang die Rückkehr in ruhigere Gewässer.
Mit stabilen Zahlen und einem klareren Weg Richtung Profitabilität stieg das Vertrauen wieder. Die IPO-Bewertung von knapp 20 Mrd. USD signalisiert, dass Klarna wieder als ernsthafter Player betrachtet wird, der das Vertrauen des Kapitalmarkts zurückgewonnen hat.
Der Börsengang im Detail
Der Gang an die New Yorker Börse war für Klarna ein Statement, denn rund 14 Mrd. USD flossen durch das IPO in die Kassen, der Ausgabepreis lag bei 40 USD je Aktie. Die Nachfrage war enorm, die Emission überzeichnet, was zeigt, dass das Geschäftsmodell trotz aller Kritik Investoren fasziniert.
Noch spannender war der erste Handelstag. Bereits kurz nach Handelsbeginn schoss der Kurs nach oben, zwischenzeitlich wurde das Unternehmen mit fast 20 Mrd. USD bewertet. Dass ein europäisches Fintech an der Wall Street derart durchstartet, sorgt für Schlagzeilen und weckt Erinnerungen an die großen Tech-IPOs vergangener Jahre. Klarna hat bewiesen, dass es Investoren weltweit überzeugen kann.
Umsatzwachstum trifft auf Verluste
Klarna hat in den letzten Jahren die Kurve steil nach oben gezogen, was die Umsätze betrifft. Rund 2 Mrd. USD kamen zuletzt zusammen, doch der Beifall von Investoren bleibt verhalten, solange die Zahlen in der zweiten Spalte rot gefärbt sind. Teure Expansionen, ein aufgeblähter Personalapparat und vor allem die Ausfälle im „Buy Now, Pay Later“-Geschäft fressen das Wachstum wieder auf.
Besonders die Kreditverluste haben Klarna zugesetzt. Wer seine Raten nicht bezahlt, sorgt dafür, dass das Geschäftsmodell wackelt. Das Unternehmen hat die Reißleine gezogen und setzt inzwischen auf strengere Bonitätsprüfungen und ein feiner abgestimmtes Risikomanagement.
Erste Fortschritte sind sichtbar: Prozesse laufen schlanker, die Verluste gehen zurück. Von Gewinnen ist noch nicht die Rede, aber die Distanz dorthin schrumpft und das immerhin deutlich schneller als noch vor zwei Jahren.
Wie Klarna im Wettbewerb punkten will
Die Konkurrenz schläft nämlich auch nicht. Affirm ist in den USA präsent, PayPal bastelt an eigenen Ratenmodellen und selbst Banken, die jahrzehntelang unbeweglich wirkten, schieben inzwischen eigene Lösungen an den Start. Klarna setzt dagegen auf ein anderes Spielfeld.
Die App ist nicht bloß ein Bezahldienst, sie soll Shopping-Erlebnis sein: Rabatte, Inspiration und ein Schaufenster für Händler, die ihre Produkte direkt vor Millionen potenzieller Kunden platzieren wollen.
Risiken, die Investoren nicht übersehen dürfen
Trotz des gelungenen IPOs bleibt Klarna kein Selbstläufer. Die Regulierer schauen inzwischen genauer hin, ob Ratenkäufe nicht stärker kontrolliert werden sollten. Strengere Vorschriften könnten den Gewinnpfad verzögern. Gleichzeitig drückt das Zinsumfeld: Kredite werden teurer, Inflation bremst den Konsum, Ausfälle bei Kunden könnten steigen.
Hinzu kommt die operative Seite. Kosten müssen eingefangen, Abläufe optimiert werden, während Mitbewerber unaufhörlich Druck machen. PayPal, Affirm und Banken mit großen Ressourcen arbeiten an ähnlichen Produkten. Wer zu langsam ist, wird überholt. Klarna muss beweisen, dass Marke und Technologie nicht nur Vorsprung verschaffen, sondern diesen auch halten können.
Wo Klarna künftig wachsen und Profit erzielen könnte
Das frische Kapital aus dem Börsengang eröffnet neue Spielräume. Klarna kann international expandieren, neue Produkte entwickeln und vor allem zusätzliche Einnahmequellen aufbauen. Schon jetzt ist Werbung innerhalb der App ein attraktiver Baustein, der Händlern Sichtbarkeit verschafft und Klarna neue Margen sichert. Auch auf der Kostenseite lässt sich noch einiges herausholen. Weniger Zahlungsausfälle, straffere Abläufe und eine klügere Steuerung des Kreditrisikos könnten den Weg in die Gewinnzone beschleunigen.
Für wen die Aktie interessant ist
Die Aktie richtet sich klar an Anleger, die bereit sind, Risiken einzugehen. Wer Stabilität sucht, istlaut Experten bei Visa oder Mastercard besser aufgehoben. Bei Klarna lockt eher die Aussicht auf ein Unternehmen, das den Zahlungsverkehr neu definieren könnte, oder eben scheitert, wenn die Rechnung nicht aufgeht. Es ist ein Investment mit Herzklopfen: volatil, spannend und voller Fragezeichen. Wer Geduld mitbringt und an die Story glaubt, könnte langfristig belohnt werden. Wer dagegen sichere Häfen sucht, wird Klarna als zu wackelig empfinden.
*) Robert Steininger ist Fachautor für u.a. Anlagestrategien und publiziert regelmäßig zu Fachthemen wie Online- und Investment-Strategien, Glücksspielthemen, Krypto und Verhaltensanalyse.
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