Staatsanleihenmärkte: Was ist jetzt eigentlich mit Rezession?

Diverse Faktoren zusammen ergeben ein sehr interessantes Umfeld für aktive Anleger für globale Staatsanleihenmärkte. Von Vikram Aggarwal*

Für die Anleihenmärkte war das Jahr 2023 ein (weiteres) außergewöhnliches Jahr. Entgegen der allgemeinen Erwartung, dass der Zinshöhepunkt überschritten sein würde, wenn die Inflation nachlässt, sind die Zinsen in den Industrieländern hartnäckig hoch geblieben.

An sich scheint alles für eine nahende Rezession zu sprechen. Umso überraschter haben sich die Marktteilnehmer in diesem Jahr angesichts der wiederholt robusten weltweiten Wachstumszahlen – und vor allem der Widerstandsfähigkeit der US-Wirtschaft – gezeigt. Was könnte dieses Muster brechen?

Sind wir bald da?

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Die Zentralbanken der Industrieländer haben in den vergangenen Monaten klar gemacht, dass sie sich dem Höhepunkt ihres Zinszyklus nähern und ihre künftigen Zinsentscheidungen von der Datenlage abhängig machen werden. Meiner Ansicht nach bedarf es einer sehr positiven Wachstumsüberraschung, damit sie von dieser Haltung abweichen.

Wenn man einen makroorientierten Investmentprozess hat, versucht man sich natürlich ein Bild des makroökonomischen Umfelds zu machen. Man analysiert die zukunftsgerichteten Daten und versucht, Wendepunkte zu antizipieren, die zu einer Veränderung des Makroregimes führen könnten, um das eigene Portfolio entsprechend zu positionieren. Diese Frühindikatoren geben schon seit einiger Zeit Warnsignale ab, die eine Rezession erwarten lassen (sogar eine schwere und lang anhaltende Rezession)… doch wenn dann die harten Daten veröffentlicht werden, zeichnen diese ein Bild einer insgesamt robusten Wirtschaft. Diese Divergenz ist zuletzt noch ausgeprägter geworden.

Werden die Zinskurven auf jeden Fall steiler?

Wenn wir einmal von den USA absehen und einen Blick auf die anderen entwickelten Volkswirtschaften werfen, zeigen sich deutlichere Anzeichen von Schwäche. Ich habe mich in letzter Zeit vor allem mit Großbritannien befasst, wo die Arbeitslosenquote auf 4,2% gestiegen ist und für das zweite Quartal ein Beschäftigungswachstum erwartet wurde, aus dem dann aber ein unerwarteter Rückgang wurde. Das könnte Hinweise auf das geben, was andere Industrieländer erwarten könnte.

Ich habe eine harte Landung der Wirtschaft bislang für das wahrscheinlichste Szenario gehalten. Als umsichtiger Investor darf ich die zuletzt starken Konjunkturdaten jedoch nicht außer Acht lassen und halte es jetzt für wahrscheinlicher, dass die Zinsen noch länger erhöht bleiben werden. Das wiederum bedeutet, dass die Zinskurven in den Industrieländern vermutlich deutlich steiler sein sollten, als sie es derzeit sind.

Für einen Investor wie mich, der schwerpunktmäßig in Staatsanleihen investiert, ist eine Positionierung für eine steilere Zinskurve meiner Ansicht nach quasi eine Win-Win-Situation.

Wenn die Zinsen länger höher bleiben sollten, müssten die Zinssenkungen, die derzeit eingepreist sind, wieder ausgepreist werden. Das würde zu einer steileren Zinskurve führen. Falls es hingegen doch zur harten Landung kommen sollte und die Zinsen aggressiv gesenkt werden müssen, würden die Zinsen am kurzen Ende der Kurve sinken und ebenfalls zu einer Versteilung der Zinskurve beitragen.

Vikram Aggarwal über Staatsanleihemärkte

Vikram Aggarwal

Insgesamt gibt es in diesem Anlageuniversum momentan jede Menge Rendite zu vereinnahmen: Anleihen mit A-Rating liefern im Schnitt aktuell hohe einstellige Renditen. Alle diese Faktoren zusammen ergeben ein meiner Ansicht nach sehr interessantes Umfeld für aktive Anleger an den globalen Staatsanleihenmärkten.

*) Vikram Aggarwal ist Investment Manager Fixed Income bei Jupiter Asset Management

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