Sorglosigkeit? – negative Faktoren und Risiken kumulieren sich

Aktuell beobachten wir eine erstaunliche Sorglosigkeit bei Analysten und Investoren, schildert Beat Thoma, CIO bei Fisch Asset Management, Zürich.

Die Gefahren einer abkühlenden Konjunktur und damit tieferen Unternehmensgewinnen sowie gleichzeitig weiter steigende langfristige Zinsen werden mehrheitlich ignoriert und sind an den Aktien- und Kreditmärkten nicht vollständig eingepreist. Die Gefahr negativer Überraschungen wächst damit. Zudem fallen die Geldmengen global weiter und in den USA stehen die Regionalbanken nach wie vor unter Druck.

Der jüngste starke Anstieg der langfristigen Staatsanleihezinsen sorgt hier für massive Kursverluste auf sehr großen Positionen. Dies dürfte zu einem anhaltenden Vertrauensverlust bei Kunden sorgen, verbunden mit einer Ansteckungsgefahr für das gesamte Finanzsystem. Geldmengen und Bankbilanzen waren historisch stets ein guter Frühindikator für die Börsen. In diesem Umfeld müssten die langfristigen Zinsen fallen und dadurch das System stabilisieren, was aber aufgrund restriktiver Geldpolitik und maßloser Staatsverschuldung nicht der Fall ist. Es kumulieren sich damit negative Faktoren und Risiken.

Ein Risikofaktor für die US-Konjunktur ist insbesondere der Faktor Konsum. Obwohl dessen Bedeutung bekannt ist, schenken ihm Investoren nicht immer die gebührende Aufmerksamkeit. Dabei ist bei diesem Thema derzeit viel in Bewegung. Die restriktive Geldpolitik und die seit 18 Monaten steigenden Leitzinsen zeigen bei Konsumenten immer stärker Wirkung. Entsprechend steigt die Zinslast der privaten Haushalte in den USA massiv. Gleichzeitig sind die Überschussersparnisse aus den Pandemie-Hilfsprogrammen mittlerweile ausgegeben. Damit fällt in den kommenden Monaten ein wichtiger Impuls für den privaten Konsum weg. Das ist gefährlich, da sich das verarbeitende Gewerbe bereits im Abschwung befindet. Konsum und Dienstleistungen waren bisher die Stützen der Konjunktur.

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Da gleichzeitig die langfristigen Zinsen ansteigen, wie auch die Hypothekarzinsen, und sich die Liquidität im Bankensystem vermindert, rechnen wir in den kommenden Monaten mit zusätzlichem Druck auf die Konsumenten. Dazu tragen auch die anhaltende Schwäche der US-Regionalbanken bei, die eine restriktivere Kreditvergabe praktizieren dürften bei gleichzeitiger Erhöhung der Kreditzinsen. Ein weiteres Warnsignal sind die wiederholten kurzfristigen – innerhalb von wenigen Minuten – Renditesprünge mit anschließendem Rückfall am US-Staatsanleihemarkt. Solche ‚Flash-Crashs‘ waren in der Vergangenheit stets Vorboten einer Liquiditätskrise.

Da die Wahrscheinlichkeit negativer Überraschungen an den Finanzmärkten groß bleibt, bevorzugen wir unverändert eine defensive Positionierung. Unserer Ansicht nach ist es aktuell nicht der richtige Zeitpunkt, um höhere Risiken einzugehen. Momentan sehen wir Wandelanleihen als sinnvolles Anlageinstrument an, um solche schwierigen Marktphasen zu meistern. Denn auch bei einem – wider Erwarten – anhaltenden Aufschwung profitieren Anleger, sind jedoch bei einem Abschwung zu einem gewissen Grad durch den Bond Floor geschützt. Hier kann ein Tausch von direkten Aktieninvestments in Wandelanleihen eine Verbesserung des Chancen-Risikoprofils bringen.

Beat Thoma, Fisch AM, sieht akute Sorglosigkeiten an vielen Märkten

Beat Thoma, Fisch AM

Im reinen Anleihesegment finden Investoren bei High Yield wie auch bei Investment Grade Unternehmensanleihen ansprechende laufende Renditen. Generell würden wir angesichts der zunehmenden Unsicherheiten einen Teil des Pulvers noch trocken halten. Sollte es zur erwarteten Korrektur kommen, kann entsprechend bei niedrigeren Kursen schrittweise investiert werden. Da die Inflationsentwicklung unserer Ansicht nach global unter Kontrolle ist, dürfte es in der ersten Jahreshälfte 2024 zu Zinssenkungen kommen, um die Konjunktur zu stabilisieren. Erfahrungsgemäß hilft dies sowohl den Aktien- als auch den Anleihemärkten.

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