Rückschlagrisiken und attraktive Opportunitäten am Kapitalmarkt

Trotz einiger Rückschlagrisiken sind einzelne attraktive Opportunitäten am Kapitalmarkt vorhanden, insbesondere im Rentenbereich. Von Desirée Sauer*

Auch wenn sich die Märkte in verschiedenen Geschwindigkeiten von den Erschütterungen der letzten Jahre erholen, so pendeln sich die Kerninflationsraten auf einem insgesamt hohen Niveau ein. Anleger fragen sich, wie es unter diesen Umständen mit dem globalen Wirtschaftswachstum weitergeht, denn eine Reihe von Risiken mit Blick auf die zukünftige Marktentwicklung sind nicht von der Hand zu weisen. Doch es gibt auch Chancen.

In den letzten drei Jahren hat die globale Wirtschaft vier Erschütterungen erlebt: die Corona-Pandemie, den Krieg Russlands gegen die Ukraine, massive Konsumentenpreissteigerungen und die Turbulenzen im Bankensektor. Während die Negativfolgen der Pandemie seit dem letzten Jahr zunehmend nachlassen und der Krieg in der Ukraine immer mehr in den Hintergrund gerät, nehmen die beiden anderen Schocks großen Einfluss. Die Kapitalmarktentwicklung ist im Wesentlichen davon abhängig, wie schnell die Inflationszahlen zurückgingen, und ob die Ängste vor einer Bankenkrise nach der Rettung der Crédit Suisse in absehbarer Zeit abklingen.

Systematische Bankenkrise eher unwahrscheinlich

Wir blicken leicht besorgt auf den Bankensektor, der nach dem Kollaps dreier US-Banken und der strauchelnden Crédit Suisse, die letztlich durch die Zwangsübernahme durch die UBS vor dem Kollaps gerettet wurde, ins Wanken geriet. Dennoch stehen die Banken durch eine starke Kapitalausstattung und hohe Liquiditätsquoten auf solider Basis und auch den politischen Entscheidungsträgern liegt daran, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um die Situation im Markt zu sichern und eine Pleitewelle zu verhindern.

Solange die Banken – auch dank der Zentralbanken – über ausreichend Liquidität verfügen, sollte es keine weitere Bank Pleite gehen. Aber eine gewisse Unsicherheit bleibt bestehen. Eine systematische Bankenkrise kann voraussichtlich umgangen werden. Gleichzeitig richtet sich der Marktfokus schnell wieder auf die Inflation und die Zentralbankpolitik, sofern sich die Situation im Bankensektor beruhigt.

Kerninflation bleibt hartnäckig hoch

Der Höhepunkt der Headline-Inflation ist auf beiden Seiten des Atlantiks nun erreicht. Jedoch müsse berücksichtigt werden, dass strukturelle Effekte einen großen Einfluss auf die momentane Situation haben könnten. Besonders die Kosten des Klimawandels oder die Kosten der Deglobalisierung werden zunehmend Preisdruck ausüben und die Kerninflationsrate hartnäckig hochhalten. Auch die sehr enge Situation auf dem Arbeitsmarkt wird einen zusätzlichen Preisdruck mit sich bringen und das ist mittlerweile nicht mehr nur ein Problem in den USA, sondern auch in der Eurozone.

Während also die Gesamtinflation in diesem Jahr weiter nach unten tendieren dürfte, erwarten wir für die kommenden Monate eine sich verfestigende Kerninflation. Die Zielmarke der FED und der EZB von 2% bleibt nach wie vor in weiter Ferne. Die Härte des Vorgehens ist maßgeblich von der gesamtwirtschaftlichen Verfassung abhängig und davon, ob es gelingen wird, die Turbulenzen im Bankensektor schnell ad acta zu legen.

Rezessionssorgen sind nicht verschwunden

Gleichzeitig ist zu erkennen, dass durch die restriktive Politik der EZB die erwartete ‚Mega-Rezession‘ sehr unwahrscheinlich geworden sei. So ist die globale Wirtschaft bisweilen robust, und auch die Wiederbelebung der chinesischen Wirtschaft und das Ausbleiben einer Energiekrise in Europa haben die Aussichten für das weltweite Wachstum ein Stück weit verbessert – die Chance einer recht milden Rezession ist erhöht. Immer vorausgesetzt, dass sich der Bankensektor wieder fängt und es zu keiner weiteren Eskalation des Krieges kommt.

Foto: © Lucia – stock.adobe.com

Rentenmarkt bietet Anlegern Lichtblicke trotz Risiken

Die attraktiven Renditen und die bereits vollzogene Einpreisung weiterer Zinsschritte werden Investoren gute Aussichten bieten. Hierdurch wird sich erkennen lassen, dass die stark angestiegenen Renditen mittlerweile über den Anlagezielen der meisten Investoren liegen.

Wir präferieren derzeit Investment Grade- gegenüber High Yield-Anleihen, denn die schärferen Finanzierungsbedingungen könnten im weiteren Verlauf zum Problem für einige High Yield-Emittenten werden. Davon ausgenommen sind unserer Meinung nach nordische High Yield-Anleihen, die neben einer attraktiven Rendite, eine geringe Duration (kleiner eins) und einen echten Diversifikationsvorteil bieten.

Generell hätten die steigenden Zinsen dazu geführt, dass Anleihen gegenüber Aktien an relativer Attraktivität zugenommen haben. Für Aktien sind wir derzeit wenig(er) positiv gestimmt. Wir gehen davon aus, dass viele institutionelle Investoren ihre Aktienquote zugunsten von (Investment Grade-)Anleihen abbauen werden. Die Bewertungen sind seit letztem Jahr zwar tendenziell etwas zurückgekommen, aber in Hinblick auf die konjunkturelle Unsicherheit nach wie vor hoch. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Fokus auf Qualität unabdingbar.

 

Fazit

Die Risiken sind derzeit stark ausgeprägt: Hohe Inflationszahlen, eine restriktive Zentralbankpolitik, ein taumelnder Bankensektor und die Rezessionsgefahr erschweren die Kapitalanlage. Das Fazit ist, dass trotz der Rückschlagrisiken einzelne attraktive Opportunitäten am Kapitalmarkt vorhanden sind, insbesondere im Rentenbereich.

*) Desirée Sauer ist Investmentstrategin bei Lazard Asset Management

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