Risiko, im Jahresverlauf auf dem falschen Fuß erwischt zu werden

Die Gefahr besteht, 2024 auf dem falschen Fuß erwischt zu werden: im Risikoszenario eines inflationären Booms. Von Dr. Daniel Hartmann*

Das Jahr 2024 hat bislang viel Positives für Risikoassets parat gehalten. Die Konjunkturdaten überraschten mehrheitlich positiv. Allen voran ist die US-Wirtschaft mit Schwung ins neue Jahr gestartet. Gleichzeitig bleibt der globale Disinflationstrend intakt, auch wenn die Januar-Inflationsdaten in den USA und der Eurozone etwas höher ausfielen als erwartet. Alles in allem kommt das aktuelle Umfeld bereits dem nahe, was gemeinhin als Goldilocks bezeichnet wird. Ein solcher Rahmen, der durch maßvolles Wachstum und Inflation gekennzeichnet ist, lässt einerseits die Kassen der Unternehmen klingeln und eröffnet andererseits den Notenbanken den Spielraum, die Leitzinsen zu senken – beides spielt Aktien in die Karten.

Der aktuell konstruktive Rahmen für Aktien dürfte noch einige Wochen anhalten. Neben dem fundamentalen spricht dafür auch das freundliche technische Umfeld. Die globalen Aktienmärkte sollten deshalb neue Rekorde ins Visier nehmen, der DAX auf 17.700 Punkte und der S&P500 auf 5.200 Punkte zusteuern. Auch bei den Staatsanleiherenditen ist ein nochmaliges Zucken nach oben, das die Renditen 10-jähriger Bundesanleihen sogar über 2,50% schieben könnte, nicht auszuschließen. Allerdings gehen wir davon aus, dass die Februar-Inflationsdaten wieder freundlicher ausfallen und somit die Bondmärkte von dieser Seite gestützt werden. In Anbetracht dessen ist kurzfristig eine volatile Seitwärtsbewegung bei Staatsanleihen das wahrscheinlichste Szenario.

Gut zu Fuß? - Hauptsache im Gleichgewicht

Das nahezu optimale Umfeld für Risikoassets wird aber nicht das ganze Jahr über anhalten. Spätestens im Sommer dürfte es zu einem Regimewechsel kommen – doch in welche Richtung? Zweifellos hat die US-Wirtschaft die scharfe geldpolitische Restriktion der vergangenen zwei Jahre besser weggesteckt als erwartet. Eine Rezession scheint aus heutiger Sicht abgewendet. Dennoch bleibt es wahrscheinlich, dass sich die US-Konjunktur im Jahresverlauf abkühlt. Einerseits sind die geldpolitischen Bremseffekte weiterhin wirksam, andererseits verlieren die Fiskalimpulse aus den Jahren 2020/21 immer mehr an Kraft. Unser Basisszenario ist daher, dass die US-Wachstumsraten im 2. Halbjahr unter die Potenzialrate fallen.

Kommt es zu einer konjunkturellen Abkühlung in den USA, wird darunter auch die Eurozone leiden. Die wirtschaftliche Belebung dürfte noch blutleerer ausfallen als ohnehin erwartet. Gleichzeitig wird es den Unternehmen in Anbetracht der lahmenden Weltwirtschaft schwerfallen, höhere Preise durchzusetzen. Der Disinflationstrend bekommt von dieser Seite einen weiteren Schub.

In einem solchen Umfeld, das durch eine schwache Konjunktur und rückläufige Teuerungsraten geprägt ist, können die Notenbanken die Leitzinsen auf ein neutrales Niveau zurückfahren – wohl aber nicht viel tiefer. Das Potenzial für Leitzinssenkungen liegt in diesem Fall in den USA bei mindestens 200 Basispunkten und in der Eurozone bei 150 Basispunkten. Das ist mehr, als derzeit an den Geldterminmärkten eingepreist ist (jeweils rund 90 bis 100 Basispunkte in den USA und der Eurozone).

Entsprechend haben die Renditen von Staatsanleihen noch Luft nach unten. Allerdings ist das Ausmaß begrenzt, wenn es zu keinem scharfen Einbruch der Weltwirt-schaft kommt. Mithin sehen wir die Renditen 10-jähriger deutscher Bundesanleihen zum Jahresende rund 40 bis 50 Basispunkte tiefer als aktuell und damit leicht unter der 2,0%-Marke. 10-jährige US-Treasuries dürften etwa 80 Basispunkte niedriger rentieren, was einem Renditeniveau von rund 3,50% entspricht. […]

Dem beschriebenen Basisszenario steht ein gewichtiges Risikoszenario gegenüber. Die US-Wirtschaft hat sich bislang widerstandsfähiger gezeigt als gedacht. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die restriktiven monetären Impulse letztendlich wirkungslos verpuffen und somit die US-Wirtschaft das gesamte Jahr über mit 2% bis 3% expandiert. Im Einklang damit dürfte der Arbeitsmarkt eng und der Lohndruck hoch bleiben. Somit besteht die Gefahr, dass die US-Inflationsraten wieder nach oben drehen, noch bevor sie die 2%-Marke erreicht haben. […]

Dr. Daniel Hartmann

Fazit

Aktien sollten nach einem fulminanten Auftakt im Jahresverlauf unter Druck geraten, was sowohl unser Basis- als auch unser Risikoszenario nahelegt. Gegenwind droht von einer Wachstumsabkühlung oder wieder aufkommenden Inflationsängsten. Für Staatsanleihen ist der Ausblick vielschichtiger. Schwächt sich die Weltwirtschaft ab, ist auch wegen weiter abnehmender Teuerungsraten von sinkenden Renditen auszugehen. Im Risikoszenario eines inflationären Booms dürfte aber das genaue Gegenteil eintreten. Alles in allem ist die Gefahr groß, dieses Jahr auf dem falschen Fuß erwischt zu werden. Speziell bei Staatsanleihen sind somit eine genaue Beobachtung des konjunkturellen Trends und höchste Flexibilität in der Ausrichtung erforderlich.

*) Daniel Hartmann ist Chefvolkswirt von BANTLEON, www.bantleon.com

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