
Gute Vorbereitung ist die beste Absicherung, damit ein klarer Anspruch nicht an formalen Hindernissen im Ausland scheitert. Von Dr. Tobias Moser und Dr. Fabian Wirths*
>> aus BondGuide 17-2025 vom 22. Aug. <<
Rechte aus einer Anleihe wirken häufig eindeutig: Ein Anspruch auf Zins- und Rückzahlung, ein Recht auf Information und Auskunft oder ein Kündigungsrecht im Falle eines Verstoßes gegen die Anleihebedingungen. Doch zwischen der rechtlichen Anspruchsgrundlage und ihrer praktischen Durchsetzung bestehen oft erhebliche Hürden – besonders wenn die Emittentin im Ausland ansässig ist. Dann können oft mehrere Rechtsordnungen parallel anzuwenden sein.
Daraus ergeben sich nicht selten komplexe Fragestellungen – etwa bei förmlichen Schritten wie Zustellungen oder bei prozessualen Themen wie Gerichtsverfahren und Vollstreckung. Selbst wenn die Rechtslage auf den ersten Blick eindeutig erscheint, kann der Weg zur effektiven Durchsetzung von Ansprüchen steinig sein.
Anwendbares Recht und Umsetzung in der Praxis
Das auf eine Anleihe anwendbare Recht bestimmt, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Gläubigerrecht – beispielsweise das Kündigungsrecht – besteht und welche Formvorschriften zu beachten sind. In den meisten Fällen enthalten die Anleihebedingungen eine sog. Rechtswahlklausel. Sie bestimmt, welches materielle Recht auf die Anleihe Anwendung findet und schafft damit eine gewisse Rechtssicherheit für die Vertragsparteien. Allerdings ersetzt sie nicht die Beachtung zwingender Vorschriften des jeweiligen Empfangs- oder Vollstreckungsstaates – ein Punkt, der in der Praxis oft übersehen wird.
Die tatsächliche Durchsetzung eines Anspruchs richtet sich meist nach dem Recht des Staates, in dem die Maßnahme wirksam werden soll. Dies kann andere Formvorschriften, Nachweispflichten oder Zustellwege bedeuten. Diese oft unscheinbare Trennlinie zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht ist leicht zu übersehen – kann aber im Ernstfall darüber entscheiden, ob eine Maßnahme rechtlich greift oder ins Leere läuft.
Zustellung ins Ausland
Soll eine Erklärung – etwa eine Kündigung oder ein anwaltliches Aufforderungsschreiben – an eine ausländische Emittentin zugestellt werden, sind die Zustellungsvorschriften des Empfangsstaates maßgeblich. Dies erfordert oft zusätzlichen organisatorischen Aufwand, etwa bei der Wahl des Zustellwegs, der eindeutigen Feststellung der Anschrift und der Beachtung lokaler Besonderheiten wie Feiertagen.
Ähnliche Herausforderungen treten insbesondere bei der Vorbereitung gerichtlicher Schritte auf, wenn belastbare Nachweise gefragt sind. Während in manchen Ländern eine elektronische Übermittlung oder ein einfaches Schreiben genügt, sind andernorts nur bestimmte förmliche Zustellungen rechtswirksam. Werden diese Vorgaben nicht beachtet, kann die Erklärung als ‚nicht zugegangen‘ gelten – selbst, wenn sie inhaltlich völlig berechtigt ist. Im Streitfall kann das zur Folge haben, dass sogar ein deutsches Gericht gezwungen ist, über die Wirksamkeit der Zustellung im Ausland nach dem maßgeblichen ausländischen Recht zu befinden – eine zusätzliche juristische Hürde, die nicht unterschätzt werden sollte.
Gerichtsverfahren und internationale Zuständigkeit
Bei Streitigkeiten stellt sich zunächst die Frage nach der zuständigen Gerichtsbarkeit. Auch hier lohnt sich ein Blick in die Anleihebedingungen, die häufig sog. Gerichtsstandsvereinbarung beinhalten, die alle oder bestimmte Streitigkeiten einem bestimmten Gericht zuweisen. Fehlt eine solche Gerichtsstandsvereinbarung, greifen die internationalen Zuständigkeitsregeln, um zu bestimmen, welches Gericht angerufen werden kann oder muss.
Innerhalb der EU kommen dabei verschiedene Regelwerke und internationale Übereinkommen zum Einsatz – etwa die Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (EuGVVO, auch Brüssel-Ia-Verordnung genannt), das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen, das Luganer Übereinkommen (LugÜ) und weitere. Jedes dieser Regelwerke hat eigene Voraussetzungen und Anknüpfungspunkte, die sorgfältig geprüft werden müssen. Außerhalb der EU kommen nationale Regeln und bilaterale Abkommen zum Tragen.
Für Anleger ist wichtig: Selbst, wenn die Anleihe deutschem Recht unterliegt, bedeutet dies nicht zwingend, dass ein deutsches Gericht für den Streit zuständig ist – oder dass ein deutsches Urteil im Ausland ohne weiteres vollstreckbar wäre.
Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile
Die internationale Durchsetzung von Ansprüchen stellt weitere Herausforderungen dar – insbesondere bei der zwangsweisen Durchsetzung im Wege der Vollstreckung. Nach deutschem Recht ist hierfür ein sog. Vollstreckungstitel erforderlich. Grundlage sind gemäß § 706 Zivilprozessordnung (ZPO) in der Regel Endurteile, die rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt wurden. Doch ein in Deutschland erstrittenes Urteil gegen eine im Ausland ansässige Emittentin entfaltet im Sitzstaat nicht in jedem Fall Wirkung.
Innerhalb der EU erleichtert die Brüssel-Ia-Verordnung die Anerkennung und Vollstreckung erheblich. Art. 36 Brüssel-Ia-Verordnung regelt, dass die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf.
Außerhalb der EU sind oft separate Anerkennungsverfahren erforderlich, verbunden mit Übersetzungen, Legalisationen und strengen Formvorschriften, was zusätzliche Zeit und Kosten verursacht. Ohne diese Anerkennung bleibt ein Titel im Ausland faktisch wirkungslos – selbst wenn die Rechtslage eindeutig ist. Deshalb sollte bereits vor Einleitung eines Verfahrens geprüft werden, ob und wie ein Urteil ggf. am Sitzstaat der Emittentin rechtlich durchgesetzt werden kann.
Praxistipps für Anleger
– Gegebenenfalls mehrere Rechtsordnungen bedenken: Das Anleiherecht und das Recht am Sitzstaat der Emittentin.
– Zustellung absichern und mit Nachweisen arbeiten: Die Zustellvorschriften prüfen und, falls nötig, mehrere Zustellwege gleichzeitig nutzen, um unnötige Risiken zu vermeiden.
– Vollstreckung frühzeitig planen: Bereits vor einer Klage prüfen, ob und unter welchen Bedingungen ein Urteil im Ausland anerkannt und vollstreckt werden kann.
Fazit
Rechte von Anleihegläubigern enden nicht an der Landesgrenze – wohl aber können sie dort auf neue rechtliche und praktische Hürden stoßen. Das materielle Recht der Anleihe und das Verfahrensrecht des Sitzstaates der Emittentin müssen zusammengedacht werden. Wer frühzeitig klärt, welche Zustell-, Zuständigkeits- und Vollstreckungsregeln gelten, und sich gegebenenfalls lokaler Expertise bedient, erhöht die Erfolgsaussichten erheblich. Im Zweifel gilt: Gute Vorbereitung ist die beste Absicherung, damit ein klarer Anspruch nicht an formalen Hindernissen im Ausland scheitert.
*) Dr. Tobias Moser ist Partner und Dr. Fabian Wirths Associate, beide DMR Rechtsanwälte Moser Degenhart Ressmann PartG mbB, München.
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