Reale und digitale Welten verschmelzen längst im Metaverse

Das Metaverse hat mit seinen gemeinsam genutzten virtuellen und immersiven Online-Welten nicht nur die Aufmerksamkeit von Gamern auf sich gezogen. Von Dina Ting*

Auch wenn Aktien aus dem Metaverse-Sektor unter der jüngsten Krise im Technologiesektor gelitten haben, entwickeln sich die Innovationen von Unternehmen und Inhaltsproduzenten weiter. So wurde beispielsweise dem Thema KI (Künstliche Intelligenz) in letzter Zeit enorm viel Beachtung geschenkt. Allein die Erwähnung von KI in den Earnings Calls hat seit Beginn des Jahres um 75% zugenommen.[1]

Das Thema wird zunehmend global und in immer mehr Branchen diskutiert. Die neue Welle von generativen KI-Systemen wie ChatGPT und DALL-E beruht auf der Nutzung von Deep-Learning-Netzwerken für die innovative Erstellung von Inhalten und die Automatisierung von Arbeitsabläufen. Auch Investoren richten ihr Augenmerk verstärkt auf diese Technologie, die bereits reichlich Kapital angezogen hat.

Im vergangenen Jahr haben etwas mehr als 100 auf generative KI ausgerichtete US-Startups 2,6 Mrd. USD an Investitionen angezogen, und die Schätzungen für die Finanzierungsaussichten in diesem Jahr fallen ähnlich aus.[2] Die KI-Technologie ist nicht nur der Schlüssel zum Aufbau und Betrieb des Metaverse, sondern auch ein Bereich, der parallel zu immersiven Technologien zu expandieren scheint. Beide Themen finden zunehmend Anwendung in der Industrie, beispielsweise in den Bereichen Datenanreicherung, Chipdesign, Medikamentenentwicklung und Materialwissenschaften.

Wachstumsraten mit denen des Internets vergleichbar

Die Entwicklung des Metaverse steht zwar noch am Anfang und ist eher lückenhaft, doch das könnte sich schnell ändern. Der gesamte adressierbare Metaverse-Markt könnte gemäß Citi bis 2030 schätzungsweise bis zu 5 Mrd. Nutzer – und damit knapp 63% der Weltbevölkerung – umfassen und Umsätze zwischen 8 und 13 Bio. USD generieren.[3] Aber bereits vorher werden 25% der Menschen mindestens eine Stunde täglich im Metaverse verbringen, prognostiziert das Marktforschungsunternehmen Gartner.[4] Um dieses Wachstum und Potenzial richtig einzuordnen: Fast 64% der Weltbevölkerung nutzt derzeit das Internet, wobei die meisten Nutzer (3 Mrd.) im letzten Jahr auf Asien entfielen.[5]

Natürlich ist das Metaverse-Kontinuum nicht frei von Skeptikern, die fürchten, dass es derzeit mehr Hype als tatsächliche Anwendungsfälle gibt. Zugegeben, der Name Metaverse selbst lässt die Idee surreal erscheinen. Doch selbst jetzt, da die Entwicklung noch in den Kinderschuhen steckt, hat sich die Wettbewerbslandschaft bereits verändert. Wir erleben bereits, wie reale und digitale Welten miteinander verschmelzen, indem beispielsweise der Hometrainer im Keller durch die Pyrenäen radelt.

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Virtuelle Welten werden realen Einfluss haben

Während die Unterhaltungsmöglichkeiten (Spiele und soziale Kontakte) in den Metaverse-Welten wohlbekannt sind, liegt das weitere Potenzial der Technologie in den Möglichkeiten, die sie der Industrie bietet. Ein Unternehmen, das die Fertigung eines neuen Produkts plant, kann jetzt ausgereiftere Formen der virtuellen Realität (VR) nutzen, um die Konstruktionspläne effizienter und in engerer Zusammenarbeit zu perfektionieren.

Allein in der Automobilindustrie gibt es bereits zahlreiche Einsatzgebiete für das Metaverse. Der deutsche Fahrzeughersteller BMW nutzt für die Anpassung seiner Werke an neue Konstruktionen einen ‚digitalen Zwilling‘, der es ermöglicht, dass sich verschiedene Produktionsstandorte miteinander synchronisieren und wechselseitig von den Ergebnissen profitieren. Und wie es im Slogan von Meta heißt (‚Das Metaversum mag nur virtuell sein, aber es wird einen realen Einfluss haben‘), stellen die erheblichen Einsparungen von Zeit und Produktionskosten für Investoren einen echten Wert dar.

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Aber es gibt noch weitere neue Anwendungsfälle: Neurochirurgen der Johns Hopkins University nutzen bereits Augmented Reality, um Wirbelsäulenoperationen durchzuführen. Letztes Jahr hat die National Aeronautics and Space Administration (NASA) einen Wettbewerb zur Programmierung einer Metaverse-Umgebung gestartet, und auch die US Army und die örtlichen Strafverfolgungsbehörden haben ihre Initiativen zur Rekrutierung und Ausbildung in virtuellen Welten ausgeweitet. In Südkorea, einem globalen Zentrum der Innovationskraft, laufen mehrere Regierungs- und Unternehmensinitiativen, darunter das Metaverse Seoul, das Nutzern Zugang zu öffentlichen Diensten ermöglicht, indem es beispielsweise Avataren erlaubt, Termine beim Finanzamt wahrzunehmen.

Zu den Taktgebern des Metaverse-Universum gehören Unternehmen wie Meta. Und natürlich die Plattform selbst. Zu nennen ist auch Roblox oder Riot Games, die einen Bereich schaffen, in dem die Leute spielen und verschiedene Tools nutzen können. Hinzukommen Enabler, die Ermöglicher, wie NVIDIA, die Software entwickelt haben, die es all diesen Unternehmen erlaubt, sowohl in der virtuellen Welt als auch in der realen Welt zusammenzuarbeiten.

Last but not least, die Payment Enabler, die im Zahlungsverkehr aktiv sind, weil sich der Handel im Metaverse abspielt. Diese Unternehmen helfen bei der Abwicklung von Zahlungen, unabhängig davon, ob sie dies mit Kryptowährungen durchführen oder ein traditionelles Finanzdienstleistungsunternehmen sind.

Dina Ting, Franklin Templeton

Alle diese Bereiche werden sich weiterentwickeln, und jeder wird einen anderen Zugang zum Metaversum haben, was der Zukunft noch mehr spannende Möglichkeiten eröffnet.

*) Dina Ting ist Head of Global Index Portfolio Management bei Franklin Templeton ETFs

[1] Quelle: MarketWatch. „Tech execs didn’t just start talking about AI, but they are talking about it a lot more“, 7. März 2023.

[2] Quelle: CB Insights. 25. Januar 2023.

[3] Quelle: Citi GPS: Global Perspectives and Solutions, März 2022. Es kann nicht zugesichert werden, dass sich Prognosen, Schätzungen oder Hochrechnungen als richtig erweisen.

[4] Quelle: Pressemitteilung von Gartner. „Gartner Predicts 25% of People Will Spend At Least One Hour Per Day in the Metaverse by 2026“, 7. Februar 2023. Es kann nicht zugesichert werden, dass sich Prognosen, Schätzungen oder Hochrechnungen als richtig erweisen.

[5] Quelle: Statista, Februar 2023.

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