Historischer Einbruch der Baugenehmigungen: Wo liegen trotzdem Chancen?

Hohe Zinsen, teure Materialien: Die Zahl der Baugenehmigungen sinkt dramatisch – und das bei weiter steigenden Zuzugszahlen nach Deutschland. Von Janina Ellen Sari*

Für 24.500 Wohnungen wurden im März 2023 in Deutschland Baugenehmigungen erteilt. Das waren fast 30% weniger als im März des Vorjahres, meldete zuletzt das Statistische Bundesamt. Damit verstärkt sich ein Negativtrend, der bereits seit Mai 2022 anhält: Monat für Monat liegt seitdem die Zahl der Baugenehmigungen unter der des Vorjahresmonats.

Zugleich entfernt sich die Bundesregierung immer weiter von ihrem Neubauziel mit 400.000 Wohnungen pro Jahr. Mai 2022 ist zugleich kein Zufall: Vom Ausbruch des Kriegs in der Ukraine Ende Februar vergangenen Jahres ist auch das Baugeschäft massiv betroffen. Relevante Lieferketten sind gestört, die Zinsen und vor allem die Energiekosten für die energieintensive Baubranche durch die Decke geschossen. Bauen ist wesentlich teurer und unkalkulierbarer geworden – die Folgen zeigen sich in der stark rückläufigen Zahl an Baugenehmigungen.

Einen solchen Rückgang gab es zuletzt im Jahr 2007. Viele Bauherrinnen und Bauherren halten ihre Projekte zurück oder streichen sie komplett. Der von der Bundesregierung erhoffte Neubau gerät so bundesweit extrem ins Stocken.

Geringe Neubautätigkeit trifft auf massiven Zuzug

Lageverschärfend kommt hinzu, dass auf der anderen Seite der Bedarf massiv wächst, gerade im Bereich der günstigeren Zwei- und Dreizimmerwohnungen. Allein im Januar 2023 gab es einen Wanderungsüberschuss von 78.000 Menschen nach Deutschland. Zum Vergleich: Im Januar 2022 lag dieser Wert bei nur exakt der Hälfte: 39.000. Allein aus der Ukraine sind 2022 mehr als 1 Mio. Menschen nach Deutschland gekommen. Viele davon können auf absehbare Zeit nicht zurück und benötigen daher für sich und ihre Familien angemessene Wohnungen.

Foto: © PantherMedia/kaetana

Verlierer der Marktentwicklung sind die Mieter

Geringe Neubautätigkeiten und hohe Nachfrage: Das ist der ideale Mix für weiter steigende Mieten und damit auch Mietrenditen. Keine Gewinner der aktuellen Dynamik am Markt sind also in erster Linie Mieter, die durch die Verknappung des Wohnraums höheren Mietkosten ausgesetzt sind.

Gleichzeitig gewinnt auf Immobilieninvestorenseite der Bestand deutlich an Bedeutung. Es muss schließlich nicht immer ein kompletter Neubau sein. Energetisch sanierte Objekte haben weiterhin eine hohe Nachfrage. Wer bereits als Vermieter im Besitz einer solchen Immobilie ist, sollte deutlich weniger Probleme haben, diese zu attraktiven Konditionen zu veräußern oder gute Mieten zu erzielen.

Und umgekehrt bieten sich potenziellen Käufern langfristig gute Chancen. Denn die Nachfrage nach Wohnraum bleibt hoch und wird tendenziell in vor allem den Top 7 und attraktiven B-Städten weiter steigen. Energetisch sanierte Objekte punkten hier zusätzlich mit geringeren Nebenkosten, so dass Vermieter bessere Kaltmieten durchsetzen können.

B-Standorte locken mit deutlich besseren Renditen

Der vielfach zu lesende Abgesang auf den deutschen Immobilienmarkt ist damit für den Mietwohnungsbereich völlig unangebracht. Gerade B-Standorte – also prosperierende Städte in der zweiten Reihe – profitieren davon. Anders als in den Top-7-Städten Hamburg, Berlin, Köln, Düsseldorf, Frankfurt am Main, München und Stuttgart sind dort zudem die Kaufpreise noch erschwinglich – und damit die Renditeaussichten für Vermieterinnen und Vermieter deutlich attraktiver.

Janina Ellen Sari

Die Attraktivität einer Immobilie – egal ob Ein-, Zwei- oder Mehrfamilienhaus – definiert sich dabei über die Frage der Vermietung. Solange ein stabiles Bevölkerungswachstum die Nachfrage hochhält und die Randbedingungen des jeweiligen Standortes, allen voran eine moderne Infrastruktur, auf aktuellem Stand sind, spricht vieles für eine langfristige Vermietbarkeit.

*) Janina Ellen Sari ist Head of Mortgage bei der Immobilienplattform Urbyo

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