Herausforderndes Umfeld – in dem Schwellenländeranleihen auch Chancen eröffnen

Die zweite Jahreshälfte 2023 wird für Anleger eine Herausforderung sein. Dennoch könnten sich bei Schwellenländeranleihen auch Chancen ergeben. Von Denise Simon*

Grund dafür ist eine Kombination aus rückläufigem Wachstum und restriktiven monetären Bedingungen in den USA und Europa: Da bleibt wenig Spielraum für Fehler durch politische Ereignisse oder makroökonomische Schocks. Dennoch könnten sich vor diesem Hintergrund bei Schwellenländeranleihen auch Chancen ergeben.

Die Ausgangslage ist recht positiv: Schwellenländeranleihen haben im zweiten Quartal 2023 ihre Gewinne weiter ausbauen können. Die Renditen in allen Segmenten der Anlageklasse sind positiv ausgefallen, trotz der erheblichen Volatilität der US-Staatsanleiherenditen. Bei EM-Staats- und Unternehmensanleihen wurden die Auswirkungen höherer Treasury-Renditen durch eine Verengung der Creditspreads ausgeglichen, während EM-Lokalwährungsanleihen die wichtigsten Anleihemärkte übertreffen konnten. Das war fast ausschließlich auf niedrigere Renditen zurückzuführen. Die Währungen der Schwellenländer hielten sich gegenüber dem US-Dollar in etwa unverändert und entsprachen damit dem US Dollar Index.

Zinssenkungen ab dem dritten Quartal?

Foto: © Sarun – stock.adobe.com – Thailand

In der zweiten Jahreshälfte könnten die Schwellenländer von der Geldpolitik ihrer Zentralbanken profitieren. Denn anders als in den Industrieländern hatten diese zügig auf den globalen Inflationsschub reagiert und im ersten Quartal 2021 eine bemerkenswerte Serie von Zinserhöhungen eingeleitet, die bis Ende 2022 / Anfang 2023 andauerte. Dadurch haben die Emerging Markets – im Gegensatz zu den Industrieländern – insgesamt in den letzten fünf Monaten eine rückläufige Kerninflation verzeichnen können.

Wir erwarten deshalb, dass in den nächsten Wochen nahezu alle Zentralbanken der Schwellenländer (bis auf Thailand und Südafrika) ihre Zinserhöhungszyklen abschließen werden: Wir glauben, dass die Zentralbanken der Schwellenländer am Rande eines Zinssenkungszyklus stehen, der im dritten Quartal 2023 beginnen und bis weit in das Jahr 2024 hinein andauern wird. China hat bereits mit Zinssenkungen begonnen, und wir gehen davon aus, dass die Länder Lateinamerikas und Osteuropas diesem Beispiel folgen werden.

In der Vergangenheit sind vom Ende der Zinserhöhungszyklen bis zum Ende der Zinssenkungszyklen übermäßige Durationsgewinne aufgetreten. Wir gehen von einer Wiederholung dieses Musters aus und richten die Anlagestrategie entsprechend aus: Die lukrativste Gelegenheit liegt derzeit in Schwellenländeranleihen in Lokalwährung, wo Anleger von hohen Nominalrenditen, hohen Realrenditen und bevorstehenden Zinssenkungen profitieren können.

Risiko einer Rezession der Industrieländer

Driften die Wachstumsgeschwindigkeiten zwischen Schwellen- und Industrieländern auseinander, werden in der Regel die Währungen der Emerging Markets profitieren. Die derzeitige Wachstumsverlangsamung ist auf negative Faktoren in den entwickelten Ländern zurückzuführen. Sollten die Industrieländer in eine Rezession rutschen, werden auch die Währungen der Schwellenländer anfällig: Die Währungen der Industrieländer neigen bei einer ‚Flucht in Sicherheit‘ dazu, Kapitalströme zu absorbieren. Daher konzentrieren wir uns darauf, in Bezug auf den US-Dollar beta-neutral zu sein und Währungspaare zu isolieren, die auf einer relativen Wertbasis auseinandergedriftet sind.

Die Gefahr einer globalen Wachstumsverlangsamung bestimmt auch die Allokation: Hochverzinsliche und Distressed Anleihen erscheinen zwar günstig, aber schwächere Kredite sind auch am anfälligsten für eine globale Wachstumsverlangsamung. Aus diesem Grund haben wir unsere aktiven Übergewichtungen im BB-Sektor konzentriert, während wir im qualitativ niedrigen Creditsegment sowohl bei Staats- als auch bei Unternehmensanleihen nur kleinere Positionen halten. Aufgrund der hohen Spreads bei A- und BBB-Anleihen bleiben wir bei der Duration untergewichtet, während wir die Duration von US-Staatsanleihen übergewichten.

Denise Simon, Lazard AM

Bei Unternehmensanleihen bevorzugen wir kürzere Durationen: Bei diesen Instrumenten können wir von ihrem Pull-to-Par, ihren Tilgungsmerkmalen oder ihren Kaufoptionen profitieren. Aus unserer Sicht sind diese Wertpapiere weniger abhängig von makroökonomischen Risiken. Wir betrachten sie als rein idiosynkratische Anlage. Innerhalb der Branchen bevorzugen wir Versorger und Pipelines, die in der Regel transparente und langfristige Cashflow-Ströme generieren.

Mit Blick auf ihr Gesamtportfolio bleiben wir konservativ hinsichtlich des Gesamtrisikos. Allerdings sind wir in einer hochliquiden Marktlage und damit bereit, Chancen zu nutzen, die sich unserer Meinung nach in naher Zukunft zu attraktiveren Bewertungen ergeben werden.

*) Denise Simon ist Co-Head im Emerging Market Debt-Team bei Lazard Asset Management

—————————-

! NEU ! Die erste BondGuide Jahresausgabe 2023 ist erschienen: Green & Sustainable Finance 2023 (4. Jg.) kann wie gewohnt kostenlos als e-Magazin oder pdf heruntergeladen werden.

Die Ausgabe 3/2022 Biotechnologie 2022 der Plattform Life Sciences ist erschienen. Die Ausgabe kann bequem als e-Magazin oder pdf durchgeblättert oder heruntergeladen werden.

Bitte nutzen Sie für Fragen und Meinungen Twitter – damit die gesamte Community davon profitiert. Verfolgen Sie alle Diskussionen & News zeitnaher auf Twitter@bondguide !