Europäische Banken vor dem Comeback

Europäische Banken sind interessant – allerdings nur für langfristig orientierte Anleger. Kurzfristig kann es nach wie vor Volatilität geben. Von Niklas Kammer*

Zu diesem Ergebnis kommt der neue Branchenbericht European Banks Industry Pulse von Morningstar. Zwar haben die Bewertungen der Banken in der jüngsten Krise gelitten, weil Investoren befürchteten, nach einigen Regionalbanken in den USA und Crédit Suisse in Europa könne es zu weiteren Ansteckungen kommen.

Aber die Interbankenmärkte blieben ruhig, was die Ansicht von Morningstar stützt, dass die Probleme der Crédit Suisse unternehmensspezifisch waren. Vielmehr haben sich europäische Banken leicht erholt. Die Bilanzen europäischer Banken sind solide und verfügen über reichlich Liquidität und robuste Kapitalpuffer. Wegen der Turbulenzen im Bankensektor werden die Finanzierungskosten für europäische Banken zwar steigen, aber wir erwarten, dass die Nettozinsmargen strukturell über dem Niveau der letzten zehn Jahre liegen werden.

Anzeichen für zunehmenden Stress sehen wir dagegen auf den europäischen Immobilienmärkten. Die lockere Geldpolitik hat in den letzten zehn Jahren Immobilien in Europa so stark aufgebläht wie kaum eine andere Anlageklasse. Der rasche Anstieg der Hypothekenzinsen und die Verschärfung der Kreditvergabestandards bremsen die Immobilienmärkte. Zudem wirkt sich die Inflation auf die Reallöhne aus und hat die Erschwinglichkeit von Wohnraum verringert.

ING

Dank der robusten Arbeitsmärkte dürften die privaten Haushalte in diesem Umfeld weiterhin relativ gut dastehen, während die Lage bei Gewerbeimmobilien deutlich schlechter aussieht. Vermieter haben sich während des Niedrigzinsumfelds stark verausgabt und könnten gezwungen sein, Vermögenswerte zu veräußern, um die Schuldenlast zu bedienen. Das könnte die Preise weiter belasten und zu Kreditverlusten für Banken führen.

Aus diesem Grund haben europäische Banken begonnen, ihre Hypothekenangebote anzupassen, aber die Margen bleiben niedrig – und die sind gerade für die beiden niederländischen Banken ABN Amro und ING besonders wichtig. Hypotheken machen rund 40% der Gesamtaktiva der beiden Banken aus.

Investoren sollten allerdings bedenken, dass die Banken – auch wenn die Hypothekenspannen unter Druck geraten – gleichzeitig eine höhere Marge auf ihre Einlagen erzielen. Zwar ist der Druck auf die Hypothekenmargen schlecht für europäische Banken, aber auf Konzernebene wirkt sich der Anstieg der Zinssätze positiv auf die Rentabilität aus, so dass der Nettoeffekt positiv ist. Da wir davon ausgehen, dass sich die Zinssätze für Hypothekenkredite weiter nach oben bewegen werden, werden die Banken zudem eine weitere Ausweitung ihrer Margen erleben.

Nach Ansicht von Morningstar sind die Unternehmenskredite europäischer Banken weiterhin anfälliger als die Kredite an private Haushalte. Europäische Unternehmen haben die extrem niedrigen Zinssätze genutzt, um ihren Verschuldungsgrad erheblich zu erhöhen. Höhere Zinssätze könnten es den Unternehmen erschweren, ihre Schulden zu bedienen und zu verlängern.

Auf der Ebene der Einzeltitel bevorzugt Morningstar im Bankensektor die Lloyds Banking Group und ING. Wir glauben nicht, dass der Markt die strukturell höhere Rentabilität von ING im Vergleich zum Sektor in vollem Umfang anerkennt. Obwohl das derzeitige Umfeld wahrscheinlich keine neuen Aktienrückkäufe in naher Zukunft zulässt, glauben wir, dass ING über überschüssiges Kapital verfügt, das es an ihre Aktionäre zurückgeben kann.

Ähnlich für Lloyds: Das von uns berechnete 0,8fache des Buchwerts spiegelt nicht das wahre Rentabilitätspotenzial von Lloyds wider. Die höheren Zinsen in Großbritannien dürften Lloyds überproportional zugutekommen. Die starke Einlagenbasis, von der Lloyds in den letzten zehn Jahren nur wenig profitiert hat, dürfte wieder zu einem stärkeren Unterscheidungsmerkmal zwischen Lloyds und seinen Wettbewerbern werden.

Lloyds Banking Group

*) Niklas Kammer ist Aktienanalyst bei Morningstar

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