DVFA: Investment Professionals bewerten Koalitionsvertrag noch zurückhaltend und eher kritisch

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Noch vor der endgültigen Unterzeichnung des Koalitionsvertrages befragte die DVFA ihre Investment Professionals in der aktuellen Monatsfrage Mai, wie sie dessen wirtschafts- und finanzpolitische Aspekte einschätzen.

„Deutschland steht vor enormen Herausforderungen und hat jetzt gleichermaßen die Pflicht und auch die Chance, die Weichen in die richtige Richtung zu stellen. Umso größer sind die Erwartungen an die neue Bundesregierung, gerade was Reformen für Wirtschaft und Kapitalmärkte angeht“, stellt Roger Peeters, stellvertretender Vorsitzender des Verbandes, fest.

Ein Werk mit Lücken und unklarer Gesamtwirkung
Der Koalitionsvertrag enthält auf 144 Seiten eine Vielzahl von Details und Ankündigungen, darunter allein 379-mal die Formeln „wir werden“ und „wir wollen“. Inhaltlich ist mit Blick auf den Fortschritt für Wirtschaft und Kapitalmarkt nur jeder zehnte Investment Professional positiv überrascht und zufrieden mit dem Koalitionsvertrag. Fast jeder Zweite (49%) sieht das Resultat gemischt, denn es seien zwar einige Fortschritte zu erkennen, aber es würden auch neue Probleme geschaffen. Ein gutes Drittel der Antwortenden (35%) vermisst hingegen wichtige Themen und konkrete Aussagen. Nur 6% trauten sich keine klare Meinung zum Koalitionsvertrag in seiner Gänze zu.

Kritischer Einfluss der zuvor beschlossenen Sonderschulden
Bereits vor der Verabschiedung des Koalitionsvertrags beschloss der „alte“ Bundestag eine Grundgesetzänderung, die umfangreiche Staatsschulden in sogenannten „Sondervermögen“ ermöglicht, um in Rüstung und Infrastruktur zu investieren. Deren Wirkungen auf die künftige Regierungspolitik galt daher die zweite Frage.

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Auch hier überwog die kritisch-negative Sicht der Investment Professionals, wenn auch leicht. Etwa 45% der befragten Experten äußerte die Ansicht, aufgrund der neuen Verschuldungsmöglichkeiten würden dringend erforderliche Strukturanpassungen nicht angegangen; stattdessen seien weiter steigende Sozialausgaben zu erwarten.

Immerhin fast 36% sehen dagegen die Sonderschuldenprogramme positiv, da die Kombination aus erhöhter Investitionskraft und geplanten Reformen geeignet sei, die Wirtschaft wieder in Fahrt zu bringen.

Und fast jeder Fünfte (knapp 19%) sieht keinen Zusammenhang zwischen den beiden Themen. Vielmehr sei der Koalitionsvertrag separat zu bewerten.

Sonderabschreibungsmöglichkeiten und Senkung der Körperschaftsteuer: gemischte Gefühle
Die im Koalitionsvertrag angekündigten Sonderabschreibungsmöglichkeiten für Investitionen und die anschließende schrittweise Absenkung der Körperschaftssteuer über mehrere Jahre wird unter den Investment Professionals der DVFA als ambivalent eingeordnet:

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– 50% meinen, dies könne ein wichtiger Impuls für Investitionen und Wachstum sein;
– für 47% stellen diese Ankündigungen dagegen Symbolpolitik dar, strukturell und im internationalen Vergleich ändere sich damit viel zu wenig;
– nur 3% sehen in Steuerfragen derzeit keinen großen Reformbedarf.

Private und staatliche Altersvorsorge: die „Rentenlücken“ im Koalitionsvertrag
Weiter fragte die DVFA danach, welche Themen aus dem Bereich Kapitalmarktpolitik im Koalitionsvertrag fehlen bzw. unzureichend adressiert werden. Hier waren bis zu zwei Nennungen möglich:

– Nach der Gesamtzahl der Antworten wurde ein klares, abgestimmtes Konzept zum Ausbau der Aktienrente bzw. kapitalgedeckten Altersvorsorge am stärksten vermisst (34%);
– auf Platz zwei der „Suchliste“ folgte die Stärkung der privaten Altersvorsorge mit 28%;
– abgeschlagen folgten die Förderung von Start-ups und Wagniskapital (15%);
– die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Anleger 13% sowie
– mit nur 10% der Antworten die Harmonisierung der europäischen Kapitalmärkte.

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Gesamtwirkungen des Koalitionsvertrags auf die Wirtschaft: eher Skepsis
– Positive Impulse für die deutsche Wirtschaft erwartet nur knapp jeder Fünfte (19%) der antwortenden Investment Professionals der DVFA, vor allem durch Investitionen und Entlastungen, auch bei der Bürokratie.
– Dagegen rechnen fast die Hälfte (48%) kaum mit nennenswerten Effekten des Koalitionsvertrags, denn es fehlten Durchschlagskraft und mutige Reformen.
– Tendenziell sogar negative Effekte, insbesondere wegen Reformstau und Finanzierungsunsicherheit, sehen 11% der Antwortenden.
– Allerdings finden 22%, es sei zu früh für eine Einschätzung, da die Umsetzung in der Praxis entscheidend sei.

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Roger Peeters fasst das Ergebnis wie folgt zusammen: „Unsere Umfrageergebnisse zeigen, dass viele unserer Mitglieder den Koalitionsvertrag noch zurückhaltend und eher kritisch bewerten, während eine robuste Minderheit Hoffnungen mit dem Werk verbindet. Offensichtlich hinterlässt der Vertrag noch viel Spielraum für Interpretationen. Mehr Klarheit werden wir haben, wenn die wichtigen Themen erfolgreich angegangen werden oder eben nicht“.

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