Deutscher Aktienmarkt 2023: Performance und Erfolg mit Schatten

Fast 20% Performance für deutsche Aktien 2023 sehen recht gut aus. Aber nur auf den ersten Blick – der Teufel steckt im Detail. Von Philipp Immenkötter*

Blickt man auf das vergangene Börsenjahr zurück, bekommt man zunächst den Eindruck, dass es für Aktien aus Deutschland recht erfolgreich lief. Die Aktien deutscher Unternehmen erbrachten im Jahr 2023 zusammen eine Performance von 19%. Hiervon entfielen 15% auf Kursgewinne und die übrigen 4% auf die Ausschüttung von Dividenden.

Dies ist eine äußerst erfreuliche Statistik, wenn man bedenkt, dass in den zehn Jahren zuvor die jährliche Rendite des gesamten deutschen Aktienmarkts im arithmetischen Mittel bei lediglich 8%, bzw. ohne Dividenden bei 5% lag. Mit einer rollierenden Investition in eine kurzfristige Bundesanleihe hätte man lediglich eine Rendite von 3,1% im Jahr 2023 erwirtschaftet.

Doch die Statistik trügt darüber hinweg, dass es für die deutschen Einzeltitel im vergangenen Jahr eher schlecht lief. Lediglich 44% aller deutschen Aktien liefen besser als die kurzfristige Bundesanleihe. Die Mehrheit (56%) aller deutschen Aktien konnten hingegen die Bundesanleihe nicht schlagen. Selbst im historischen Vergleich ist dies ein schlechter Wert. In den vergangenen fünf Jahren lagen immerhin 53% der deutschen Aktien vor der Bundesanleihe.

Der Vergleich von Aktienrenditen und Verbraucherpreisinflation, die im Dezember 2023 bei 3,7% lag, kommt zu einem vergleichbaren Ergebnis. Mit einer Einzelinvestition in 43% aller deutschen Aktien erhielt man keinen Ausgleich für die Geldentwertung im Jahr 2023.

Performance 2023

Die Wahrscheinlichkeit mit einer blinden Auswahl eines Aktientitels die Bundesanleihe zu schlagen oder einen Inflationsausgleich zu erhalten, war geringer als bei einem Münzwurf richtig zu liegen.

Der Grund, warum der Gesamtmarkt gut lief, die Mehrheit der Einzeltitel jedoch nicht, liegt in der Berechnungsmethode. Markt- und Portfoliorenditen werden wie ein wertgewichteter Index berechnet. Bei einem wertgewichteten Index fließen die Aktien in der Höhe ihres Börsenwerts in die Berechnung der Performance ein. Große Titel mit einer positiven Performance trugen den Gesamtmarkt. Kleinere Titel mit einer schlechten Performance hatten daher nur einen geringen Einfluss auf die Gesamtentwicklung.

Die Größenunterschiede fallen noch stärker ins Gewicht, wenn man den Wert betrachtet, der für Anleger an der deutschen Börse geschaffen wurde. Die 386 deutschen Aktien haben zusammenbetrachtet für ihre Anleger im Jahr 2023 einen Wert in Höhe von 223 Mrd. EUR erschaffen. Der Wert entspricht der Summe aller ausgezahlten Dividenden zuzüglich der Kurssteigerung der Aktien, die über die Rendite der kurzfristigen Bundesanleihe hinausging. Zum Vergleich: In den vier vorangegangen Jahren (2019 – 2022) wurde für Anleger durchschnittlich jährlich ein Wert von 110 Mrd. EUR am deutschen Aktienmarkt geschaffen.

Rein rechnerisch entfällt von den 223 Mrd. EUR Wertschaffung des Jahres 2023 auf jede der 386 Aktien ein Anteil von 579 Mio. EUR. Doch auch hier trügt die Statistik. Im Jahr 2023 war die Wertschaffung so konzentriert wie lange nicht mehr.

Knapp ein Viertel des gesamten geschaffenen Werts am deutschen Aktienmarkt im Jahr 2023 entfällt alleine auf die Aktie von SAP. Weitere 14% des Gesamtwerts wurden nur durch die Aktie von Siemens geschaffen. 18 Aktien reichten bereits aus, um auf den gesamten am deutschen Aktienmarkt geschaffenen Wert des Jahres 2023 zu kommen.

Die übrigen 368 Unternehmen haben zusammen betrachtet keinen Wert geschaffen. Zwar schuf die Hälfte davon einen Wert in Höhe von 86 Mrd. EUR, die andere Hälfte vernichtete jedoch einen Wert in gleicher Höhe. Besonders stark trugen die Großunternehmen zur Wertvernichtung bei, deren Aktie im vergangenen Börsenjahr schlecht lief. […]

Die Kunst für Investoren lag im vergangenen Jahr darin, die wenigen Titel frühzeitig zu identifizieren, die zur Wertschaffung am deutschen Kapitalmarkt beigetragen haben.

Philipp Immenkötter

Zu guter Letzt sollten Anleger sich stets bewusst sein, dass die Betrachtung einer Rendite basierend auf Kalenderjahren mit einer gewissen Zufälligkeit einhergeht. Würde ein Kalenderjahr bereits Ende Oktober zu Ende gehen, so ständen nur 11 statt 19% Rendite innerhalb von zwölf Monaten für den deutschen Kapitalmarkt zu Buche und das Jahr würde nicht mehr so außergewöhnlich gut ausschauen.

*) Philipp Immkötter ist Senior Research Analyst beim Flossbach von Storch Research Institute.

Grafiken: @Flossbach von Storch RI

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