
Prof. Dr. Jan Viebig, Chief Investment Officer der ODDO BHF SE, kommentiert, was die Märkte bewegt – der aktuelle CIO View.
Der Prozess der ‚De-Globalisierung‘ dürfte mit der Wahl Donald Trumps zum nächsten US-Präsidenten weiter Fahrt aufnehmen. Wo die US-Regierung unfairen Wettbewerb vermutet, könnten auch höhere ‚Strafzölle‘ verhängt werden. Und Produkte aus China sollen generell mit einem Zollsatz von mindestens 60% belegt werden.
Diese Pläne übertreffen die Maßnahmen aus Trumps erster Amtszeit um ein Vielfaches. Nach Schätzungen von Maurice Obstfeld und Kimberly Clausing in einer Veröffentlichung des Peterson Institute for International Economics (PIIE) vom Oktober würden die neuen Zölle mehr als 8-mal so viele Importe treffen wie die Maßnahmen der ersten Trump-Regierung. Importe im Wert von 3,1 Bio. USD [=3.100 Mrd.] wären betroffen, wenn Trump seine Ankündigungen wahr macht.
Mit Importzöllen schadet sich ein Land selbst. Wenn es sich bei dem Importeur allerdings um ein großes Land wie die USA handelt, ist das Ergebnis nicht mehr ganz so eindeutig, denn zwischen der importierenden Volkswirtschaft und dem Rest der Welt ergeben sich Wechselwirkungen. Die Erhebung von Zöllen in den USA schlägt sich dann auch bei Exporteuren und im Rest der Welt erheblich nieder.
Den Einbußen der Verbraucher stehen allerdings Vorteile für die US-Hersteller gegenüber, die im Schutz der Zölle höhere Absatzpreise und -mengen realisieren können. Daneben profitiert auch der US-Fiskus, der den Zoll abschöpft.
Die meisten Ökonomen bezweifeln, dass die positiven Effekte für die USA dominieren. Zahlreiche empirische Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass die expansive Wirkung auf die inländische Produktion gering ist. An dieser Stelle kommt ein weiterer Aspekt hinzu: In den USA herrscht bei einer Arbeitslosenquote von gut 4% praktisch Vollbeschäftigung. Die Arbeitskräfte, die für neue Produktionsstätten benötigt würden, sind nicht verfügbar.
Das Wirtschaftswachstum der Biden-Jahre wurde zu einem wesentlichen Teil durch Zuwanderung ermöglicht. Die Zuwanderung will Trump allerdings unterbinden oder sogar durch Abschiebungen umkehren, und die Demografie läuft ohnehin gegen ihn. Daher könnten die Einfuhrzölle sogar dazu beitragen, dass Beschäftigte aus wettbewerbsfähigen Wirtschaftszweigen in geschützte, aber unproduktive Branchen abgezogen werden. Zudem würden vermutlich die Arbeitskosten steigen. […]
Die Weltwirtschaft insgesamt stellt sich durch die Einführung von Importzöllen definitiv schlechter. Wir gehen jedenfalls davon aus, dass gerade die europäische Exportwirtschaft, die ohnehin zu kämpfen hat und einem verschärften Wettbewerbsdruck aus China ausgesetzt ist, vor großen Herausforderungen steht.
Ein weiterer Faktor kommt hinzu: Die von Trump vorgesehene Einführung von Einfuhrzöllen wird wahrscheinlich mit ähnlichen Gegenmaßnahmen von Seiten der Betroffenen – insbesondere China und EU -beantwortet werden.
Wir können einige der Argumente, die gerade im Verhältnis zu China für Einfuhrzölle sprechen, nachvollziehen. Europa sieht sich hier mit sehr ähnlichen Problemen konfrontiert. Insgesamt ist aber zu befürchten, dass die Einführung neuer Zölle in den USA und die zu erwartenden Gegenreaktionen der Exporteure das Wachstum der Weltwirtschaft belasten wird. Der Kuchen, der allen zur Verfügung steht, könnte dadurch künftig kleiner ausfallen. Die Europäer stehen nach unserer Einschätzung vor einer besonderen Herausforderung. Um Europas Stellung in der Weltwirtschaft zu behaupten, müssen die Unternehmen wettbewerbsfähiger und innovativer werden.
Den vollständigen CIO View als PDF-Datei finden Sie unter diesem Link.
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