Anleihen-Blickpunkt: Linker zwischen Konjunktursorgen und Zinsanstieg

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Der Euro-Staatsanleihemarkt ist zuletzt durch einen abrupten Kursrutsch aus der Seitwärtstendenz des zweiten Quartals gerissen worden. Der Rücksetzer hat inflationsgeschützte Anleihen zwar leicht unterdurchschnittlich getroffen, aber eine schwindende Inflationskompensation hemmt diese „Pufferfunktion“. In der Gesamtjahresbetrachtung haben die Linker ihre Outperformance gegenüber dem Gesamtmarkt gefestigt.

Die langfristigen Inflationserwartungen sind seit Mitte Juni moderat gestiegen. Der 10Y EUR-Inflationsswapsatz liegt aktuell am oberen Rand der seit März etablierten Handelsspanne zwischen 2,35 und 2,55%. Die langfristigen Forward-Inflationserwartungen haben sich angesichts einer fortgesetzten Versteilerung der Erwartungskurve dicht an ihr Jahreshoch herangerobbt und nähern sich damit dem höchsten Stand seit 2012.

Den jüngsten Anstieg der langfristigen Inflationserwartungen führen wir auf eine enge Korrelation mit der Entwicklung des Langfristzinsen zurück, welche bereits seit einigen Monaten zu beobachten ist (siehe unsere Publikation Anleihen Weekly vom 12.05.2023). Am kurzen Ende der Erwartungskurve dürfte demgegenüber die Sorge vor einer anhaltenden Rezession im Euroraum – befeuert durch schwache Konjunkturdaten – einen dämpfenden Einfluss ausgeübt haben. Dies gilt umso mehr, als die globale Konjunktur ebenfalls keine Anzeichen einer Belebung zeigt.

Der maue Wirtschaftsausblick schürt u.a. in mehreren Segmenten des Rohstoffmarkts die Sorgen vor einer Nachfrageschwäche und lastet dort auf der Preisentwicklung. Die vorgenannten Punkte beflügeln u.E. die Erwartung, dass der Disinflationstrend der zurückliegenden Monate weiter Fahrt aufnimmt. Die teils gegenläufigen Wirkungen von Zinsanstieg einerseits und negativem Konjunkturausblick andererseits haben mit dazu beigetragen, dass sich die vormals ausgeprägte Inversion der Break-Even-Inflationskurven nunmehr komplett aufgelöst hat.

Impulse von der Geldpolitik waren u.E. in den zurückliegenden Wochen nicht direkt maßgeblich für die Entwicklung der inflationsgeschützten Anleihen. „Hawkishe“ Äußerungen aus der EZB zählten allerdings zu den Triebfedern des Zinsanstiegs, welcher die Inflationserwartungen mit nach oben gezogen hat. Während ein weiterer Zinsanhebungsschritt auf der Ratssitzung am 26. Juli praktisch ausgemacht ist, zeichnen sich bezüglich des weiteren Zinspfads zunehmende Kontroversen unter den Währungshütern ab.

Eine intensive Debatte über die Höhe des Leitzinsgipfels bei weiterhin stark erhöhter Inflation begünstigt u.E. einen Anstieg die Inflationsrisikoprämien, welche die Linker-BEI als Zuschlag zum EZB-Inflationsziel beinhalten. Dies birgt Potenzial für eine weitere Versteilerung der BEI-Kurven. Für längerlaufende Linker bewegen sich die Risikoprämien seit mehreren Monaten in einem Bereich von 0,5%-Punkten.

Im Grundsatz dürfte das Zusammenspiel zwischen geldpolitischer Ausrichtung und Inflationsentwicklung prägend für die relative Wertentwicklung der Linker im Vergleich zum Staatsanleihemarkt insgesamt bleiben.

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