Halbgar – ein Kommentar von Falko Bozicevic

Falko Bozicevic, BondGuide

Die Zahl der Aktionäre in Deutschland sei 2020 auf den höchsten Stand seit, ja: seit dem Crash des damaligen Neuen Marktes (R.I.P.) gestiegen – so die eigentlich erfreuliche News zum vergangenen Wochenausklang. Doch was ist das Schlüsselwort in dieser Feststellung?

Zugegeben, die Nachricht lautete „seit fast 20 Jahren“, die historische Einordnung in den Kontext stammt von mir. Zweiter Malus: Erstmals hat das DAI auch ausländische Aktionäre mit Wohnsitz in Deutschland eingerechnet. Immerhin bleibt ein Nettoanstieg von über 2 Mio. neuer Aktionäre.

Die Kommentatoren im Sparten-TV überschlugen sich beinahe mit Begründungen. Besonders jüngere Menschen hätten die Corona-bedingte Langeweile genutzt, sich mit Finanzen zu beschäftigen. Sie wollten, so die Erläuterung, „langfristig dabeibleiben“. Abzulesen sei das an Aktien- oder Indexfonds/ETFs in ihren Depots.

Wie lang langfristig ist, wird sich in Zeiten von Null-Euro-Orders und jederzeitiger Smartphone-Einsatzbereitschaft noch zeigen. Genauso gut wäre die Interpretation möglich, dass wir jetzt über 2 Mio. zusätzliche unerfahrene Erstinvestoren im Markt haben, die Auf- und vor allem Abwärtsbewegungen im Falle des Falls nur noch zyklisch verstärken. Das Phänomen wäre ja nicht dermaßen grotesk neu – im Gegenteil, es ist ziemlich genau 20 Jahre alt.

Gut, freuen wir uns für den Moment, Bedenken second. Um die möglichen Aufräumarbeiten kümmern wir uns später.

Noch größer fiele unsere Freude nämlich aus, wären die höheren Aktionärszahlen durch wichtige, um nicht zu sagen: betriebsnotwendige Basics wie Förderung von Mitarbeiteraktien oder Steuerfreiheit nach entsprechender mehrjähriger Haltedauer etc. unterfüttert.

So bleibt das Glas weiterhin mehr halb leer als halb voll, mithin: Unser halbgares Aktionärswesen in Deutschland hat sich durch die neueste Statistik meines Erachtens nicht wirklich verändert – technische Verfügbarkeit von Jederzeit-Orders und Einmal-Effekte durch Corona-Blues sind keine hinreichend schlagenden Argumente.

Falko Bozicevic,
BondGuide

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