Wer wird die geopolitischen Spiele um die Wahlen in Taiwan gewinnen?

Eines der weltweit meistbeachteten geopolitischen Ereignisse des jungen Jahres 2024 dürften die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Taiwan am kommenden Samstag sein. Von Jens Chrzanowski*

Obwohl Umfragen bereits darauf hindeuten, dass der derzeitige „angespannte“ Status quo wahrscheinlich beibehalten wird, sorgen die jüngsten verbalen Drohungen Chinas für ein erhöhtes Maß an Unsicherheit. Aber warum ist Taiwan eigentlich für die globale und chinesische Wirtschaft so wichtig? […]

Globale Tech-Supermacht

Taiwan gehört zur Gruppe der so genannten asiatischen Tiger-Staaten. Es ist der weltweit größte Hersteller von Halbleitern, so dass jede militärische Aktion in Taiwan zu einer technologischen Krise führen würde, die wahrscheinlich einen weltweiten wirtschaftlichen Zusammenbruch zur Folge hätte.

TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing Company) ist der größte Halbleiterhersteller, der laut TrendForce einen Marktanteil von fast 58% hält und damit sein Wachstum aus den vorangegangenen Quartalen fortsetzt. Zum Vergleich: Samsung liegt an zweiter Stelle mit einem Anteil von nur 12,4%. Dabei ist erwähnenswert, dass TSMC Halbleiter im Auftrag anderer Unternehmen produziert und keine Chips für den eigenen Gebrauch unter eigenem Namen herstellt. […]

Taiwan ist nicht nur TSMC, sondern auch die Heimat anderer bekannter Elektronikhersteller wie Acer, Asus und Foxconn. Interessanterweise kandidiert der Gründer von Foxconn, Terry Guo, bei den Präsidentschaftswahlen in Taiwan – er liegt aber derzeit in den Umfragen an vierter Stelle und hat kaum Chancen auf den Sieg.

Entstehungsgeschichte

Der Konflikt zwischen China und Taiwan geht auf das 17. Jahrhundert zurück, als die Insel unter chinesische Herrschaft kam. Kurz vor dem Jahr 1900 fiel Taiwan während des chinesisch-japanischen Krieges unter japanische Herrschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahr 1945 kam Taiwan wieder unter chinesische Verwaltung. Die Unzufriedenheit mit der Herrschaft der Kuomintang-Partei führte jedoch zu erheblichen Unruhen in Taiwan, die schließlich in Aufständen mündeten. Der chinesische Bürgerkrieg und der Sieg von Mao Zedong führten zur Flucht der chinesischen Behörden nach Taiwan.

Taiwan, das auch als „Republik China“ bezeichnet wird, erkennt die Behörden auf dem Festland nicht an. Gleichzeitig hat es nicht offiziell seine Unabhängigkeit erklärt, was für dritte Staaten die Aufrechterhaltung diplomatischer Beziehungen sowohl mit China als auch mit Taiwan erschwert. China verfolgt eine Politik der Einheit und hat Pläne für eine Wiedervereinigung bis 2049 angekündigt. Die chinesischen Behörden betonen, dass jede Unabhängigkeitserklärung Taiwans mit einer militärischen Intervention beantwortet werden würde. Aus diesem Grund ist China nicht dafür, dass die derzeitige Regierungspartei, die Demokratische Fortschrittspartei (DPP), gewinnt, da dies nicht nur den derzeitigen Stillstand verlängern, sondern auch die Spannungen verschärfen könnte.

Umfragen deuten auf Verbleib der DPP an der Macht hin

Der derzeitige Vizepräsident Lai Ching-te von der DPP tritt bei den Präsidentschaftswahlen an. Die amtierende Präsidentin Tsai Ing-wen ist seit 2016 zweimal im Amt, eine Zeit, die von einer deutlichen Eskalation der Spannungen zwischen China und Taiwans geprägt war. Die Wahl von Lai Ching-te könnte darauf hindeuten, dass der gegenwärtige Status beibehalten oder sogar noch verschlechtert wird. Die DPP betont, dass das Land unter ihrer Regierung seine Autonomie und Sicherheit durch engere Beziehungen zu Ländern wie den Vereinigten Staaten und anderen vergleichbaren Demokratien gestärkt hat. […]

Es ist erwähnenswert, dass jeder Kandidat für die Beibehaltung des derzeitigen Status quo eintritt und von einer Unabhängigkeitserklärung absieht, die eine Reaktion Chinas auslösen könnte. Gleichzeitig setzt China jedoch Desinformationen ein, um die Wähler in Richtung der weniger chinafreundlichen Parteien wie KMT und TPP zu beeinflussen. […]

Es ist wichtig zu betonen, dass der Kandidat, der in der ersten Runde die meisten Stimmen erhält, gewinnt; er muss also nicht zwingend 50% der Stimmen haben. Allerdings gab es seit mehreren Jahren keine so große Anzahl von Kandidaten mit einer so gleichmäßigen Unterstützung. Außerdem werden bei diesen Wahlen (ähnlich wie in den Vereinigten Staaten) Vizepräsidenten gewählt.

Vergleich China und Taiwan

China will Veränderungen in Taiwan

In seiner Desinformationskampagne stellt China die Wahl als eine Entscheidung zwischen Krieg und Frieden dar. Allerdings scheint das Land nicht zu einer weiteren Eskalation des Konflikts über das bisher Gesehene hinaus zu neigen, es sei denn, Taiwan erklärt die Unabhängigkeit, was ebenfalls unwahrscheinlich erscheint. Sollte die DPP jedoch weiter regieren, könnte sich China für häufigere Militärübungen in der Nähe der Straße von Taiwan entscheiden und möglicherweise sogar Taiwans Luftraum verletzen. Xi Jinping hat den nahenden Moment der Wiedervereinigung angedeutet, ohne konkrete Maßnahmen zu nennen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass ein Angriff auf Taiwan nicht nur die Versorgung mit für die Welt wichtigen Halbleitern unterbrechen würde, sondern auch bis zu 50% des weltweiten Containerschiffsverkehrs gefährden würde. Ohne seine Halbleiterproduktion stünde China im Falle eines Angriffs auf Taiwan derzeit vor erheblichen Problemen. […]

Situation bleibt angespannt

Aus Sicht des Marktes ist es wichtig, die Entwicklung der TSMC-Aktie und des chinesischen Yuan genau zu beobachten. Während die Wahlen selbst die aktuelle Marktsituation nicht verändern dürften, könnte eine Eskalation des Konflikts den Aktien taiwanesischer Unternehmen erheblich schaden und zu weiteren Problemen für den Yuan führen, obwohl es sich nicht um eine frei schwankende Währung handelt. Gleichzeitig könnte ein Versuch Taiwans, nach den Wahlen mit China in einen Dialog zu treten, zu einer Verbesserung der Situation in der Lieferkette führen, wodurch die Preise für Technologieprodukte sinken könnten. Dies wiederum könnte sich auf die TSMC-Aktie auswirken, die nach dem Seitwärtstrend des vergangenen Jahres wieder an Wert gewinnen könnte. Sie ist im Übrigen für deutsche Anleger auch in der speziellen Konstruktion eines ADRs zu handeln (Börsen-Kürzel TSM.US).

Jens Chrzanowski

Man kann nur hoffen, dass der laufende Konflikt auf dem Papier bleibt und es nicht zu einer von einigen Kommentatoren vorausgesagten drastischen Eskalation kommt – andererseits hat China 2023 auch nicht die prognostizierte Rezession erlebt.

*) Jens Chrzanowski ist Deutschland-Chef von XTB, eines globalen Fintech-Unternehmens, das Privatanlegern über eine Online-Investitionsplattform und die XTB Mobile App Zugang zu den Finanzmärkten auf der ganzen Welt bietet. Das 2002 in Polen gegründete Unternehmen unterstützt weltweit rund 847.000 Kunden bei Trading-Ambitionen.

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