Weitere Aufholchancen bei Unternehmensanleihen

Die zunehmend um sich greifende Sorge, dass eine mögliche zweite Viruswelle zu einem neuen Lockdown führen könnte, teilen wir nicht – von Adam Choragwicki, Leiter Rentenfondsmanagement bei StarCapital

Der August ist tendenziell ein sehr ruhiger Monat mit wenig Bewegungen an den Rentenmärkten. Dies ist auch in diesem Jahr nicht anders.

Einen Lockdown wie im März/April würde die Wirtschaft nicht ein weiteres Mal verkraften. Für unsere Positionierung spielt dieses Szenario eher eine untergeordnete Rolle.

Vielmehr gehen wir weiterhin davon aus, dass sich die Risikoprämien bei Credit-Anleihen ihrem Normalwert nähern. Investment Grade-Unternehmensanleihen haben sich bereits stark erholt – sowohl in den USA als auch in Europa. Die Anleihekaufprogramme der Zentralbanken haben dieses Segment gut unterstützt.

Hingegen verfügen Hochzins- und Schwellenländeranleihen über weitere Aufholchancen. Hier befinden sich die Risikoprämien noch weit von ihrem Mittelwert entfernt. Um von diesem Potenzial profitieren zu können, haben wir in den vergangenen Wochen defensive High Yield-Anleihen aus dem Crossover-Ratingsegment zugekauft, deren Portfolio-Anteil nun deutlich höher ist als zu Beginn des Jahres.

Hingegen haben wir Emerging Markets (EM) Lokalwährungsanleihen nicht mehr im Portfolio, weil wir in diesem Segment aus Euro-Perspektive langfristig keinen Mehrwert sehen. Die Tendenz zur De-Globalisierung belastet den Investment Case für EM-Währungen nachhaltig.

Hinzu kommt, dass viele EM-Zentralbanken mittels QE-Programmen versuchen, ihre Nominalzinsen auf neue Tiefs zu drücken. Durch den sinkenden Zinsvorteil nimmt die Attraktivität dieses Rentensegments für einen internationalen Investor stark ab.

Konjunkturprogramme in den Schwellenländern können kontraproduktiv sein

Obwohl die Risikoprämien für EM-Hartwährungsanleihen auf Gesamtmarktebene sehr hoch erscheinen, haben wir ausgewählte Emittenten in die Erholung hinein abgebaut. Bei Schwellenländern sehen wir neben den wirtschaftlichen Herausforderungen auch verstärkt innenpolitische Unsicherheiten aufkommen. Das könnte die Kapitalflucht aus einigen Ländern verstärken und die Währungen langfristig belasten.

Auch Konjunkturprogramme in den Schwellenländern können sich kontraproduktiv auswirken. Wenn etwa die türkische Regierung über eine wirtschaftspolitische Maßnahme den Binnenkonsum ankurbelt, führt das dazu, dass der Konsument auch ausländische Produkte kauft. Zum Beispiel: der Kauf eines VWs bedeutet für einen türkischen Haushalt letztendlich den Tausch der türkischen Lira in Euro. Wenn gleichzeitig jedoch die Nachfrage nach türkischen Produkten oder Services einbricht, führt dies zum Überangebot und somit einer Abwertung der türkischen Lira.

Opportunitäten in den Emerging Markets sehen wir vor diesem Hintergrund derzeit nur im Bereich der Hartwährungsanleihen.

In allen Segmenten könnte sich aus antizyklischer Sicht ein Blick auf Corona-sensitive Werte lohnen, da diese sich noch nicht so stark erholt haben wie der Durchschnitt. Accor Hotels ist ein Beispiel für einen Emittenten, der zu einem „Fallen Angel“ geworden ist, jedoch über eine solide Liquidität, akzeptable Verschuldung und ein gutes Management verfügt. Dies bietet ein attraktives Erholungspotenzial.

Unbegründete Inflationssorgen

Adam Choragwicki, StarCapital

Adam Choragwicki, StarCapital

Ein Thema, das zunehmend gespielt wird, ist Inflation. Viele Marktteilnehmer haben wegen der Geldflut der Notenbanken und der umfangreichen Konjunkturpakete Angst vor steigenden Güterpreisen. Wir glauben nicht an eine nachhaltige Teuerung, da diese historisch von steigenden Rohstoffpreisen und Lohnstückkosten angekündigt wurde. Für unsere Rentenstrategie, u.a. den StarCapital Argo, ist Inflation daher aktuell kein großes Thema.

Auch inflationsindexierte Anleihen erscheinen nach der Erholung derzeit wenig aussichtsreich. Die Inflationserwartungen sind zwar gestiegen, doch die Zentralbanken halten über ihre Anleihekaufprogramme die Hand auf den Nominalrenditen. Die im März entstandene Performancedivergenz zwischen inflationsindexierten und nominellen Staatsanleihen ist somit weitgehend aufgeholt.