Standpunkt: Eine neue Liga

Insgesamt neun Profivereine aus der Bundesliga und der 2. Liga haben in den vergangenen Jahren sogenannte Fan-Anleihen begeben. Mit wechselndem Erfolg: Von den geplanten 66 Mio. EUR konnten insgesamt nur rund 48 Mio. EUR tatsächlich bei Investoren platziert werden. Die Gründe hierfür liegen darin, dass bislang begebene Fan-Anleihen
·         nicht börsennotiert und damit nicht handelbar sind und ein vorzeitiger Verkauf der Anleihe über die Börse ausgeschlossen ist: Für den Fan sind dies vollkommen illiquide Assets;
·         keinem Rating-Prozess unterzogen wurden, so dass das operative und finanzielle Risiko für einen Außenstehenden nicht nachvollziehbar ist;
·         mit einem Emissionsvolumen zwischen 3 und 11 Mio. EUR betragsmäßig Micro-Anleihen sind, die von den meisten institutionellen Investoren nicht gezeichnet werden dürfen;
·         Nominalverzinsungen aufweisen, die durchgängig unter denen vergleichbarer Unternehmensanleihen liegen, da sie, wie es auch der Name suggeriert, typischerweise bei wenig zinssensiblen Fans und nicht bei unabhängigen, institutionellen Investoren platziert werden;
·         keinen marktgängigen Transparenzregeln unterworfen sind, die eine zeitnahe Berichterstattung von relevanten Informationen über die Vermögens- oder Ertragslage des Vereins vorschreiben.
Diese Defizite versucht Schalke 04 mit der Begebung einer Mittelstandsanleihe zu beheben. Dabei handelt es sich im Gegensatz zu den bisher von Vereinen begebenen Fan-Anleihen um eine klassische Mittelstandsfinanzierung, die sich primär an institutionellen Investoren orientiert. Das Volumen der Anleihe liegt bei 50 Mio. EUR, die Laufzeit bei sieben Jahren. Angesichts des BB-Ratings dürfte der Kupon von 6,75% allerdings nicht den Kapitalmarktanforderungen entsprechen, die bei einem Unternehmen dieser Risikoklasse eigentlich deutlich höhere Nominalverzinsungen verlangen. Ursächlich hierfür ist, dass das Ausfallrisiko bei Fußballvereinen geringer ist, als dies durch ein klassisches Finanzrating ausgedrückt werden kann. So gibt es beim Fußball, insbesondere bei beliebten Erstligavereinen, Interessengruppen, die einen notleidenden Verein auch in wirtschaftlich schwachen Phasen unterstützen.
Dass die Sondersituation eines Vereins dennoch kein Freifahrtschein für unsolides Haushalten sein kann, musste bereits der ähnlich beliebte Lokalrivale Borussia Dortmund erfahren, der 2005 in gravierende Liquiditätsengpässe geraten war. Daher sollte die Eigenkapitalquote von Schalke 04 erstaunen, zumal die zu platzierende Mittelstandsanleihe im Gegensatz zu den früher begebenen Anleihen und sonstigen Finanzverbindlichkeiten unbesichert ist. Denn das Konzerneigenkapital von -68,2 Mio. EUR ist entgegen verschiedentlich vertretener Analystenmeinungen nicht der HGB-Bilanzierung geschuldet, da die Neubewertung zu einem eventuell höheren Zeitwert bei inhomogenen Wirtschaftsgütern wie Fußballspielern auch nach IFRS ausgeschlossen ist. Aufgrund der vorliegenden Kapitalstruktur wird Schalke 04 künftig einen ungleich größeren Teil seines freien Cashflows für Zinsen und Schuldentilgung zurückstellen müssen als in der Vergangenheit.
Ein echter Schwachpunkt der Schalke-Mittelstandsanleihe ist, dass keine effektiven Stücke angeboten werden, die durchaus mit der Emission von handelbaren Anleihen in Form einer Globalurkunde kombinierbar wären. Effektive Stücke, auch Schmuckanleihen genannt, dienen zur Identifizierung mit dem Verein und werden üblicherweise in verschiedenen Nominalwerten begeben. Dem Verein bieten Schmuckanleihen die Chance auf Nicht-Einlösung der Zinskupons und sogar des Nominals bei Laufzeitende. Bei früheren Anleihen lag die Eintauschquote der effektiven Stücke zum Teil unter 60% – für den Verein ein äußerst lukratives Investorenverhalten!
Von Peter Thilo Hasler, Vorstand, Blättchen & Partner AG
Ursprünglich erschienen im GoingPublic Magazin 06/2012.