„Riesige Lücke zwischen Wunsch und Handeln“

Accentro Real Estate AG: Die ACCENTRO Real Estate AG platziert erfolgreich ihre Unternehmensanleihe
Foto @ ACCENTRO Real Estate AG

BondGuide im Gespräch mit Jacopo Mingazzini, ACCENTRO Real Estate AG, über Vermögensbildung durch Wohneigentum, verpasste historische Chancen und fehlerhafte Weichenstellungen – auf vielen Ebenen.

BondGuide: Herr Mingazzini, sprechen wir einmal über Wohneigentum. Hat die anhaltende Niedrigzinsphase denn dazu geführt, dass in Deutschland mehr Menschen als bisher auf eigenes Wohneigentum setzen?
Mingazzini: Nein, leider nicht oder zumindest kaum. Wir haben schon seit 2011 eine Phase, in der es vorteilhafter ist, eine Immobilie zu kaufen anstatt sie zu mieten. Diese Untersuchung lassen wir jährlich vom Institut der deutschen Wirtschaft anstellen – und zwar für alle 400 Landkreise Deutschlands. Das Ergebnis ist eindeutig. Selbst wenn wir 30 Jahre Abtragung unterstellen, bleibt Wohneigentum wirtschaftlich attraktiver als Wohnen zur Miete. In einem solchen Markt sollte die Eigentumsquote geradezu explodieren – das ist aber ganz und gar nicht der Fall. Dies ist sehr erstaunlich und wird auch im Ausland oder bei ausländischen Investoren kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen.

BondGuide: Wie steht Deutschland im europäischen Vergleich bei der Eigentumsquote da und wodurch erklären sich diese teils gravierenden Unterschiede – eine Mentalitätsfrage vielleicht?
Mingazzini: Deutschland ist innerhalb der EU Schlusslicht mit etwa 50%. Das ist sicherlich eine Mentalitätsfrage, hat aber auch mit den teilweise widersprüchlichen politischen Weichenstellungen zu tun, die den Weg in das Wohneigentum erschweren. Die fatale Folge ist, dass Deutschland in internationalen Vermögensvergleichen erheblich schlechter abschneidet, als es sein müsste – speziell gegenüber wirtschaftlich schwächeren Ländern oder solchen mit niedrigerem Durchschnittseinkommen. Griechen oder Italiener sind vermögender als der durchschnittliche Deutsche. Die Korrelation zur Eigentumsquote ist praktisch eins zu eins.

AccentroBondGuide: Wovor haben die Deutschen mehr Sorgen: vor steigenden Zinsen oder steigenden Mieten?
Mingazzini: Die Mietpreisentwicklung bereitet vielen Menschen Sorgen. Gleichzeitig bieten die historisch niedrigen Zinsen ideale Voraussetzungen für den Kauf von Wohneigentum. Diese Situation hatte noch vor wenigen Jahren niemand erwartet – weder die Kommunen oder die Verwaltungen, noch die Projektentwickler oder die Bauindustrie. Lange Zeit gingen Experten davon aus, dass die Anzahl der Haushalte ab 2030 schrumpfen würde und diskutierten über Abrisse. Wir erleben nun das Gegenteil: Die Bevölkerung als auch die Anzahl der Haushalte wachsen deutlich. Damit einhergehend ist bezahlbarer Wohnraum an wirtschaftlich relevanten Standorten knapp geworden. Das alles hat sich innerhalb weniger Jahre abgespielt und momentan findet man nicht die richtigen Antworten darauf. Insofern sind die Sorgen der Menschen sicherlich auch dem dynamischen Umbruch auf dem Markt geschuldet. Dieser Wandel bietet aber auch Chancen.