Rezessionen als Chance für 2023?

Rezessionen sind nie angenehm, aber notwendig, um die Übertreibungen früherer Aufschwünge zu korrigieren – vor allem, wenn die Wirtschaft wie in den letzten zehn Jahren fast unaufhörlich gewachsen ist. Von Henning Busch*

Nach einer langen Wachstumsphase muss es auch einmal einen Rückschlag geben, um alles wieder ins Lot zu bringen. Das ist zu erwarten und gut so.

Die Weltwirtschaft scheint jetzt diesen Weg zu gehen. Europa befindet sich bereits in einer Rezession und der Konflikt in der Ukraine dürfte diese verstärken. Auch Chinas Wachstum ist faktisch auf Null gefallen, unter anderem wegen der ständigen regionalen Lockdowns. Die US-Wirtschaft steht zwar noch verhältnismäßig gut dar, aber auch ihr droht aufgrund der hohen Inflation und der höheren Zinsen ein massiver Abschwung.

Wir gehen davon, dass die US-Wirtschaft 2023 um etwa 2% schrumpfen wird. Das wäre mehr als nach dem Platzen der Technologieblase zu Beginn der 2000er Jahre, aber längst nicht so viel wie in der Finanzkrise 2008/09. Dabei ist wichtig zu betonen, dass Rezessionen die Basis für neues Wachstum sind.

Heute werden die Rezessionsrisiken am Aktienmarkt realistischer eingeschätzt. Bislang haben Aktien einen Aufschwung aber meist vorweggenommen, lange bevor sich die Konjunkturdaten wirklich erholten.

Wie lange dauert die nächste Rezession?

Natürlich sind alle Rezessionen auf ihre Art schmerzhaft, doch zum Glück dauern sie meist nicht sehr lange. Die Analyse von elf US-Konjunkturzyklen seit 1950 zeigt, dass Rezessionen zwischen zwei und 18 Monaten gedauert haben und im Schnitt nach etwa zehn Monaten wieder vorbei waren.

Hinzu kommt, dass sich die Aktienmärkte meist schon vor dem Ende der Rezession wieder erholten. Auch im Abschwung fallen die Kurse, bevor die Konjunktur nachgibt. Mitte 2022 sind fast alle großen Aktienmärkte in die Baisse gefallen. Und wenn sich die Geschichte wiederholt, werden sie sich etwa sechs Monate vor der Wirtschaft wieder erholen. Von der Markterholung soll man so wenig wie möglich verpassen. In allen Marktzyklen seit 1950 sind die Kurse in der Hausse um durchschnittlich 265% gestiegen, während sie in der Baisse nur 33% verloren.

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Foto: © CrazyCloud – stock.adobe.com

 

2022 war nicht einfach, und es kann auch in 2023 weiterhin schwierig bleiben. Eines darf man aber nicht vergessen: Jede Rezession und jede Baisse waren irgendwann vorbei. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis sich Wirtschaft und Märkte wieder erholen.

Bei steigenden Rezessionssorgen: Anleihen wieder als Alternative?

Trotzdem sind die Zahlen aktuell weiterhin unschön: 2022 wird als eines der schwächsten Anleihejahre aller Zeiten in die Geschichte eingehen. Wegen des großen Minus fragen sich viele Investoren, ob Anleihen wirklich noch vor Verlusten schützen, wenn die Aktienkurse fallen. Nur in wenigen Kalenderjahren geben Aktien und Anleihen gleichzeitig nach. In den 45 Jahren seit 1977 ist 2022 die einzige Ausnahme. Grund sind die massiven Zinserhöhungen der FED und anderer Notenbanken gewesen. Wegen der hohen Inflation wurde die Nullzinspolitik aufgegeben.

2023 dürfte sich das ändern. Wenn Teuerung und Konjunktur nachlassen, könnte die FED die Zinserhöhungen beenden und ich glaube, dass wir nah dran sind. Sobald die FED die Geldpolitik wieder lockert, könnten Qualitätsanleihen ein Portfolio wieder stabilisieren und höhere Erträge liefern.

Henning Busch

Wenn Rezessionssorgen die Aktienkurse fallen lassen, könnten Anleihen also durchaus wieder für mehr Stabilität sorgen. Wegen der attraktiven Bewertungen sehe ich mehr Chancen und investiere in ausgewählte Hypotheken- und Unternehmensanleihen. Selbst wenn die Kurse weiter fallen, ändert das nichts an den jetzt wesentlich höheren laufenden Erträgen. Sie können dann für einen Ausgleich sorgen.

*) Henning Busch ist Managing Director bei Capital Group

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