Lebensversicherer vor dem Aus

Jeder vierte Lebensversicherer steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Dauerhaft niedrige Zinsen sowie hohe Vertriebs- und Verwaltungsgebühren haben die einst beliebten Produkte zu Ladenhütern verkommen lassen. Vielen Anbietern drohe in naher Zukunft das Aus, warnt etwa Finanzexperte Sven Thieme, Geschäftsführer der Competent Investment Management GmbH. Von Robert Steininger*

In einer aktuellen Studie hat der Bund der Versicherten (BdV) insgesamt 84 in Deutschland aktive Anbieter von Lebensversicherungen genauer unter die Lupe genommen. Grundlage der Untersuchung waren von der EU vorgeschriebene Berichte, in denen die Versicherer ihre Finanzlage offenlegen müssen.

Mit 22 der 84 untersuchten Lebensversicherer stecken mehr als ein Viertel der Unternehmen nach eigenen Angaben in finanziellen Schwierigkeiten. Sieben Unternehmen werden im laufenden Geschäftsjahr rote Zahlen schreiben, bei 12 Unternehmen ist die Zahlungsfähigkeit derart gering, dass der Geschäftsbetrieb nur mit Übergangsmaßnahmen weiter erfolgen kann. DEVK LV a.G., Frankfurter LV AG, Landeslebenshilfe VVaG, PB LV AG und RheinLand LV AG lieferten so schlechte Zahlen, dass sogar beide Negativmerkmale zutreffen.

Für den renommierten Finanzexperten Sven Thieme von der Competent Investment Management ist die problematische Finanzlage der Lebensversicherer wenig überraschend. Jahrelang habe es die Branche versäumt, Antworten auf das dauerhafte Niedrigzinsumfeld zu finden und ineffiziente Strukturen zu optimieren. Die desolate Lage der Versicherungsunternehmen sei daher weitgehend hausgemacht: „Die Rendite von Lebens- und Rentenversicherungen befindet sich seit Jahren auf Talfahrt und bietet derzeit bestenfalls einen Inflationsausgleich. Andere Investmentklassen entwickelten sich hingegen deutlich besser“, fasst Competent-Chef Thieme die negative Tendenz im Interview mit dem Magazin Businesstalk am Kudamm zusammen.

Die BdV-Studie konterkariert auch eines der letzten Argumente, das für Lebensversicherungen ins Feld geführt werden konnte: hohe Sicherheit und eine – wenn auch magere – Garantieverzinsung. Aufgrund der teils prekären finanziellen Situation der Versicherungsunternehmen sind Insolvenzen mittlerweile aber nicht mehr auszuschließen. Für die Versicherungsnehmer dürfte es im Insolvenzfall ihres Versicherungsgebers zumindest zeit- und nervenzerrend werden, die eingezahlten Gelder zurückzuerhalten.

Trend: Sachwerte statt Versicherungen

An einer privaten Altersvorsorge führt dennoch kein Weg vorbei. Laut aktuellen Umfragen hält die Mehrheit der Deutschen die eigenen Sparbemühungen allerdings für deutlich zu gering. Die Lücke zwischen den gesetzlichen Ansprüchen nach 45 Beitragsjahren von derzeit 48% des Nettoeinkommens und den durchschnittlich benötigten 80% zum Erhalt des gewohnten Lebensstandards ist also eklatant groß. „Diese Zahlen sind wirklich beunruhigend und werden sich durch die Folgen der Corona-Pandemie voraussichtlich noch verschärfen“, so Thieme, Geschäftsführer der Competent Investment Management Gmbh aus Coswig.

Sowohl bei privaten Anlegern als auch vielen Finanzexperten stehen Sachwerte derzeit hoch im Kurs. Die Auswahl der Assets und eine vernünftige Risikostreuung sorgen allerdings auch für einen deutlich erhöhten Informationsbedarf. Vor allem am Aktienmarkt sollten Anleger nicht unbedarft auf Einzeltitel setzen. Denn selbst Hochkaräter in Leitindizes können zu dramatischen Verlusten führen, wie der Skandal um Wirecard derzeit eindrücklich beweist. Empfehlenswerter sind hingegen breitgestreute ETFs (Exchange-Traded Funds, also Investmentfonds), die den Wert Hunderter oder sogar Tausender Unternehmen abbilden. Auch Immobilien und Edelmetalle wie Gold und Silber gehören zu der bekannten und beliebten Klasse der Sachwerte.

Letztendlich muss bei der Planung der Altersvorsorge eine Vielzahl an Faktoren in Erwägung gezogen werden, was pauschalisierte Ratschläge wenig sinnvoll erscheinen lässt.Wichtig bei der Planung ist, die individuellen Lebensumstände zu berücksichtigen, denn nicht jede Form der Altersvorsorge passt zu jedem Lebensmodell“, erläutert Thieme. Wichtig sei es aber in jedem Fall auf die Diversifikation des Vermögens zu achten und nicht alles auf eine Karte zu setzen.

*) Robert Steininger ist Spezialist für u.a. Anlagestrategien und publiziert regelmäßig zu Fachthemen wie Online-Strategien, Investment-Strategien und Verhaltensanalyse.