Krisenmodus in Europa

Ökonomisch stehen die USA derzeit viel besser da als Europa. Und mittelfristig: Da schwebt der weltweite Wahlmarathon 2024 über den Märkten. Von Kay Tönnes*

In den USA bestehen gute Chancen, dass es tatsächlich zu einem Soft Landing mit anschließend wieder anziehenden Wachstumsraten kommt. Ein wichtiger Grund hierfür ist die Servicelastigkeit und hohe Innovationkraft der US-Wirtschaft. Die USA werden vermutlich zur Konjunkturlokomotive der Weltwirtschaft. In Europa und ganz besonders in Deutschland hat man die ökonomischen Gefahren noch nicht richtig erkannt. Die Eurozone wird voraussichtlich eine längere Phase konjunktureller Schwäche durchlaufen, in Deutschland dürften negative Wachstumsraten über mehrere Quartale nicht mehr zu vermeiden sein.

Trotz zu hoher Inflationsraten wird der Zinsgipfel im zweiten Halbjahr erreicht

In Deutschland und Europa werden die Inflationsraten voraussichtlich bis ins Jahr 2024 zurückgehen. In den USA werden dagegen in Kürze schon wieder Inflationsraten in der Nähe der 3%-Marke erreicht werden. In Europa und den USA wird das Inflationsziel der Notenbanken von 2% nicht erreicht werden. Trotzdem sehen wir ab Herbst eine längere Phase stabiler Zinsen.

Wahlmarathon 2024: Rechtsruck in Europa?

Im kommenden Jahr steht eine Reihe von Wahlen an, die in der Tendenz eine Verschiebung der politischen Mehrheiten zeigen sollten und die die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen stark beeinflussen werden. Was nach dem Wahltag in Taiwan geschieht, ist offen. Von Deeskalation bei einer Regierung in Taiwan, die wieder die Sicht der Unteilbarkeit Chinas annimmt, bis zur offenen Konfrontation bei einem Unabhängigkeitsreferendum ist alles möglich.

Die Europawahl im Juni 2024 ist wichtig, da die Anzahl der europäischen Rechtsakte die Anzahl nationaler Gesetzgebungen deutlich übersteigt. Gerade im ökonomischen Bereich ist die europäische Gesetzgebung die absolut wichtigste Instanz. Und in der Zusammensetzung des europäischen Parlaments bahnen sich entscheidende Veränderungen an. Ausschlaggebend ist hier die immer stärkere Zustimmung zu rechten Parteien in Europa.

Die wichtigste Wahl 2024 ist die Wahl des US-Präsidenten im Herbst 2024. Joe Biden ist vermutlich für längere Zeit der letzte Präsident, der noch so europäisch ausgerichtet ist, wie es der traditionellen amerikanischen Politik entsprach. Doch auch er wird sich nicht der zunehmenden Bedeutung Asiens und der wachsenden Konkurrenz zu China entziehen können. Vermutlich werden die Beziehungen zwischen Europa und den USA schwieriger mit Biden – und noch mehr mit einem möglichen Nachfolger.

Konfliktpotenzial mit China und USA

Aus amerikanischer Sicht ist eine stärkere Bedeutung der USA im wachstumsstarken Asien unverzichtbar. Die Strategie hierzu wird auf der angestrebten Öffnung der asiatischen Märkte für amerikanische Produkte und Dienstleistungen beruhen oder auf Wirtschaftssanktionen und Handelsbeschränkungen. Dies birgt ein gehöriges Konfliktpotenzial zwischen den USA und Europa. Denn Europa (und ganz besonders Deutschland) ist von den Wirtschaftsbeziehungen nach Asien viel abhängiger als die USA. Deshalb wollen die Europäer nach Möglichkeit auch einen Wirtschaftskrieg mit China vermeiden – die USA und China sind aber bereit, diese Auseinandersetzung zu führen.

Kay Tönnes

*) Kay Tönnes ist Geschäftsführer und Portfoliomanager Antecedo Asset Management, einem Spezialisten für risikokontrollierte Geldanlage. Ziel des 2006 gegründeten Vermögensverwalters ist es, durch fortschrittliches Risikomanagement überlegene und unverwechselbare Anlagestrategien zu schaffen, die in ihrem jeweiligen Segment zur Spitze gehören. Antecedo verwaltet aktuell ein Vermögen von mehr als 4 Mrd. EUR.

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