Flexibilität und Diversifikation in einer multipolaren Welt

Etwas abgewetzt: Symptom des Vertrauensverlusts

Die Weltwirtschaft präsentiert sich zum Jahresende 2025 widerstandsfähiger, als viele erwartet hatten: Anlegen in einer multipolaren Welt. Von Torsten Steinbrinker, Adrian Roestel und Dr. Matthias Ramser*

Tiefe Energiepreise, robuste Konsumausgaben und starke Unternehmensgewinne – insbesondere in den USA – sorgen weiterhin für positive Impulse. Zugleich unterstützen sinkende Zinsen die Aktienmärkte. Dennoch ist das Umfeld komplexer geworden: Die politische Unsicherheit und die Folgen der US-Wirtschaftspolitik unter Präsident Trump [‚Trump 2.0‘] führen zu tektonischen Verschiebungen an den Finanzmärkten. Anlegerinnen und Anleger bewegen sich in einer zunehmend multipolaren Welt, in der Kapitalströme, Währungen und geopolitische Allianzen neu austariert werden.

USA: Realwerte statt Staatsanleihen

Am deutlichsten zeigt sich diese Veränderung in der Schwäche des US-Dollars – ein Symptom des Vertrauensverlusts in die Stabilität der Vereinigten Staaten. Asiatische Zentralbanken, die bislang bedeutende Halter von US-Staatsanleihen waren, suchen nach Alternativen. Das erzeugt Verkaufsdruck, mindert die Attraktivität von US-Anleihen und stützt gleichzeitig den Goldpreis. Für Anleger heißt das: Nominalwertanlagen in Dollar – insbesondere Treasuries – bleiben unattraktiv.

Zeit für Schweizer Dividendentitel?

Wer in den USA investiert, sollte auf Realwerte setzen. Chancen sehen wir vor allem bei Aktien aus den Bereichen Technologie und Finanzen, die vom Investitionsboom in Künstliche Intelligenz und von Deregulierungen profitieren. Eine Absicherung des Dollar-Risikos bleibt dabei zentral, auch wenn sie kostspielig ist.

Europa: Investitionsboom voraus

Europa muss sich neu positionieren. Ohne den amerikanischen Schutzschirm entsteht Druck, massiv in Sicherheit, Infrastruktur und Energiesouveränität zu investieren. Hinzu kommt der Wiederaufbau der Ukraine, der enorme wirtschaftliche Impulse setzen wird. Für Anleger eröffnen sich hier Chancen in den Sektoren Industrie, Bau, Grundstoffe und Banken. Auch Small- und Mid-Caps versprechen attraktives Potenzial. Trotz politischer Unsicherheit bietet Europa damit eine seltene Kombination aus günstigen Bewertungen und wachstumsfördernden Zukunftsinvestitionen.

Asien: Gewinner der Dollar-Schwäche

In Asien profitieren die Märkte von der Abwertung des US-Dollars und von weiterhin moderaten Bewertungen. Besonders interessant ist China. Trotz Einschränkungen beim Zugang zu modernsten Chips sind die dortigen KI-Modelle wettbewerbsfähig, und die Technologiewerte haben zuletzt wieder an Dynamik gewonnen. Vietnam sticht als weiterer Gewinner hervor. Die Regierung verfolgt einen klar wachstumsorientierten Kurs, und der neue Handelsdeal mit den USA fällt für das Land überraschend vorteilhaft aus. Für langfristig orientierte Investoren bietet Asien somit ein attraktives Gegengewicht zu westlichen Märkten.

Vietnam

Schweizer Werte: Stabilität im Portfolio

Gerade in Zeiten erhöhter Unsicherheit suchen Anleger nach Stabilität. Diese Rolle übernehmen Schweizer Dividendenaktien. Sie verbinden Qualität mit Verlässlichkeit und profitieren zusätzlich von den drohenden Negativzinsen der Schweizerischen Nationalbank. Wer sein Portfolio robust aufstellen will, kommt an dieser Anlageklasse nicht vorbei. Je nach Risikoprofil und Präferenz empfiehlt es sich, den Anteil an solchen Titeln individuell zu justieren.

Breite Aufstellung entscheidend

Wir leben in einer Welt, die voller Risiken, aber gleichzeitig voller Chancen ist. Globale Kapitalströme verschieben sich, politische Machtzentren werden neu definiert, und die Märkte reagieren in zunehmendem Tempo. Für Anleger bedeutet das: Flexibilität und Diversifikation sind wichtiger denn je. Es gilt, in den Portfolios die Balance zu wahren zwischen Qualitätsaktien mit Dividendenfokus und gezielter Adressierung divergierender lokaler Trends. Wer diese Balance wahrt, kann die Chancen der multipolaren Welt nutzen und zugleich die Risiken im Griff behalten.

Torsten Steinbrinker

Adrian Roestel

Dr. Matthias Ramser

*) Torsten Steinbrinker ist CEO, Adrian Roestel Leiter Portfoliomanagement der Reichmuth Integrale Vermögensverwaltung, und Dr. Matthias Ramser Chief Investment Officer (CIO) von Reichmuth & Co Privatbankiers.

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