Ekosem-Agrar: „Operativ von der Pandemie praktisch nicht betroffen“

BondGuide im Gespräch mit Wolfgang Bläsi, CFO der Ekosem-Agrar AG, anlässlich der kürzlichen Veröffentlichung der 9-Monatszahlen

Herr Bläsi, Ekosem-Agrar scheint gut durch die Corona-Krise zu kommen. Was sind die wichtigsten Gründe dafür?
Ekosem-Agrar als systemrelevantes Agrarunternehmen und wichtiger Produzent von Lebensmitteln ist von den Einschränkungen durch die Pandemie praktisch nicht betroffen, um die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln sicherzustellen. Daher arbeiten derzeit alle unsere Betriebe regulär weiter, wenn auch mit den gebotenen Präventionsmaßnahmen zur Verhinderung einer Ausbreitung des Virus. Ein weiterer Aspekt sind die Milchpreise, die in den ersten neun Monaten dieses Jahres mit 37 Eurocent je kg auf einem soliden Niveau lagen und mit dafür gesorgt haben, dass wir bei einem Umsatzwachstum von 27% eine überproportionale Ergebnissteigerung verzeichneten.

Wie geht es im kommenden Jahr weiter: Bleibt Ekosem-Agrar weiter auf Wachstumskurs und was haben Sie sich für 2021 vorgenommen?
Ja, wir bleiben auf Wachstumskurs. Angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheiten durch die Pandemie ist das Tempo allerdings etwas gedrosselt. Die russische Wirtschaft hat, wie alle großen Volkswirtschaften mit den Folgen der Pandemie zu tun und das hat auch Einfluss auf die Kreditvergabe der russischen Banken. Wir sind von der Richtigkeit unserer Expansionsstrategie überzeugt und verfolgen diese mit Augenmaß weiter. Im Fokus stehen 2021 demnach neben der Steigerung unserer Milchleistung vor allem auch der Ausbau unserer Kapazitäten in der Verarbeitung. So werden zwei unserer bestehenden Molkereien derzeit ausgebaut. Außerdem befindet sich eine große Molkerei mit einer Verarbeitungskapazität von 1.200 Tonnen Rohmilch pro Tag in der Region Nowosibirsk und eine kleine Käserei in der Region Woronesch mit einer Kapazität von 60 Tonnen Rohmilch pro Tag im Bau. Letztere wird in den nächsten Wochen die Produktion aufnehmen. Konkrete Prognosedaten für 2021 geben wir mit Veröffentlichung vorläufiger Zahlen voraussichtlich im April kommenden Jahres bekannt.

Bild von vor 2020 – sonst natürlich mit Maske

Sie hatten im Mai 2020 gemeldet, dass 50% des Grundkapitals der Einzelgesellschaft durch Verluste aufgebraucht sind – wie konnte es dazu kommen?
Diese Situation hatte sich über einen längeren Zeitraum entwickelt und die Erklärung ist nicht ganz unkompliziert. Wesentliche Gründe waren die 2012 emittierten Anleihen und das geplante, aber nicht vollzogene IPO im Jahr 2018. Die Mittel aus den Anleiheemissionen waren ursprünglich als Darlehen an deutsche Zwischenholding-Gesellschaften ausgereicht worden, die wiederum Darlehen an die russischen Holdinggesellschaften vergaben. Dafür verbuchte die Ekosem-Agrar AG regelmäßige Zinseinnahmen. Im Zuge der Vorbereitungen auf den geplanten Börsengang 2018 kam es zu notwendigen Anpassungen der Gesellschaftsstruktur mit der Folge einer Verringerung der Zinseinnahmen bei der AG. Da das IPO schließlich nicht stattfand und keine frischen Finanzmittel eingeworben wurden, führte die neue Struktur sukzessive zu Buchverlusten, die das Eigenkapital der Einzelgesellschaft zunehmend verringerten. Hier mussten wir entsprechend gegensteuern.

Wolfgang Bläsi, Ekosem Agrar

Wie haben Sie das Problem denn nun gelöst und wie hoch ist das Eigenkapital der Gesellschaft nach dieser Maßnahme?
Wir haben einen Ertrag generiert, indem wir Stille Reserven in der bilanzierten Bewertung einer unserer Tochtergesellschaften gehoben haben. Diese russische Tochtergesellschaft ist eine von zwei Zwischenholdings, die die Anteile an den operativen Agrargesellschaften in Russland halten; konkret handelt es sich also um die Bewertung unseres operativen Geschäfts in den Schwarzerde-Regionen Woronesch und Kursk. Um diese Maßnahme auf solide Beine zu stellen, haben wir eine Unternehmensbewertung von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pwc erstellen lassen. Der ermittelte Unternehmenswert liegt in einer Bandbreite von ca. 115 bis 300 Mio. EUR und als neuen Buchwert haben wir das unterste Ende dieser Range genommen sowie die Anteile nun entsprechend bewertet. Die Maßnahme wurde letzte Woche im Handelsregister eingetragen und ist damit abgeschlossen.

Herr Bläsi, ganz herzlichen Dank für die Zeit und Erläuterungen!

Interview: Falko Bozicevic